Strategien gegen rechts: Es kann wieder geschehen
Ob Flüchtlingspolitik oder Zustimmung zur AfD: Rechte erreichen viel. Dem Kapitalismus wohnt Menschenfeindlichkeit inne, es braucht Alternativen.
L etzte Woche hatte ich frei, und um es mit den Rock-Poet*innen der frühen 2000er, „Juli“, zu sagen: Ich hatte eine geile Zeit. Zurück aus dem Urlaub, merke ich aber, dass er nicht über die Beklemmung hinwegtäuschen kann, die mich einholt, wenn ich an den Zustand der Welt denke. Zugegeben, das hört sich groß an, und der Zustand war ja im Zeitalter des Kapitalismus nie gut. Doch was Rechte und Rechtsextremist*innen alles erreichen, bereitet mir Sorgen.
Die Liste ist lang. Der Westen schottet sich von Flüchtenden ab, vor allem von denen, die aufgrund der Klimakrise und prekärer Lebensverhältnisse fliehen. In der EU ist entsprechend das Recht auf Asyl menschenverachtend verwässert worden. Trans Menschen wird unter der verharmlosenden Bezeichnung „Kulturkampf“ ihre Existenz abgesprochen, Gewalt gegen Jüd*innen nimmt zu, die AfD genießt so viel Zustimmung wie nie, die Klimakrise wird nicht effektiv bekämpft, und, und, und.
Die Ampelkoalition hat dem offenbar kaum etwas entgegenzusetzen. Wenn aber auf die Politik im Kampf gegen rechts kein Verlass ist, sie selbst sogar rechte Entscheidungen trifft, müsste die Zivilgesellschaft ran. Die gesellschaftliche Mitte aber stemmt sich nicht so gegen Rechte und Nazis, wie sie es müsste, um sie zu schwächen. Teils ist sie nach rechts offen. Wir leben in Deutschland in Parallelwelten, in denen der öffentliche Diskurs teils von Leuten geprägt wird, die ihr Haus abbezahlt haben und scheinbar keine anderen Sorgen als eine Wärmepumpe haben und sich zu Opfern der Grünen und „Woken“ stilisieren, weil sie sonst keine Hobbys finden, während andere ihre Einkäufe, Miete und Strom nicht zahlen können.
Es ist verständlich, dass die Mitte ein Interesse an der Wahrung ihres Wohlstands hat, aber sie ist ziemlich unkreativ dabei, dafür zu sorgen, dass das nicht nationalistisch und armenfeindlich passiert. Es wird kaum intellektuell herausfordernd über Strategien gegen rechts diskutiert. Oft gibt es kein Bewusstsein dafür, dass dem Kapitalismus menschenfeindliche Ideologien innewohnen und die Politik gar kein Korrektiv dafür sein kann. Wer über Alternativen nachdenkt, wird schnell antiintellektuell mit der „Drohkulisse Linksextremismus“ konfrontiert. Dabei wäre eine Debatte um Alternativen hilfreich für das eigene politische Agieren.
Primo Levis Worte als Mahnung
„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen“, sagte der Auschwitzüberlebende Primo Levi in Bezug auf die Schoah. Hitler wurde in den 1930er Jahren an die Macht gehievt. Als ich aufgewachsen bin, wurden mir die Jahre davor als die „Goldenen 20er“ verkauft. Aber natürlich braute sich da schon zusammen, was in 1933 mündete.
Das hört sich für einige übertrieben an. Wenn wir aber der globalen und lokalen Rechten nichts Starkes entgegensetzen, ist mindestens eine Machtergreifung Rechtsextremer nicht unrealistisch. Levis Worte sollten uns eine Mahnung sein, nicht nur am Holocaustgedenktag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar