Hauke Heekeren über die Uni Hamburg: „Eine Uni der Nachhaltigkeit“

Hauke Heekeren ist seit einem Jahr Präsident der Uni Hamburg. Ein Gespräch über Leben mit Exzellenzstatus, studentische Hilfskräfte und Studienerfolg.

Ein Mann mit Mikrofon steht auf einer Bühne

Uni-Präsident Hauke Heekeren bei der „Get back to Audimax“-Show im September Foto: Georg Wendt/dpa

taz: Herr Heekeren, Sie sind ein Jahr Präsident der Uni Hamburg. Als Sie anfingen, gewann die Uni den Exzellenztitel. Bis 2026 über 80 Millionen Euro.

Hauke Heekeren: Das war schon etwas früher, den Titel gewannen wir 2019.

Was hat der Titel verändert?

Die Wahrnehmung der Uni in der Stadt hat sich sichtbar geändert. Viele Uni-Angehörige verbinden damit einen gewissen Stolz. Und ganz konkret: Wir haben uns im Rahmen des Exzellenzantrags vieles vorgenommen, was wir jetzt umsetzen. Wir werden internationaler. Wir treffen Maßnahmen, die uns helfen, tolle Spitzenforschende zu gewinnen, auch aus dem Ausland.

Sie bezahlen mit dem Geld auch Professuren?

Ja, um Forschungsbereiche zu stärken. Unser Credo ist: Wir sind Uni der Nachhaltigkeit. Deshalb haben wir die Rolle des Chief-Sustainability-Officer geschaffen, die zentral alle Nachhaltigkeitsaktivitäten der Uni koordiniert.

Die Linke forderte prompt, Exzellenz-Unis sollten „Leuchtturm“ als Arbeitgeber sein. Der „Befristungswahn“ sei nicht mehr zu rechtfertigen.

Es gibt dazu schon gute Prozesse, die ich in Hamburg vorgefunden habe. Wir haben dazu das Projekt „Karrierewege in der Wissenschaft“ gestartet, in dem wir schauen, wie diese Wege aussehen können. Dazu gehört auch die Befristungs-Problematik. Wir wollen auch hier Leuchtturm sein.

Gegen Befristung wehren sich auch studentische Hilfskräfte. Die Bürgerschaft beschloss nun, deren Verträge sollen zwölf Monate dauern. Finden Sie das richtig?

Unsere studentischen Hilfskräfte sind sehr wichtig für uns, und deswegen wollen wir die studentischen Angestellten auch gut behandeln. Das ist eine klare Aussage. Und jetzt schauen wir uns genau an, wie die Bedürfnisse der Studierenden aussehen. Der Beschluss der Bürgerschaft war erst einmal nur ein Prüfantrag.

52, ist Professor für Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaft und seit 1. März 2022 Präsident der Universität Hamburg.

Setzen Sie den um?

Wie bereits gesagt, handelt es sich um eine Prüfung und keinen finalen Beschluss. Betrachtet man die Bedürfnisse der Studierenden, gibt es auch Situationen und Projekte, die nicht länger als drei oder vier Monate andauern und Studierende sagen uns: 'Das passt mir. Ich habe danach sowieso was anderes vor.’ Deshalb könnte man zum Beispiel zwölf Monate als Richtgröße festlegen, von der man auch Ausnahmen definiert.

Hamburgs Hochschulen waren zehn Jahre auf Spardiät. Die Linke schreibt, der Uni fehlten viele Millionen im Budget.

Die Uni hat 2023 einen ausgeglichenen Haushalt. Die Stadt sichert uns mit dem „Zukunftsvertrag“ bis 2027 eine jährliche Budgetsteigerung über zwei Prozent zu. Das war vor dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine eine gute Basis. Jetzt kommt die Inflation dazu. Die schlägt nicht überall so unvermittelt durch. Die Tarifverträge beschäftigen uns erst ab 2024, weil die aktuellen Tarifabschlüsse bis Ende 2023 gelten. Bei den Energiekosten sind wir zuversichtlich, dass wir Hilfe von der Stadt bekommen.

Aber der Studiengang Kriminologie muss schließen?

Das hat der zuständige Fakultätsrat lange vor meiner Zeit beschlossen. Die Inhalte, um die es hier geht, werden sogar von anderen Studiengängen abgedeckt. Dass Studiengänge ersetzt werden, ist ein normaler Prozess an einer großen Uni.

Liegt das an der Exzellenz?

Nein. Mit der Exzellenz-Strategie hat das nichts zu tun. Die gibt uns den Auftrag, ein übergeordnetes Profil und Schwerpunkte zu entwickeln. Wir haben vier Exzellenzcluster in den Bereichen Nanowissenschaften, Klimaforschung, Manuskriptforschung und Quantenphysik. Da bemühen wir uns um eine Verlängerung. Und es gibt drei Anträge für mögliche neue Exzellenzcluster. Das betrifft die Infektionsforschung, die Neurowissenschaften und die Nierenforschung. Das sind sehr forschungsstarke Bereiche.

Reden wir über die Lehre. Die soll seit Jahren besser werden. Aber rechnet man die Quoten Ihrer ‚Ziel- und Leistungsvereinbarungen‘ zusammen, schließen nur 42 Prozent der Studis den Bachelor auch ab.

Die genannte Zahl und somit eine Verrechnung der Quoten sind nicht zielführend. Es geht hier um eine sogenannte „Kohorten-Berechnung“. Es wird betrachtet, wie viele Bachelor-Abschlüsse es in einem Jahr X gab und wie viele Bachelor-Studienanfänger:innen im 1. Fachsemester es vier Jahre zuvor gab. Aufgrund von Fach- oder Hochschulwechseln sowie Studienabbrüchen handelt es sich aber nicht um die gleichen Personen. Die Zahlen sind außerdem stark pandemiebedingt und unterliegen aufgrund der erschwerten Studienbedingungen wie digitale Lehre, wegfallende Jobs für Studierende und Prüfungen, die teilweise nicht durchgeführt wurden, in den Jahren 2020 und 2021 starken Schwankungen.

Laut Ihrer Zielvereinbarung müssen Sie aber nur die 42-Prozent-Quote erreichen. Vor 2017 lag die noch bei 60 Prozent. Die Quote wurde gesenkt.

Es handelt sich hierbei um ein bundesweites Phänomen, das ich auch aus meiner Zeit als Vizepräsident für Studium und Lehre an der FU Berlin bereits kenne. Wir brauchen eine andere differenzierte Betrachtung. Sonst wird es so dargestellt, dass es auch eine Minderleistung von uns wäre. Die Fakultäten tun unfassbar viel, um die Studierenden zu beraten und zu begleiten. Aber uns fehlen die Instrumente, zu wissen, was die Menschen, die ihr Studium bei uns nicht abschließen, eigentlich tun. Da steht zum Beispiel der Datenschutz davor. Wir wünschen uns von Seiten der Politik dafür andere Instrumente.

Sagten Ihre Vorgänger auch.

Das macht es ja nicht falsch.

Liegt es am Können oder an der Motivation, wenn Studierende abbrechen?

Viele Bereiche können wir gar nicht beurteilen. Uns beschäftigt die Frage, wie gut vorbereitet und mit welchen Vorkenntnissen die Studierenden hier ankommen. Gerade auch nach der Pandemie.

Ist es schlechter geworden?

Das versuchen wir gerade zu analysieren und zu evaluieren.

Die Pandemie zwang die Hochschulen, online zu gehen. Ein Digitalisierungs-Schub?

In der Tat. Wir waren auf einen Schlag gezwungen, viele neue Formate auszuprobieren. Jetzt arbeiten wir systematisch auf, welche davon eigentlich in welchen Bereichen wie gut funktionieren. In einigen Bereichen wird die digitale Lehre bleiben und auch das ein oder andere Mischformat. Dafür entwickeln wir neue Lehr-Lernräume, die dafür ausgestattet sind, dass man Präsenz- und Online-Formate kombiniert.

Nun nimmt ein sogenannter Chatbot „ChatGPT“ gar das Schreiben ab. Eine Gefahr, dass Studierende schummeln?

Ich erlebe KI-Systeme wie ChatGPT mehr als Chance denn als Risiko. Damit können wir Lehr- und Lernformate sowie Prüfungsformate weiterentwickeln. ChatGPT ist sehr gut darin, vorhandenes Wissen zu reproduzieren. Aber unser Auftrag ist, die Studierenden mündig zu machen. Das beinhaltet ja gerade, Texte zu beurteilen, Quellen zu hinterfragen, was bei der Nutzung von ChatGPT nötig ist.

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