Bundesregierung beschließt Gas-Umlage: Alle zahlen mehr
Ab Oktober gilt die Gas-Umlage. Sie soll Konzernen helfen, die sich zu stark von Russland abhängig gemacht haben. Was kommt auf Verbraucher:innen zu?
Diesen Winter dürfte es in vielen Wohnzimmern kälter werden als sonst. Mehr als die Hälfte der deutschen Haushalte heizt schließlich direkt oder indirekt mit Gas. Und zwar ist nicht zu erwarten, dass der fossile Brennstoff für sie nicht reicht, vor astronomischen Preisen bewahrt das aber niemanden.
Dass Gas noch teurer wird, steht fest. Ab Oktober greift für anderthalb Jahre die neue Umlage, mit der die Verbraucher:innen strauchelnde Energiekonzerne wie Deutschlands größten Gasimporteur Uniper retten sollen, die fast nur aus Russland bestellt hatten – und jetzt plötzlich am Weltmarkt für Ersatz sorgen müssen. Angekündigt hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Umlage schon vor einigen Wochen, am Donnerstag hat das Kabinett zugestimmt. Wem Geld nicht egal sein kann, wird sich anpassen müssen: weniger heizen oder woanders sparen.
Wie hoch die Abgabe nun wirklich ausfällt, ist allerdings immer noch nicht klar. Das Unternehmen Trading Hub Europe (THE), das Gasnetzbetreiber im vergangenen Jahr zur gemeinsamen Organisation der deutschen Gasversorgung gegründet hatten, sammelt erst noch Informationen über den Bedarf der Gaskonzerne. Der kann sehr unterschiedlich ausfallen. Nicht alle Importeure haben nur auf billige Verträge mit Russland spekuliert.
Ein Zehntel der Mehrkosten sollen die Konzerne dann selbst tragen. Der Rest wird auf die Kilowattstunde runtergerechnet – und landet auf allen Gasrechnungen. Den Betrag soll THE am 15. August bekannt geben. Es zahlt also nicht jede:r das, was beim eigenen Gaskonzern anfällt, sondern alle zahlen den Durchschnitt. So trifft es nicht einige extrem und andere kaum, sondern alle moderat.
Auch das könnte aber nach ersten Schätzungen schon auf hohe Summen hinauslaufen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde.
Was heißt das also im schlimmsten Fall? Zum Beispiel für eine Alleinlebende, die in einer 60-Quadratmeter-Wohnung mit Gasheizung wohnt. Hat sie gerade erst einen Gasvertrag abgeschlossen, dann zahlt sie zurzeit laut Vergleichsportal Verivox durchschnittliche 26 Cent pro Kilowattstunde – etwa eine Vervierfachung dessen, was vor der Gaskrise üblich war und was manche Bestandskund:innen immer noch zahlen. Auch die sollten sich jedoch auf einen deutlichen Preisanstieg einstellen, sobald ihre Verträge das zulassen.
Aber zurück zum Beispiel. In einem Mehrfamilienhaus liegt der durchschnittliche Gasverbrauch laut des Beratungsunternehmens Co2online bei 137 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Im Monat zahlt die Alleinlebende also bereits knapp 180 Euro für Gas. Kommen mit dem Beitrag zur Gaskonzern-Rettung jetzt noch 5 Cent pro Kilowattstunde obendrauf, fallen pro Monat schon 215 Euro an. Aufs Jahr gerechnet ist das ein Aufpreis von mehr als 400 Euro.
Nächstes Beispiel: Eine Wohngemeinschaft oder Familie lebt in einem mit Gas beheizten Haus auf 150 Quadratmetern. Bei freistehenden Häusern liegt der durchschnittliche Gasverbrauch üblicherweise höher, nämlich bei durchschnittlichen 152 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr. Was macht das also? Im Falle eines Neuvertrags kommt dieser Beispielhaushalt jetzt schon auf fast 500 Euro Monatskosten. Bei einer Umlage in Höhe von 5 Cent kommen noch mal knapp 95 Euro dazu, im Jahr macht das mehr als 1.100 Euro.
Ruf nach Entlastungen
Die Umlage wird also nicht den Großteil der Gasrechnung ausmachen. Sie wird aber Preise noch deutlich verschärfen, die für viele ohnehin schon ein großes Problem sind. „Mehrkosten in Höhe von mehreren hundert Euro für Gas stürzen ärmere Privathaushalte in den Ruin“, warnt Verena Bentele, Chefin des Sozialverbands VdK.
Auch die Verbraucherzentralen drängen auf Entlastungen – vor allem, weil das aktuelle Entlastungspaket der Bundesregierung Ende August ausläuft. „Wenn die Umlage zum 1. Oktober kommt, muss das Hilfspaket der Bundesregierung für die Verbraucherinnen und Verbraucher stehen“, sagt Ramona Pop, die früher für die Grünen Wirtschaftssenatorin in Berlin war und jetzt dem Verbraucherzentrale Bundesverband vorsteht.
Es gibt aber auch Stimmen, die die Umlage ganz ablehnen. Zu ihnen gehört der Ökonom Maurice Höfgen, der als Autor, Youtuber sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag arbeitet, wo er den finanzpolitischen Sprecher der Linksfraktion berät. „Das Anliegen, kritische Gas-Infrastruktur und die Unternehmen dahinter zu stützen, ist richtig“, findet Höfgen. „Das als Umlage auf die Gaskunden abzuwälzen ist aber ungerecht.“
Ihm wäre eine andere Lösung lieber: „Der Staat nimmt das Geld aus dem eigenen Haushalt, bezuschusst die Konzerne, und fertig“, sagt er. „Stattdessen entwertet die Umlage die bisherigen Entlastungen, die ja ohnehin schon das reinste Wirrwarr geworden sind.“ Das Geld, das zum Beispiel Arbeitnehmer:innen als Einmalzahlung auf ihren Lohn im September aufgeschlagen bekommen, werde bei vielen direkt in die neue Umlage fließen.
Gegen Höfgens Vorschlag spricht vor allem die Abneigung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) dagegen, den Staatshaushalt zu vergrößern und dafür die Schuldenbremse auch im kommenden Jahr auszusetzen. Im Prinzip dürften aber auch viele Ampelpolitiker:innen Höfgen zustimmen. Die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, mit der Stromkund:innen lange Investitionen in die Energiewende finanziert haben, hat die Regierung jedenfalls gerade abgeschafft. Der Grund: Eine staatliche Förderung gilt als gerechter.
Eine Umlage ist schließlich bei allen gleich hoch und fällt bei Menschen mit wenig Geld besonders ins Gewicht. Das ist auch bei der Gas-Uumlage so. Hinzu kommt, dass die sich auf weniger Menschen aufteilt. Strom beziehen schließlich alle Bürger:innen und Unternehmen, Gas nicht unbedingt. Ob und wie Fernwärmenutzer:innen, deren Heizenergie nur teilweise aus Gas kommt, in die Umlage einbezogen werden, ist zudem noch nicht klar.
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