Cis und trans Frauen: Diverse Interessenlage
Die Durchsetzung von trans Rechten sollte nicht zu Lasten von Frauenrechten gehen. Anstelle von geteilten Räumen müssen zusätzliche her.
V ertragt euch, „Bildet Banden, keine neuen Fronten!“, schrieb die taz vor einigen Tagen. Es ging um das Verhältnis von trans Frauen zu Frauen. Vor allem ältere wehrten sich mit Händen und Füßen dagegen, trans Frauen als Frauen zu akzeptieren. Doch ein Feminismus sei für alle da. „Sonst ist es kein Feminismus“. Das ist eine These, die Gewicht beansprucht. Wer will schon feministische Haltungen gefährden? Um Feminismus wird also gerungen.
Ich gehöre zur älteren Generation von Frauen und habe seine Entwicklung seit den späten 1970ern verfolgt, als die ersten „Notruftelefone“ für vergewaltigte Frauen und Frauenhäuser für geschlagene Frauen entstanden. Damals sprach man schlicht von „Frauenbewegung“. In linken K-Gruppen, bei der marxistischen Linken überhaupt, die damals noch was zu melden hatten, wurde diese Frauenfrage zunächst als „bürgerlich“ abgetan, als „Nebenwiderspruch“ neben dem „Hauptwiderspruch“ der Klassenfrage.
Bis dann die Frauenbewegung auch diese Gruppen erreichte und es hieß, das Private ist politisch. Es ist nicht egal, wenn ein Genosse seine Frau schlecht behandelt. Nun haben sich die Zeiten wieder gewandelt. Heute bin ich nur noch Frau der Unterkategorie „cis“. Diese drei Buchstaben stehen dafür, dass man sich mit seinem biologischen Geschlecht identifiziert. Und es ist wieder hoffähig, dass sogar linke Männer Frauen unterbrechen und ihre Definitionen von Feminismus erläutern und dabei möglichst noch perfekt den Glottisschlag nutzen.
Das ist die Pause vor dem „innen“, die zeigen soll, dass das Diverse, das „dritte“ Geschlecht mitgemeint ist. Aber ich gendere gar nicht, denn es ist ein Rückschritt, wenn Sprache komplizierter wird. Das ist Akrobatik für Sprechkünstler. In dem Banden-bilden-Aufruf heißt es: Frauen einer „nicht mehr ganz jungen Generation“ brächten ihre Diskriminierungserfahrungen ein, hätten darauf aber „kein Copyright“.
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
Sie wehrten sich dagegen, jene Personen als Frauen zu akzeptieren, die biologisch Männer sind, sich aber als Frauen identifizieren. Diese Frauen störten sich an deren Beanspruchung von „Umkleiden, Kneipen, Partys“, von Schutzräumen aber auch des politischen Raums „mitsamt seiner Quoten“ und des gesellschaftlichen Diskursraums. Dass sich „Minderheiten gegenseitig Räume und Ressourcen streitig“ machten, liege an „Raumknappheit“, so der Aufruf weiter.
Es sei nicht sinnvoll, jene auszuschließen, die noch weniger Raum haben. Das Ziel sei „genug für alle“. Am Ufer der Hamburger Alster ist zu sehen, dass sich Diskursraum nicht beliebig vermehren lässt. Nach einem Umbau ist das ehemalige Frauenklo nun Unisex-Toilette für alle – sogar für Männer, die „groß“ müssen. Denn im Herrenklo nebenan sind nur noch Urinale. Begründet wird dies mit dem Gerichtsurteil, diverse Personen nicht mehr zu diskriminieren, und mit Platzmangel.
Nur haben Frauen, die an der Alster joggen oder spazieren gehen, keine Toilette mehr als Rückzugsort, in der sie keinem Mann begegnen. Skandalisiert hat das ein Politiker der Linken, der eigentlich Unisex-Toiletten fordert und immer dachte, die kämen zusätzlich. Auch im Schulbau wird der Raum neu verteilt. In neuen mehrstöckigen Klassenhäusern gibt es künftig pro Etage nur noch einen Unisex-Waschraum mit mehreren Klo-Kabinen, wo Jungs und Mädchen im Zweifel gemeinsam vor dem Spiegel stehen.
In der Pubertät eine heftige Sache. Eine Schule entschied pragmatisch, ein Stockwerk für Jungs, eines für Unisex und unten eines für Mädchen einzurichten, was dazu führte, dass die Jungs jetzt zwei Klos haben und die Mädchen viel mehr Treppe laufen müssen, weil sie die gemeinsame Toilette meiden. Streit entzündet sich auch am Transsexuellengesetz. So hinterfragte Götz Aly in der Berliner Zeitung den Plan der Grünen, Personen den Wechsel des Geschlechtseintrags von heute auf morgen zu erlauben.
Könnte doch sein, dass sich Männer so Zutritt zu Frauensauna, Frauenquote und Frauenförderung verschaffen? In der taz hieß es in einem anderen Text wenig feinfühlig dazu: Wer als Mann in die Frauensauna wolle, könne das so oder so tun. Er könnte sich als Bademeister, Aufgussheini oder Holzbank verkleiden. Es lohnt sich zum Verständnis ein Blick auf die Sprache. Es verletzt das Schamgefühl, wenn „Frauen“ nur noch als „Menschen mit Gebärmutter“ betitelt werden.
Auch das Jonglieren mit dem Wort „Menstruation“ und der angedachte Tausch des Wortes „Muttermilch“ in „Elternmilch“ kratzt an der Würde. Dabei ist der biologische Unterschied nicht trivial, sondern strukturell von Bedeutung. Frauen haben zwar die besseren Schulabschlüsse, sie haben aber bis zur Menopause nur ein begrenztes Zeitfenster, um Kinder zu bekommen. Bei ihnen tickt die biologische Uhr, während sich Männer mit dem Kinderzeugen noch bis ins hohe Alter Zeit lassen können.
Dass Frauen diesen Zeitdruck haben, macht die Männer mächtig. Denn die Kinderphase kreuzt sich mit der Phase, in der im Arbeitsleben die Weichen für Karrieren gestellt werden. Trans Frauen sind hier in einer anderen Position als cis Frauen. Wenn sie Eltern werden, dann in der Erzeugerrolle. Außerdem sind sie als Männer sozialisiert. Wer zum Beispiel 60 Jahre als Mann gelebt hat, hat auch die Vorzüge des Patriarchats genossen.
Frauen haben ein Risiko, als arme Alleinerziehende zu leben. Wegen dieser strukturellen Benachteiligung brauchen wir Quoten, Wiedereinstiegsprogramme und Kita-Rechtsansprüche. Unterm Strich sind die Interessen nicht identisch. Die Beseitigung des Leids für eine Gruppe sollte nicht zu neuem Leid führen. Das heißt, eher zusätzliche abgeschlossene einzelne Unisex-Klos wie im Flugzeug bauen, als auf Schutzräume zu verzichten. Und nicht mit der Totschlagkeule kommen, jede kritische Anmerkung sei transphob.
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