SUV überfährt Passantinnen in Nürtingen: Tödliches Recht auf Tempo

Wieder sind Menschen durch ein SUV ums Leben gekommen. Technisch wäre es längst möglich, tödliche Unfälle wie diesen zu verhindern.

Ein PKW fährt mit hoher Geschwindigkeit auf einer Straße.

Ungebremst durch die Stadt: Raser gefährden sich und andere Foto: Stefan Zeitz/imago

Zwei junge Frauen werden brutal aus ihrem Leben gerissen. Man muss das genau so formulieren, nach einem Unfall wie diesem in Nürtingen in Baden-Württemberg. Ein SUV-Fahrer ist mit seinem übermotorisierten Kastenauto ungebremst rund 35 Meter über einen Bürgersteig gerast. Und es stellt sich wie immer nach solchen Unglücken die Frage der Trauernden: Warum?

In diesem Fall ist die Antwort einfach – brutal einfach. Weil es geht. Weil die Autoindustrie kantige Kisten mit extrahoher Front bauen darf, damit sich die Fah­re­r:in­nen darin noch sicherer fühlen. Auf Kosten der Passant:innen. Weil es für die Käu­fe­r:in­nen ein erhebendes Gefühl ist, in einem SUV über den Dingen zu schweben. Weil es die Werbung vermag, diese Sprit schluckenden Monster als egoaufpustendes Sportgefährt für die ganze Familie zu vermarkten. Weil die Käu­fe­r:in­nen genau deshalb Zehntausende Euro auf den Tisch legen. Vor allem aber, weil sie alle in diesem Wahnsinn niemand bremst.

Dabei wäre es technisch längst möglich, Au­to­fah­re­r:in­nen automatisch auszubremsen, die sich – gewollt oder ungewollt – nicht an ein Tempolimit halten. Die sogenannten Speed Limiter, die ab Juli endlich bei jedem neuen Fahrzeug Pflicht sein werden, könnten das locker erledigen. Sie könnten dafür sorgen, dass Autos von ganz allein innerorts nie schneller fahren als die erlaubten 50 km/h. Auch wenn der Fahrer (ja, da­s „in­nen“ kann man hier in den meisten Fällen weglassen), sei es nach einem epileptischen Anfall oder einem Anfall von tempoberauschter Egomanie, das Gaspedal gedrückt hält. Dumm nur, dass die Autoindustrie auf EU-Ebene so stark lobbyiert hat, dass die Speed Limiter einfach per Druck aufs Gaspedal umgangen werden können.

Eigentlich wäre das ein wunderbares Kampagnenthema für Ordnungsfanatiker von rechts. Weil hier massenhaft Regeln gebrochen werden. Weil überwiegend „unsere“ Frauen, Kinder und Alten getötet werden. Weil es eine einfache technische Lösung gäbe, um die notorischen Gesetzesbrecher zu stoppen. Aber so sieht man das halt nur, wenn man nicht immer hinterm Lenkrad sitzt.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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