Klimaschützer sagen „sorry“: Die Letzte Generation will reden

Klimakämpfer haben sich für die Drohungen in ihren Briefen an Deutschlands Bürgermeister entschuldigt. An der Haltung von Hamburgs OB ändert das nichts.

Polziste versucht, die angeklebt Hand einer Klimaaktivistin von der Straße zu lösen

Soll maximal Störung: Aktivistin der Letzten Generation klebt auf Hamburger Straße Foto: Jonas Walzberg

HAMBURG taz | Nachdem Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) der Letzten Generation den Generalbundesanwalt auf den Hals gehetzt hat, haben sich Vertreter der Regierungsfraktionen SPD und Grüne zu vertraulichen Gesprächen mit den Klimaaktivisten getroffen. Zuvor hatten sich die Klimakämpfer in einem offen Brief bei Deutschlands Bürgermeistern entschuldigt: Es sei nie ihr Ansinnen gewesen zu drohen.

Die weithin als Drohung aufgefasste Formulierung stand in den Briefen, die die Letzte Generation an verschiedene Städte geschickt hatte, um Unterstützung für einen Gesellschaftsrat zu bekommen. Gemeint ist damit ein Bürgerrat aus gelosten Mitgliedern, der sich Gedanken darüber machen soll, wie Deutschland bis 2030 klimaneutral werden könnte – das gegenwärtige Ziel liegt bei minus 65 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045.

„Die Bundesregierung soll öffentlich versprechen, dass sie die Empfehlungen des Gesellschaftsrates umsetzen wird“, heißt es in dem Brief vom 6. März, der in Hamburg auch an sämtliche Bürgerschaftsfraktionen ging. Weiter heißt es darin: „Sollten wir bis zum 13.03.2023 keine Antwort von Ihnen erhalten, sehen wir keine andere Möglichkeit, als gegen den aktuellen Kurs Widerstand zu leisten.“ Die Gruppe werde die öffentliche Ordnung maximal stören – und zwar so lange „bis wir von Ihnen eine Reaktion bekommen, die es unserem Gewissen erlaubt, aufzuhören“.

Mehrere Oberbürgermeister, unter anderem die grünen Amtsträger in Hannover, Lüneburg und Greifswald, haben sich auf die Forderung eingelassen. Der SPD-Politiker Tschentscher dagegen ließ erklären, er halte ein solches Vorgehen für nicht vertretbar. Er werde mit den Initiatoren keine Gespräche führen oder Vereinbarungen treffen. Ganz im Gegenteil: „Das Schreiben wurde unmittelbar nach Eingang an die Sicherheitsbehörden weitergeleitet“, teilte Senatssprecher Marcel Schweitzer mit.

Bitte um Verzeihung

Die Hamburger Staatsanwaltschaft wiederum leitete das ­Schreiben an die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe weiter. Die Drohung könne ein Verstoß gegen Paragraf 105 und 106 des Strafgesetzbuches sein, wo es um Nötigung von Verfassungsorganen oder deren Mitgliedern gehe. „Da gibt es eine ausschließliche Zuständigkeit des Generalbundesanwalts“, sagt Liddy Oechtering, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

In einem Schreiben vom 20. März bat die Letzte Generation um Verzeihung: „Wir haben diese Formulierung aus zukünftigen Briefen gestrichen.“ Ihr Protest sei mitnichten gegen die freiheitliche, demokratische Ordnung gerichtet. „Im Gegenteil, wir sind davon überzeugt, dass es Demokratie braucht, um wirklich sozial gerecht auf die Klimakrise zu reagieren“, schreibt die Gruppe.

An Tschentschers Haltung scheint dies jedoch nichts zu ändern. Die Senatspressestelle verwies am Mittwoch auf seine frühere Erklärung. Vertreter der Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen haben sich jedoch mit Aktivisten der Letzten Generation zusammengesetzt. Man habe vertraulich miteinander gesprochen und sich über klimapolitische Ziele ausgetauscht, teilten die Fraktionen mit. „Sowohl das bisherige Agieren der Letzten Generation wie auch eine ernsthafte Betrachtung der Vorstellungen über die künftige Klimapolitik waren Gegenstand des Dialogs.“ Es werde voraussichtlich ein Folgegespräch geben.

In der Zwischenzeit hatte die Letzte Generation zwar ihre Ankündigung, für eine maximale Störung des öffentlichen Raums zu sorgen, nicht wahr gemacht. Sie setzte aber Aktionen in Hamburg fort: Am Sonntag versuchten zwei Aktivistinnen in der Kunsthalle das Sicherheitsglas des Gemäldes „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich mit einem abgewandelten Bild zu überkleben. Es zeigte den Wanderer vor einem apokalyptischen statt nebligen Hintergrund.

Nachdem sie vom Wachpersonal daran gehindert wurden, legten die beiden Frauen ihre Version des Bildes auf den Boden und bestreuten sie mit Asche aus der Sächsischen Schweiz. Dort gab es im 2022 schwere Waldbrände, die aus Sicht der Gruppe ein Fanal für die drohende Klimakatastrophe waren.

Der Direktor der Kunsthalle, Alexander Klar, reagierte entspannt auf den Vorfall. Dem NDR sagte er, dass er in der Sache mit den Klimaaktivistinnen sympathisiere – und das nicht nur, weil sein Haus schon einiges in Sachen Klimaschutz tue. Es habe noch kein Kunstwerk Schaden genommen. „Im Endeffekt ist diese Aktion großes Marketing für eine Sache, die uns alle angeht“, sagte Klar. Wenn man als Museum relevant sein wolle, müsse man mit solchen Aktionen leben. Und damit, dass man Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung sei.

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