Pipeline-Lecks in der Ostsee: Eben nicht im Interesse der USA
Entgegen vieler Gerüchte haben die USA kein plausibles Motiv für einen Anschlag auf die Nord-Stream-Leitungen. Russland hingegen schon eher.
D ass die USA die Lecks in den Nord-Stream-Pipelines verursacht haben, ist unwahrscheinlich – auch wenn Russlands Regierung und ihre Trolle im Internet nun das Gegenteil andeuten oder klar behaupten. Die Vereinigten Staaten hätten kein plausibles Motiv für einen Anschlag auf die Erdgasleitungen. Die US-Frackingbranche kann sich EU-Länder auch ohne Gewalt dauerhaft als Kunden sichern und Russland als Konkurrenten ausschalten.
Denn Wladimir Putins Reich hat das selbst erledigt und Nord Stream 1 außer Betrieb genommen, um Druck auf den Westen auszuüben. Und nach Putins Überfall auf die Ukraine unternimmt zum Beispiel Deutschland alles, um russisches Gas zu ersetzen. Aus moralisch-politischen Gründen, aber auch, weil Russland sich als äußerst unsicherer Lieferant erwiesen hat. Solange Putin regiert, wird Deutschland auf russisches Gas verzichten wollen.
Eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau hat ihre Andeutungen Richtung Washington mit einer Äußerung von US-Präsident Joe Biden zu belegen versucht. Mehrere Wochen vor Kriegsbeginn hatte er gesagt, sollte Russland den Nachbarn überfallen, werde es kein Nord Stream 2 mehr geben. Und: „Wir werden dem ein Ende setzen.“
Aus dem Kontext wird deutlich, dass das keine Drohung mit Anschlägen auf die Pipeline war. Das Zitat fiel bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz im Weißen Haus. Dabei ging es auch um die Frage, ob die USA mit Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG versuchen könnten, eine Inbetriebnahme der Pipeline zu verhindern.
Unsicherheit spielt Russland in die Karten
Russland wiederum hätte sehr wohl ein Interesse an einem Anschlag auf seine eigenen Pipelines: Er könnte einen Keil zwischen die USA und die Europäische Union treiben. Die Explosionen passierten just am Tag vor der Einweihung der Baltic Pipe, die norwegisches Gas nach Polen bringen soll.
Mit den Lecks zeigt Russland der EU möglicherweise, dass es dasselbe auch mit Leitungen machen könnte, die für die Versorgungssicherheit wichtiger sind. Diese Unsicherheit hat prompt auch den seit einigen Tagen gefallenen Gaspreis wieder in die Höhe getrieben. Auch davon profitiert Russland.
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