Fahrräder auf Parkplätzen: Mehr Stress wagen
Dass Fahrradfahrer animiert werden, ihre Räder auf Parkplätzen abzustellen, wird zu Konflikten führen. Genau diese braucht es für die Verkehrswende.
D as wird Stress geben: Mit der vom Senat beschlossenen Änderung der Parkgebührenordnung, die Fahrräder, Motorräder oder E-Roller explizit von der Gebührenpflicht in Zonen der Parkraumbewirtschaftung ausnimmt, werden deren Nutzer:innen animiert, Autoparkplätze zu nutzen. Dass das Abstellen der Räder dort schon immer möglich war – wenn auch zumindest theoretisch gebührenpflichtig –, dürfte den meisten unbekannt gewesen sein. Ab dem neuen Jahr sind Parkplätze damit erstmals nicht allein für Autos reserviert.
Und vermutlich werden viele von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen. Auf Twitter zirkulieren bereits Aufforderungen, alte Schrottfahrräder zu sammeln, um diese auf Parkplätzen abzustellen. Für alle Kämpfer:innen gegen den motorisierten Individualverkehr heißt das: Sie können nun ihr Engagement ganz neu ausgestalten. Andere Motivationen kommen hinzu: So könnte es für Restaurantbetreiber:innen, deren Tische auf den Gehwegen hinter riesigen SUVs verschwinden, eine Option sein, die Aufenthaltsqualität durch ein, zwei abgestellte Fahrräder vor ihren Läden zu verbessern.
Genauso ist absehbar, dass sich viele Autofahrer:innen auf Parkplatzsuche das nicht einfach gefallen lassen. Sie werden schreien und zetern, aussteigen und Fahrräder umsetzen. Die Einsicht, dass öffentlicher (Park-)Raum nicht ihnen allein zusteht, wird sich nach all den Jahrzehnten der Gewohnheit sicher nicht von allein einstellen.
Es liegt also nahe zu sagen, der Senat schaffe neue Probleme im Straßenraum, ohne Lösungen anzubieten. Das jedoch ist einseitig, denn das Ziel der Maßnahme ist ja ein anderes: Gehwege von dort abgestellten Fahrrädern und Motorrädern zu befreien, die dort erstens nichts zu suchen haben und zweitens für viele ein Hindernis darstellen, man denke nur an Geh- und Sehbehinderte. Dafür ist die neue Möglichkeit tatsächlich eine Lösung.
Der Zwist, der daraus erwachsen dürfte, ist aber durchaus zu begrüßen. Eine Gesellschaft am Rand des Klimakollaps, eine Stadt, die unfähig ist, die Vorherrschaft der Autos zu brechen, braucht den Stress. Eine lebenswerte Zukunft, klimaneutral, ohne Luftverschmutzung und sicher für alle, die nicht in Straßenpanzern sitzen, ist nur ohne Autos denkbar. Jede Maßnahme, die dazu führt, das Autofahren unattraktiver zu machen, ist daher zu begrüßen. Die Revolution im Straßenverkehr ist nicht konfliktfrei zu haben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens