Rechtliche Konsequenzen von Sylt-Video: Auch Ras­sis­t:in­nen geschützt

„Ausländer Raus“-Rufe allein sind nicht strafbar, es braucht weitere Begleitumstände. Arbeitsrechtliche Konsequenzen gibt es nur für Be­am­t:in­nen.

Eine Statue der Justitia hält eine Waage in der Hand.

Hat das Sylt-Video nicht gesehen: Eine Statue der Justitia hält eine Waage in der Hand Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

Die rassistischen Gesänge „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ im teuren Pony-Club auf Sylt können straf- und arbeitsrechtliche Folgen haben – aber vermutlich weniger als allgemein angenommen wird. Das Zeigen des Hitlergrußes ist grundsätzlich strafbar. Es gilt als Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation. Es droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, so das Strafgesetzbuch (§ 86a).

Nicht strafbar ist dagegen das Andeuten eines Hitler-Bärtchens. Das schmale Hitler-Bärtchen ist ein Kennzeichen von Adolf Hitler, aber nicht der NSDAP. Parolen wie „Ausländer raus“ gelten nicht per se als strafbar. Um eine strafbare Volksverhetzung anzunehmen, müssen weitere Begleitumstände hinzutreten, etwa die Verwendung von NS-Kennzeichen. Dies entschied schon 1984 der Bundesgerichtshof.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verurteilte 2001 einen Rechtsextremisten wegen Volksverhetzung, weil er in Guben in einer etwa 50-köpfigen Gruppe mitging, aus der heraus unter anderem „Ausländer raus“ gerufen wurde und er selbst eine Reichskriegsflagge trug. Die Gruppe, der auch junge Männer in Bomberjacken und mit Springerstiefeln angehörten, habe so bedrohlich gewirkt, dass mehrere Anwohner die Polizei riefen.

Vor dem Hintergrund von zuvor erfolgten rechtsextremen Gewalttätigkeiten gegen Ausländer in Guben und ganz Brandenburg sah das OLG hier gleich zwei Formen der Volksverhetzung erfüllt, zum einen die Aufstachelung zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, zum anderen die Aufforderung zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen diese.

Auslegungssache?

Das Bundesverfassungsgericht erinnerte 2010 daran, dass die bloße Forderung nach „Ausländerrückführung“ auf einem Plakat nicht zwingend strafbar ist, auch nicht mit dem Zusatz „für ein lebenswertes Augsburg“. Die bayerischen Gerichte hatten das Plakat so ausgelegt, dass eine Stadt mit Ausländern dabei als „nicht lebenswert“ dargestellt werde.

Das Verfassungsgericht hielt das Plakat aber für mehrdeutig. Denkbar sei auch, dass Ausländer zwar als Problem verstanden, „nicht aber notwendig als verächtlich hingestellt werden“. Das Verfassungsgericht hob die Verurteilung wegen Volksverhetzung auf, da sie die Meinungsfreiheit verletzte.

Eine arbeitsrechtliche Kündigung wegen Grölens von „Ausländer raus“-Parolen in der Freizeit ist nicht möglich. Das politische Verhalten in der Freizeit geht den Arbeitgeber nichts an, auch wenn er sich selbst als weltoffen und tolerant versteht. Erforderlich wäre eine nachhaltige Störung des Betriebsfriedens, wenn die Parole etwa auf einer Betriebsfeier in Anwesenheit von ausländischen Beschäftigten skandiert werde.

Strenger ist die Rechtslage im öffentlichen Dienst, besonders bei Beamt:innen. Diese müssen sich auch außerdienstlich mäßigen und zeigen, dass sie für die freiheitliche demokratische Grundordnung einstehen.

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