Christine Lambrechts Videoproblem: Fatal für die Chefin des Militärs
Mit ihrem Geplapper zum Krieg in der Ukraine schießt die Verteidigungsministerin ein Eigentor. Kanzler Scholz wird sie kaum halten können.
S eit ihrem bizarren Silvestergruß vor Böllerkulisse wird so viel auf der Verteidigungsministerin herumgehackt, dass man Christine Lambrecht am liebsten in Schutz nehmen würde. Denn natürlich gibt es auch in diesem Shitstorm nicht nur berechtigte Kritik, sondern auch parteipolitische Interessen und die übliche Lust an Häme im Netz.
Man könnte also beschwichtigend erklären, es werde übertrieben. Lambrecht hat weder goldene Löffel geklaut noch bei einer Doktorarbeit geschummelt. Es war nur ein Video, ein offenbar unkontrolliert rausgehauener Instagram-Post, der Millionen anderen auch passieren könnte, die sich in den sozialen Medien zu spontanem Quatsch hinreißen lassen. Und, ja: Unter normalen Umständen wäre das verzeihlich.
Aber die Umstände sind nicht normal. „Mitten in Europa tobt ein Krieg“, wie Lambrecht im Video richtig feststellte – und dazu muss der zuständigen Ministerin bei einem öffentlichen Statement dann einfach mehr einfallen als „ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte – viele, viele Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen“. Lapidarer, egozentrischer geht es kaum.
Lambrecht ist eben nicht irgendeine von Millionen Privatpersonen. Zu ihrem Job gehört es, zu bedenken, dass ihre Auftritte überall gesehen werden können. Auch in der Ukraine. Angesichts der realen russischen Luftangriffe dort wirkt ihr fröhliches Geplapper, untermalt von Silvesterkrachern, in jeder Hinsicht deplatziert. Es scheint alle Vorurteile über die angeblich teilnahmslosen Deutschen zu bestätigen.
Das nicht gespürt zu haben, zeugt von mangelndem Urteilsvermögen – fatal für die Chefin des Militärs. Diesen Eindruck wird Lambrecht kaum noch korrigieren können. So hart es ist, manche Bilder bleiben hängen. Wie das von Armin Laschets Lachanfall bei den Flutopfern. Anders als Laschet wurde Lambrecht nicht ertappt. Sie hat das Eigentor selbst geschossen. Olaf Scholz wird sie nicht mehr lange halten können.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung