Letzte Generation vor Gericht: Auf dem Weg in den Knast

Hamburger Amtsgericht verurteilt eine Aktivistin der Letzten Generation wegen Sachbeschädigung. Sie hatte in der Hamburger Uni Parolen gesprüht.

Besprühte Fensterfront des Hamburger Audimax, dahiner Aktivistin der Letzten Generation mit Transparent

Gilt als Sachbeschädigung: gesprayter Protest auf der Fensterfront des Hamburger Audimax Foto: Letzte Generation

HAMBURG taz | Für ihren Klimaprotest an der Hamburger Universität ist eine Aktivistin der Letzten Generation zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro verurteilt worden. Das Amtsgericht warf Jana Mestmäcker schwerwiegende Sachbeschädigung vor, weil sie zusammen mit Mitstreitern das Audimax mit Parolen besprüht hat. Ihre Rechtsanwältin Britta Eder bedauerte, dass die Universität eine Strafanzeige gestellt hat. „Vor 20 Jahren hätte man das für den inhaltlichen Austausch benutzt“, sagte sie.

Der Strafantrag des Uni-Präsidiums bezieht sich auf einen Vorfall im Mai und Juni vergangenen Jahres. Mestmäcker hatte mit elf Mitstreitern ab Ende Mai das Audimax der Hochschule besetzt, was diese zunächst tolerierte. Vom Uni-Präsidenten Hauke Heekeren verlangten sie, er möge sich bei der Bundesregierung für einen schärferen Klimaschutz einsetzen. Schließlich verweise die Universität ja selbst auf ihre exzellente Klimaforschung und die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit.

Heekeren teilte der taz mit, er habe am 1. Juni den Dialog mit den Besetzern gesucht. „In dem Gespräch wurden die jeweiligen Standpunkte diskutiert“, spezifizierte sein Sprecher. Weil daraus nichts folgte, intensivierten die Besetzer ihre Aktionen. „Protest muss auf eine Weise gemacht werden, dass er nicht ignoriert werden kann“, sagte Mestmäcker vor Gericht.

Aus Spraydosen und mit Wandfarbe gefüllten Feuerlöschern sprühten die Aktivisten von der Letzten Generation Losungen an die Wände und auf den Boden: „Noch zwei bis drei Jahre, um die Zukunft der Menschheit zu entscheiden“; „Was bringt Dir der Abschluss ohne Sicherheit und Perspektiven?“ sowie „Auf Wissenschaft hören“. Ein großer Teil der verwendeten Farbe, etwa Kreidespray, sei abwaschbar gewesen, sagte Mestmäcker, das Audimax während der Aktionen weiterhin zugänglich.

Kein strafbefreiender Notstand

Amtsrichter Moritz Lieb verwies demgegenüber auf die hohen Kosten, die der Uni durch das Entfernen der Graffiti entstanden seien – insgesamt 18.000 Euro. Eine derart hohe Summe sei ihm bei einer Sachbeschädigung noch nicht untergekommen und er habe keinen Grund, an der Rechnung der Uni zu zweifeln. „Das ganze Gebäude ist völlig verschmiert gewesen“, sagte der Richter. Die Farbe sollte laut Herstellerangaben Wochen bis Monate halten.

„Das politische Ziel kann ich und können viele andere nur unterstützen“, räumte Lieb ein. Auch sei das Anliegen durch das Grundgesetz abgesichert. Die Verfassung sehe aber auch Verfahren der politischen Willensbildung vor, die als Errungenschaften zu begreifen seien: öffentliche Diskussionen, Versammlungen, Wahlen, Parlament. Nötigung, Sachbeschädigung oder gar Gewalt könnten nicht hingenommen werden. „Das ist die Büchse der Pandora“, warnte der Richter.

Die Universität werde von allen Schichten der Bevölkerung finanziert. „Mir ist unwohl, wenn Kultur- und Bildungseinrichtungen mutwillig beschädigt werden“, sagte Lieb. „Das ist Geld, das anderswo fehlt.“

Mestmäcker bezweifelt, dass die regelgemäßen Formen politischen Handelns dem Thema genügen. „Ich müsste mir selber was vormachen, wenn ich dächte, dass es reichen würde, wählen zu gehen“, sagte Mestmäcker vor dem Saal. Der Letzten Generation stelle sich die Frage, wie genug Aufmerksamkeit zu erzielen sei. In ihrem Schlusswort betonte sie, dass eine Klimakatastrophe gerade den Rechtsstaat und die Demokratie bedrohen würde. Sie sehe sich vor die Alternative gestellt, aktuell eine Verurteilung durch das Gericht in Kauf zu nehmen oder eine Verurteilung durch diejenigen, die in Zukunft in einer katastrophalen Welt leben müssten. „Das Urteil, dass ich nichts getan hätte, ist das, mit dem ich nicht leben könnte“, sagte sie.

Amtsrichter Lieb wies Mestmäcker darauf hin, dass sie nach geltendem Strafrecht keine Chance habe, für ähnliche Aktionen mit der Berufung auf rechtfertigenden Notstand straffrei auszugehen. „Sie werden keine entsprechende Entscheidung bekommen“, warnte Lieb. Stattdessen drohten bei Fortsetzung ihres Handelns immer höhere Geldstrafen aufzulaufen, die sie schließlich ins Gefängnis bringen könnten. Er hoffe, dass sie sich in Zukunft ein anderes Forum suchen werde „als einen schnöden Saal des Amtsgerichts Hamburg-Mitte“, sagte Lieb.

Hoffnung auf positive Wirkung von Haft

Mestmäcker dagegen hofft, dass selbst eine Haft politische Wirkung hätte. In einem solchen Fall glaube sie durchaus, „dass es auffällt, dass hier etwas nicht normal ist“.

Die Universität hatte ihre Strafanzeige mit Sachbeschädigungen an dem denkmalgeschützten Audimax aus den 1950er Jahren begründet und damit, dass sich vier Besetzer in lebensgefährdender Weise auf dessen Vordach aufgehalten hätten, um ein Transparent zu zeigen. Einen zivilrechtlichen Anspruch auf Entschädigung hat die Universität bisher nicht geltend gemacht, behält sich das nach Angaben des Präsidiumssprechers aber vor.

Auch eine zweite Aktivistin der Letzten Generation, die an der Sachbeschädigung beteiligt gewesen war, wurde am Montag vom Hamburger Amtsgericht verurteilt. Wie Mestmäcker muss die 27-Jährige eine Geldstrafe zahlen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.