Menschenrechtsorganisation über Israel: Auch Amnesty wagt das A-Wort
Amnesty International nennt die israelische Politik gegenüber den Palästinenser*innen „Apartheid“. Israel sieht sein Existenzrecht in Gefahr.
Der Aufruhr dürfte vor allem daher rühren, dass Amnesty International nun ebenfalls den Begriff Apartheid verwendet, um die israelische Politik gegenüber den Palästinenser*innen zu beschreiben. Damit folgen sie der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem und der in New York ansässigen Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch nach, die bereits im vergangenen Jahr bereits das „A-Wort“ gewagt haben.
„Israels Apartheid gegen die Palästinenser“ lautet der Titel des 182-seitigen Berichts mit der Unterzeile: „Grausames Herrschaftssystem und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
Wie zuvor schon Human Rights Watch bezieht sich Amnesty International in seiner Definition von Apartheid auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IstGH) und die Anti-Apartheidkonvention. Die Anti-Apartheidkonvention wurde 1973 von der UN-Vollversammlung beschlossen und richtete sich vor allem gegen das damals noch bestehende Apartheidsystem in Südafrika. Mit dem Römischen Statut aus dem Jahr 1998, dem Gründungsdokument des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, wurde das Apartheidsverbrechen der Zuständigkeit dieses Gerichts unterworfen.
Diese Definition von Apartheid – „ein institutionalisiertes Regime der Unterdrückung und Vorherrschaft einer rassischen Gruppe über eine andere“ – sieht Amnesty International in der israelischen Politik gegenüber Palästinenser*innen gegeben.
Forderung nach Sanktionen
Laut Bericht gelte die Apartheid dabei sowohl für Palästinenser*innen innerhalb Israels als auch in den besetzten Gebieten. Auch Palästinenser*innen, die 1948 vertrieben wurden oder geflohen sind und jetzt in anderen Ländern leben, bezieht der Bericht mit ein.
Das Argument der Organisation dafür: Israels Behandlung von Palästinenser*innen in allen Gebieten folge demselben Ziel: „Jüdische Israelis bei der Verteilung von Land und Ressourcen zu bevorzugen und die palästinensische Präsenz und den Zugang zu Land zu minimieren.“ Die Diskriminierung der Palästinenser*innen zeige sich vor allem in den unterschiedlichen Rechten auf Staatsbürgerschaft, bei Enteignungen und in Einschränkungen der Bewegungsfreiheit.
Den Internationalen Strafgerichtshof fordert die Menschenrechtsorganisation auf, das Verbrechen der Apartheid bei seinen laufenden Ermittlungen im Nahostkonflikt in den besetzen Gebieten zu berücksichtigen. Der Bericht spricht sich für ein Waffenembargo gegen Israel aus, sowie für gezielte Sanktionen, etwa gegen israelische Beamte, die „am meisten in das Verbrechen der Apartheid“ verwickelt sind.
Israels Außenminister Yair Lapid warf der Organisation eine antisemitische Agenda vor. Sein Ministerium sagte, der Bericht leugne Israels Recht, „überhaupt zu existieren“.
Diskussion in Deutschland
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland bezeichnet den Bericht als antisemitisch und rief Amnesty International dazu auf, diesen zurückzuziehen. Israel werde pauschal seit seiner Gründung als Apartheidsystem eingestuft, als jüdischem Staat werde ihm das Existenzrecht abgesprochen.
Die deutsche Sektion von Amnesty International äußert sich auf ihrer Homepage zurückhaltend zu dem Bericht und fügt der Ankündigung der Veröffentlichung einen Absatz „In eigener Sache“ bei. Darin ist zu lesen, dass antisemitische Übergriffe in Deutschland auf einem beunruhigenden Höchststand seien. Daraus und aus der Geschichte der Shoah erwachse eine besondere Verantwortung. Um einer Instrumentalisierung vorzubeugen, sehe die deutsche Amnesty-Sektion davon ab, zu diesem Bericht Aktivitäten zu planen oder durchzuführen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance