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Verteidigungsministerin in der KritikVideopanne war selbst gemacht

Als Ministerin macht Christine Lambrecht schon länger keine gute Figur. Nun neu dabei: verunglückte Neujahrsgrüße. Und dann ist da der Puma.

Hier ohne Panne unterwegs: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht auf dem Schützenpanzer Puma Foto: Björn Trotzki/imago

Berlin taz | Zu beneiden ist Arne Collatz am Montag nicht. Als Sprecher des Verteidigungsministeriums sitzt der Heeresoffizier am Vormittag auf dem Podium der Bundespressekonferenz. Eigentlich ein Routinetermin, zumal am ersten Arbeitstag nach Neujahr, an dem in der Hauptstadt für gewöhnlich noch nicht viel los ist. 2023 startet für Collatz aber nicht gemächlich: Seine Chefin konnte in der Silvesternacht nicht die Hände vom Handy lassen – und jetzt soll er hier das Resultat erklären.

War dieses Video angemessen? War es geplant? Hat irgendjemand im Ministerium vor der Veröffentlichung einen Blick darauf geworfen? Die Fragen der Jour­na­lis­t*in­nen sind dem Oberst sichtlich unangenehm. „Die Worte der Ministerin stehen für sich“, antwortet Collatz, der wohl selbst keine Erklärung hat, und fügt dann nur noch an: „Sie hat sich auf einem privaten Kanal dazu geäußert, hat ihre Worte dort gewählt und das Ganze auch ohne Zuhilfenahme dienstlicher Ressourcen produziert.“

Ja, das hat man gesehen. Das Video, um das es geht, hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Silvesterabend auf ihrem Instagram-Account veröffentlicht. Sie steht darin an einer Kreuzung in Berlin, um sie herum knallen Raketen und eine knappe Minute lang sagt sie bei schlechter Akustik deplatziert wirkende Neujahrsgrüße auf. „Mitten in Europa tobt ein Krieg“, sagt sie. „Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele, viele Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen.“

In der Beschreibung des Accounts steht tatsächlich: „Hier privat“. Aber auch wenn der arme Oberst Collatz das Detail am Montag dankbar aufgreift, um sich für nicht zuständig zu erklären, ist das natürlich Unsinn. Zum einen kann eine Ministerin im Internet kaum privat auftreten, zum anderen besteht das Profil beinahe ausschließlich aus beruflichen Inhalten.

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Entsprechend wenig geschont wird Lambrecht dann auch an anderer Stelle. Bild und Tagesspiegel fordern in Kommentaren den Rücktritt der ohnehin seit langem angeschlagenen Ministerin. Politiker von CDU und CSU schließen sich an. Die Höchststrafe: Sogar Armin Laschet, der über PR-Pannen aus eigener Erfahrung sprechen kann, nennt das Video eine „Peinlichkeit“. Rückendeckung aus der Koalition gibt es dagegen nicht. Eine Sprecherin des Bundeskanzlers will den Lambrecht-Auftritt „nicht bewerten“.

Wenn die ganze Sache für Lambrecht überhaupt etwas Positives hat, dann das: Von den Pannen beim Schützenpanzer Puma lenkt sie erst mal ab. Bei einer Bundeswehrübung im Dezember waren alle 18 der eingesetzten Panzer ausgefallen. Lambrecht stellte daraufhin die Beschaffung weiterer Pumas infrage und forderte einen Bericht über die Mängel an.

Der ist mittlerweile da. Das Ministerium schweigt aber über den Inhalt. Stattdessen streut die Rüstungsindustrie in der Presse eine für sie angenehme Sicht der Dinge und lässt damit indirekt die Ministerin als voreilig dastehen: Die Probleme seien gar nicht so gravierend – und zum Teil von den Sol­da­t*in­nen selbst verschuldet.

In der Bundespressekonferenz sagt Offizier Collatz am Montag, man wolle auf Grundlage des Berichts erst einen Plan dazu entwickeln, „wie der Puma langfristig auch unter Gefechtsbedingungen genutzt werden könnte“. Danach würden Bundestag und Öffentlichkeit informiert.

Eine Reihenfolge, die im Parlament auf wenig Begeisterung stößt. „Einen Plan zu haben, ist gut“, sagte Sara Nanni, Grünen-Obfrau im Verteidigungsausschuss, der taz. „Trotzdem würden wir gerne sehr bald wissen, was das Problem war – und nicht aus Truppe und Presse Versatzstücke zusammensuchen müssen.“

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14 Kommentare

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  • "Die Höchststrafe: Sogar Armin Laschet, der über PR-Pannen aus eigener Erfahrung sprechen kann, nennt das Video eine „Peinlichkeit“."



    Höchststrafe wohl nicht. Eher seltsam, dass sich Laschet dazu berufen fühlt, sich trotz eigener miserabler Performance zu Lambrechts Video zu äußern.

  • Na, hat die Rüstungsindustrie die kaputten Pumas erst auf Bestellung von Frau L. entworfen und gebaut?



    Sind die Vorgängerinnen einfach bloß unschuldig und unbeteiligt am Desaster.



    Eine gewiss, sonst hätte man sie nicht die EU-Treppe hinaufgetragen /gegen Wählerwillen). Jetzt haben die Parteien von der Christlichen Nächstenliebe endlich jemand, den sie beschimpfen können.

  • Kann es sein, dass die Dame schon länger auf der Abschussrampe sass, nur dass Scholz der Zünder oder die Munition fehlte ?

  • Frau Ministerin Lambrecht hat vielleicht das, was mit Langmut bezeichnet wird. Offensichtlich ist ihr auch etwas Teflon zueigen, wenn die Entrüstung sich verbal wieder Bahn bricht. Echauffierte Unionler:innen wiederum kommen bei der Bilanz in puncto Besetzung im Spitzenamt des BMVg nicht in die überlegene Position, das Ministerium hat wohl wenig Attraktivität, trotz Schlüsselrolle, seit Jahrzehnten ausweislich auch mit Skandalen. Vielleicht erinnert sich noch jemand an Georg Leber, der nach Zeitgenoss:innen auf der Hardthöhe wirklich 'die Kurve gekriegt' haben soll. Aus der taz zitiere ich die Worte Hans Apels: "Ich wurde auf die Hardthöhe abkommandiert. Dort bin ich in viereinhalb Jahren vom Kronprinzen zum Arschloch geworden", so seine Bilanz. In diesem Artikel (s.u.) steht auch folgendes Paradoxon: "Zu den seltsamen inneren Widersprüchen der Hardthöhe gehört, daß die Niederlage eines Ministers darin bestehen kann, seinen Sessel nicht zu räumen. Ein Rücktritt mag dagegen zum Triumphmarsch werden." Na dann...



    //



    Sehr empfehlenswert:



    taz.de/!1363757/

  • "Wenn die ganze Sache für Lambrecht überhaupt etwas Positives hat, dann das: Von den Pannen beim Schützenpanzer Puma lenkt sie erst mal ab."

    Das ist unlogisch und Quatsch.

    Lambrecht hat im Fall "Puma" unverzüglich gehandelt.

    Eine willkommene Ablenkung ist der "Fall Lambrecht" hingegen für die Union, deren korrupte KriegsministerInnen der Bundeswehr dieses Milliardengrab gegen alle Bedenken und Warnungen ans Bein gebunden haben,

    Deswegen kreischen und hyperventilieren die schwarzen Kleptokraten auch so wegen eines privaten Silvestervideos: um zu vertuschen, dass die Großprojekte der Bundeswehr anderthalb Jahrzehnte lang wenig mehr als eine Spendenwaschmaschine zur Selbstbereicherung der C-Parteien aus dem Vermögen der Öffentlichkeit waren.

  • Herr Scholz weiß schon, was er an seiner untauglichen Proporz-Ministerin hat: dann steht er nicht ganz so allein als halsstarriger Verhinderer größerer ukrainischer Verteidigungserfolge da.

  • Habe mir das verlinkte Video gerade angesehen: bisher 2.100 Aufrufe. - Bin ich also fast der einzige, der es aus eigener Anschauung kennt?!

    Es ist so authentisch "social media". Nicht der Rede wert.

  • 6G
    666757 (Profil gelöscht)

    „ einer Bundeswehrübung im Dezember waren alle 18 der eingesetzten Panzer ausgefallen.“

    Das immerhin ist doch ein großer Erfolg dieser Verteidigungsministerin. Wenn sie so weiter macht, darf sie bleiben, finde ich.

    100.000.000 € in die Bundeswehr zu pumpen war ehedem die mieseste Idee seit dem „Doppel-Wumms“– also der letzten Lachorgie …

  • "Stattdessen streut die Rüstungsindustrie in der Presse eine für sie angenehme Sicht der Dinge und lässt damit indirekt die Ministerin als voreilig dastehen: Die Probleme seien gar nicht so gravierend – und zum Teil von den Sol­da­t*in­nen selbst verschuldet."

    Mit derart prominenten LobbyistInnen im Bundestag gehen solche Behauptungen sicher auch leicht durch. Der Gelackmeierte: wie immer der Steuerzahler, dessen Milliarden ja immer mit vollen Händen in den Rachen der Rüstungsindustrie geworfen werden.

    • @Jalella:

      Bei der deutschen Rüstungsindustrie habe ich mittlerweile den Eindruck, die verkaufen Deutschland den Schrott, den andere Länder zurückschicken. Deutschland bekommt das Ganze dann natürlich besonders günstig zum vierfachen Preis! Die Großaktionäre müssen schließlich von der Dividende leben können!

  • Die Frau muss in einer Klasse mit Laschet und Kramp-Karrenbauer gewesen sein, so fettnapforientiert sie sich öffentlich bewegt.

    Ich kann mir -selbst an Silvester -gar keinen Zustand ausmalen, wo man als Ministerin so dermaßen wenig integer und stilsicher ins Blaue schießt. Vor Allem, wenn man eh schon in der kritik steht.

  • Ich habe das Gefühl, dass man sich ein wenig zu sehr auf unsere Verteidigungsministerin konzentriert.



    Ja, sie hat viele peinliche Auftritte und liefert bisher keine gute Performance als Ministerin ab. Jedoch muss man fairerweise sagen, dass dieses auf viele Minister unserer Regierung zutrifft wie z.B. auch auf Baerbock, Wissing oder Habeck, um nur ein paar Namen zu nennen.

  • Parteienproportz*Geschlechterproportz*Länderproportz = Lambrecht. Solange die Bw Steuergelder lediglich rechtskonform, aber ergebnislos, versenken musste, konnte man sich eine solche Besetzungsstrategie leisten. Da Frage, die sich Herr Scholz so langsam mal stellen sollte, ist, ob das mit seiner Zeitenwende vereinbar ist. Wir erinnern uns, Herr Scharping musste gehen, als er öffentlich seine Gräfin durch den Pool geschubst hat, während seine Soldaten in Afghanistan saßen. Man verdeutliche sich bitte, welche Gedankenwelt hinter den Aussagen in Frau Lambrechts Video steht. Die Dame ist mehr als Überfällig,

  • Welch ein Unterschied: Bei der grünen Kandidatin für das Familienministerium gab es nur den raschen Abschied in die Wüste und bei dieser Minsterin einer nicht mehr ganz zeitgemässen Partei mit wohl eher schwachen weiblicher Qualitäten lässt man eine SPD-Frau einsam hängen bis zum Gehtnichtmehr. Frau Lambrecht war schon als Justizministerin bei der Behandlung der Thomas Cook-Insolvenz trotz abgeschlossenem Jurastudiums nicht gut informiert und ihr fehlte letztlich auch beim ungewollten neuen Amt die nötige Einsatzbereitschaft. Dann lieber keine Frau als eine, die ihrer Aufgabe nicht gerecht wird. Kann es sein, dass die Abfindung bei einer Entlassung höher ist als bei einem freiwilligen Rückzug ?