„Kinderfrei“-Lehrerin bekommt Ärger: „Wir müssen weniger werden“

Eine bayerische Lehrerin plädiert für ein kinderfreies Leben. Nun beschweren sich Eltern. Das Schulministerium prüft ihren Fall.

Verena Brunschweiger, deutsche Schriftstellerin

Verena Brunschweiger hat mit ihrem Buch „Kinderfrei statt kinderlos“ eine Debatte ausgelöst Foto: Juliane Zietzlsperger/Büchner-Verlag/dpa

MÜNCHEN taz | „Save the earth – Don't give birth“. Einen solchen Aufkleber hatte Verena Brunschweiger mal an ihrem Schrank im Lehrerzimmer angebracht. Rettet die Erde – gebärt nicht. Der Aufkleber war bald weggerissen. Mit ihren bevölkerungspolitischen Ansichten sorgt die Regensburger Pädagogin derzeit nicht nur im Lehrerzimmer für Furor. „Kinderfrei statt kinderlos: Ein Manifest“, heißt ihr Buch. Brunschweigers These: Kinder schaden der Umwelt, mit jedem Kind steigen die CO2-Emissionen, und zwar um 58,6 Tonnen. Deshalb sollte man lieber auf Nachwuchs verzichten und „kinderfrei“ leben. An ihrer Schule findet man das nicht lustig.

Der Elternbeirat des Albrecht-Altdorfer-Gymnasiums in Regensburg, an dem die Lehrerin Deutsch, Englisch und Ethik unterrichtet, sieht das Vertrauensverhältnis als „dauerhaft beschädigt“ an und hat einen Brief an die Schulleitung und das bayerische Kultusministerium geschrieben. Die Eltern verlangen „Konsequenzen“. Die AfD im bayerischen Landtag ist auf das Thema aufgesprungen und hält es für „schwierig“, dass sie weiterhin Kinder unterrichtet. Im Internet wird die Lehrerin als „verwirrte, kinderfeindliche Aktivistin“ bezeichnet, von ihrer „verrückten These“ ist die Rede.

Von ihrem „Unbehagen an unserer pronatalistischen Kultur“ spricht sie gegenüber der taz. Es geht ihr um die geburtenfreundliche Ausrichtung der Gesellschaft. Mit ihrer sonoren Altstimme und bayerischem Akzent verweist sie auf die rechtsnationalistischen Regierungen in Polen, Ungarn und Italien, wo vier, fünf oder sechs Kinder pro Frau als Ziel ausgeben würden. Doch auch in Deutschland griffen „pronatalistische Dogmen“ um sich.

Brunschweiger ist 38 Jahre alt, promoviert in Mediävistik, verheiratet. Sie bezeichnet sich als „radikale Feministin“. Sie spricht präzise und knapp. Weder habe sie zum Kindermord noch zu Abtreibungen aufgerufen, auch sieht sie sich nicht als Kinderfeindin. Sondern sie sagt: „Wir müssen unbedingt weniger werden.“

In anderen Ländern werden solche Debatten geführt

Dass ihre Gegner solche Differenzierungen nicht sehen können oder wollen, versteht sie nicht. „Mit meinen Klassen läuft es immer super“, sagt sie über ihren Beruf. Sie denke aber auch: „Die Armen, was die noch vor sich haben.“ Ohne eine geringere Bevölkerung prophezeit sie für Europa im Jahr 2040 „soziale Unruhen und Ressourcenkrieg“.

Die Behauptung, ihr Buch aus Lust an der Provokation geschrieben zu haben, weist sie zurück. Ebenso, dass es eine Art von intellektueller Fingerübung sei: Eine steile These wird in den Raum gestellt und möglichst geistreich begründet. Brunschweiger meint, dass in England und in den USA antinatalistisches Denken einen Platz in der Debatte habe, in Deutschland aber nahezu unbekannt sei.

Sie beruft sich auf den südafrikanischen Philosophie-Professor David Benatar, den sie als „strengen Antinatalisten“ bezeichnet – im Gegensatz zu sich selbst. Benatar sagt, dass es prinzipiell besser ist, nicht zu leben anstatt zu leben. Denn im Leben überwiege das Leid gegenüber dem Glück.

„Sie unterrichtet gern“

„Acht Jahre lang habe ich mich selbst in die Mangel genommen“, erzählt Verena Brunschweiger über ihre eigene Kinder-Frage. Sie sei von Leuten „übergriffig im Treppenhaus“ angesprochen worden, wann es denn bei ihr so weit sei. Das Klima-Argument sei für sie entscheidend gewesen, kein Kind zu bekommen.

Claudia Blank, Rektorin des Albrecht-Altdorfer-Gymnasiums, hält den Elternprotest für „nachvollziehbar“. Zugleich schreibt sie in einer Stellungnahme, die Lehrerin habe glaubwürdig versichert, „dass sie ihre Schülerinnen und Schüler mag und sie gerne unterrichtet“.

Der Fall liegt jetzt beim Kultusministerium. Dieses betont, dass die Staatsregierung „die Familien dazu ermutigt, Kinder zu bekommen“. Die Meinungsfreiheit der Buchautorin werde respektiert, gleichwohl gebe es nun eine „sorgfältige Prüfung des gesamten Sachverhalts“.

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