piwik no script img

Christian Schulz Foto: André Wunstorf

Wohnungslos trotz JobFeierabend in der Notunterkunft

Immer mehr Erwerbstätige in den Städten können sich kein eigenes Zuhause leisten. Gibt es in Deutschland eine neue Form der „Working Poor“?

U m 7.30 Uhr macht Christian Schulz das erste Mal Feierabend. Zwei Stunden hat er an diesem Montagmorgen im Licht der Neonröhren die Parkgarage eines Einkaufszentrums gesäubert. Mit Laubbläsern hat er Zigarettenstummel, Plastikverpackungen und alles, was die Menschen hier in einer Woche fallen ließen, zu einem Haufen zusammengepustet. Er hat den Dreck in einen Sack gefüllt und in die große Mülltonne geleert. Jetzt parken die ersten Autos auf den grau gemusterten Steinen. Draußen steigt die Sonne über die Plattenbauten, es wird ein schöner Augusttag.

„Heute war wenig Schmutz“, sagt Schulz. In der schwarzen Arbeitsjacke der Reinigungsfirma und Turnschuhen steht er vor dem Einkaufszentrum in Berlin-Hohenschönhausen. Ein drahtiger 31-Jähriger mit Dreitagebart und auffallend grünen Augen. Er sieht etwas müde aus. Früher fertig werden ist gut. Und gleichzeitig schlecht. Denn weniger Arbeitszeit bedeutet weniger Geld. Schulz verdient 16,50 Euro die Stunde, für einfache Tätigkeiten wie die auf dem Parkplatz bekommt er 14,45 Euro. Bei zwei Stunden Arbeit lohnt es sich kaum, dafür um vier Uhr morgens aufzustehen.

Schulz geht über die Straße zur Haltestelle der Tram. Seine zweite Schicht beginnt erst um 15 Uhr, dann muss er sieben Stunden lang Glasscheiben und Fußböden putzen. Für die Zeit dazwischen fährt er nach Hause.

Wobei das mit dem Zuhause so eine Sache ist. Schulz ist seit September 2019 wohnungslos. Übergangsweise lebt er in einer Einraumwohnung der Caritas. Er arbeitet Vollzeit als Glas- und Gebäudereiniger, er verdient nicht schlecht. Doch eine eigene Bleibe findet er nicht.

Trotz Arbeit keine Wohnung – in dieser Situation ist nicht nur Christian Schulz. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe erhebt jedes Jahr Zahlen zu Wohnungslosen in Deutschland. Den aktuellen Bericht hat der Verband an diesem Donnerstag veröffentlicht. Demnach hat sich der Anteil der erwerbstätigen Wohnungslosen in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdoppelt: 2009 hatten 6 Prozent der Wohnungslosen in Deutschland einen Job. 2019 waren es bereits 11,7 Prozent. Eine Entwicklung, die VertreterInnen der Wohnungslosenhilfe aus verschiedenen Regionen Deutschlands im Gespräch bestätigen.

Leistung muss sich lohnen, heißt es oft. Was aber, wenn das nicht stimmt, wenn man arbeitet und trotzdem kein gutes, eigenständiges Leben führen kann? Aus den USA kennt man Geschichten von Leuten, die mehrere Jobs haben und im Wohnwagen leben müssen. Gibt es inzwischen auch in Deutschland diese Form der „Working Poor“?

In der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs frühstückt Leon Kouamé an einem Mittwochmorgen im August. Er sitzt an einem Biertisch und pellt sich zum Brötchen ein Ei. Von der Hektik der Großstadt ist hier, auf der Terrasse der Unterkunft der Stadtmission, nichts zu spüren. Sie geht nach hinten, ins Grüne. Ein bisschen heile Welt im Leben von Menschen, bei denen wenig heil ist.

Kouamé ist ein kräftiger Mann in Poloshirt und Jeans. Eine Stunde hat er Zeit für das Gespräch, dann muss er los. Wie Schulz arbeitet auch Kouamé Vollzeit. Er ist Finanzberater bei einer Firma in Potsdam.

Ohne Wohnung fühlt man sich wie ein Untermensch. Als hätte man seinen Wert verloren

Leon Kouamé, Finanzberater

Kouamé kam mit 18 Jahren von der Elfenbeinküste zum Studium nach Deutschland, heute ist er 45. Er sei immer zurechtgekommen, erzählt er. Bis zum März dieses Jahres: Da verlor er seine Wohnung. Er hatte nur einen Untermietvertrag und war mehrere Monate auf Dienstreise in Westafrika. Er habe regelmäßig seine Miete überwiesen, zuletzt 400 Euro für 35 Quadratmeter in Berlin-Wedding, sagt er. Der Brief, in dem stand, dass das Haus verkauft wurde, erreichte ihn nicht. Als er von der Dienstreise zurückkam, musste er sofort ausziehen, erzählt er. „Ich stand da. Es war kalt. Wo sollte ich so plötzlich wohnen?“

Sein damaliger Chef habe ihm die Wohnung vermittelt, ihm aber nichts von dem Verkauf des Hauses gesagt, erzählt Kouamé. Er war so sauer, dass er den Job kündigte.

Kleidung, wichtige Papiere und seinen Laptop behielt er bei sich, für den Rest seiner Sachen mietete er für 150 Euro im Monat einen Lagerraum an. Er schlief zunächst in Hostels und Hotels. Das war teuer. „Ich dachte: Wenn ich so weitermache, habe ich bald gar nichts mehr.“ Über das Internet fand er jemanden, der ein Zimmer zur Untermiete anbot, allerdings ohne Vertrag. „Der hat das Geld kassiert, das Zimmer aber an noch jemanden vermietet“, erzählt er. Kouamé hat drei erwachsene Töchter. Auch zu ihnen wollte er nicht, sagt er, sie hätten ihr eigenes Leben und wohnten nicht in Berlin.

„Ohne Wohnung fühlt man sich wie ein Untermensch. Als hätte man seinen Wert verloren“, sagt Kouamé. Es fiel ihm schwer, sich einzugestehen, dass er alleine nicht mehr weiterkommt. Schließlich gab er sich einen Ruck und wandte sich an die Stadtmission. So erzählt er es. Er habe zu sich selbst gesagt: „Ich bin Katholik, ich zahle immer Kirchensteuer. Dann ist es okay, wenn sie auch mal was für mich tun.“

Weil Hotels und Hostels bald zu teuer wurden, ging Leon Kouamé zur Stadtmission Foto: André Wunstorf

Kouamé schrieb Bewerbungen, er wollte schnell wieder arbeiten. Aber welche Adresse sollte er angeben? Er hatte ja keine. Schließlich richtete er ein Postfach ein. Seit April arbeitet er bei der Firma in Potsdam, die Projekte in Afrika mit Krediten finanziert.

Sowohl Christian Schulz als auch Leon Kouamé heißen in Wirklichkeit anders. Sie hätten auf dem Wohnungsmarkt noch schlechtere Chancen, wenn jeder sofort ihre Geschichte googeln könnte. Kouamé will auf keinen Fall erkennbar sein. Schulz muss über die Anonymisierung nachdenken. „Die Wohnungslosigkeit ist nichts, wofür ich mich schämen muss“, sagt er. Er will dazu stehen, wenn nicht mit dem Namen, dann mit Foto.

Für den Jahresbericht der BAG Wohnungslosenhilfe stellten 223 Einrichtungen Daten ihrer KlientInnen zur Verfügung. Sie gehören zu freien Trägern, staatliche Anlaufstellen werden nicht erfasst. Genauere Zahlen gibt es bislang nicht. Die Bundesregierung will eine offizielle Wohnungslosenstatistik erheben, startet damit jedoch erst im Januar 2022.

An den Zahlen der BAG Wohnungslosenhilfe kann man vieles ablesen. Etwa, dass heute mehr Menschen mit Migrationshintergrund unter den Wohnungslosen sind als früher. Seit 2014 haben EU-BürgerInnen aus Rumänien und Bulgarien das Recht, sich in Deutschland Arbeit zu suchen, das merkt man in den Einrichtungen. Seit 2015 kommen auch Flüchtlinge. Die Zahlen zeigen zudem, dass mehr Frauen und Familien wohnungslos sind.

Und eben, dass mehr als jeder zehnte Wohnungslose inzwischen einen Job hat. Im aktuellen Jahresbericht widmet der Verband Menschen wie Schulz und Kouamé ein eigenes Kapitel. Vor allem die Wohnungslosen, die im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt sind, seien mehr geworden. Der Bericht zeige „die alarmierende Realität in Deutschland“, sagt Werena Rosenke, die Geschäftsführerin der BAG Wohnungslosenhilfe, der taz. „Nicht einmal mehr eine Erwerbsarbeit im ersten Arbeitsmarkt kann einem Menschen das Recht auf Wohnen garantieren.“

Auch wenn die Zahlen nur einen Teil aller Einrichtungen erfassen, so zeigen sie doch eine Entwicklung auf, die für viele Städte zutrifft. Ein Sprecher des Katholischen Männerfürsorgevereins München berichtet, dass der Träger bereits seit den fünfziger Jahren eine Unterkunft anbietet für Menschen, die arbeiten, aber keine Wohnung haben. Weil die Nachfrage so gestiegen sei, hätten sie in diesem Frühjahr eine zweite Unterkunft für erwerbstätige Wohnungslose eingerichtet, mit mehr als 80 Apartments.

Dariusz Sasin vom Berliner Unionhilfswerk leitet seit 2008 ein Wohnheim für Wohnungslose in Berlin-Wedding. Er sagt: „Als ich anfing, lebten hier vor allem alleinstehende ältere Männer mit einer Neigung zum Alkohol. Von denen hatte keiner einen regulären Job.“ Nach und nach seien auch Paare und Familien bei ihm untergekommen, EU-AusländerInnen, die so lange hier arbeiteten, dass sie Anspruch auf Sozialleistungen hatten. Heute haben etwa ein Zehntel der rund 100 Menschen im Wohnheim einen Job, schätzt Sasin. „Viele arbeiten im Reinigungsgewerbe oder als Bauarbeiter.“

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Sasin erzählt von einer türkischstämmigen Alleinerziehenden, die beim Bäcker jobbt, wenn das Kind in der Schule ist. Von einem Mann mit Minijob in der Altenpflege. Sasin sagt: „Die meisten sind Hilfskräfte. Keiner von denen, die gerade hier wohnen, arbeitet voll.“ Das würde sich auch nicht lohnen: Je mehr sie verdienen, desto mehr müssen sie sich an den Wohnheimkosten beteiligen.

Dass es gerade in den Städten zu wenige Wohnungen für Menschen mit geringen Einkünften gibt, ist ein bekanntes Problem. Aber inzwischen finden nicht mal mehr die eine eigene Bleibe, die Vollzeit arbeiten. Mit dem verbreiteten Bild von Obdachlosen, die alkohol- oder drogenabhängig sind und ihr Leben nicht auf die Reihe kriegen, haben sie nichts gemein – außer dass auch ihnen eine Wohnung fehlt.

Leon Kouamé, der Finanzberater aus Berlin, hat Ökonomie studiert und Informatik. So erzählt er es. „Wenn man in dem Bereich arbeiten will, kann man arbeiten.“ Er habe das immer auch als seine Pflicht empfunden. „Man muss sich integrieren. Als Gast habe ich das akzeptiert.“

Französisch ist seine Muttersprache, er spricht zudem Deutsch und Englisch. Früher habe er für eine Versicherung in Süddeutschland gearbeitet, erzählt Kouamé. Heute, bei der Firma in Potsdam, verdiene er netto 1.400 Euro. Er arbeite auch samstags, weil er eh nicht wisse, was er am Wochenende ohne Wohnung machen soll. „Sonntags arbeite ich nicht, ich bin Christ.“

Während des Gesprächs auf der Terrasse der Stadtmission rührt Kouamé Brötchen und Ei kaum an, er erzählt die ganze Zeit. „Ich rede gerne. Das werde ich auch die nächsten neun Stunden tun“, sagt er und lacht. „Das ist mein Job.“

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Bevor er zum Bahnhof geht, muss er noch mal rauf in sein Zimmer, seinen Rucksack holen. Kouamés großer schwarzer Rollkoffer steht direkt vor seinem Bett. Das Laken ist verrutscht, man sieht den blauen abwaschbaren Gummiüberzug der Matratze. Seinen Laptop, die Klamotten und Papiere lässt er hier, Geld und Pass nimmt er immer mit.

Kouamé muss sich das Zimmer mit einem anderen Mann teilen. Kaum zwei Meter trennen sein Bett von dem seines Mitbewohners. Der ist gerade unterwegs. „Ein Junkie“, sagt Kouamé. Wenn er Drogen genommen habe, sei er nicht ansprechbar. Der Mann habe eine offene Wunde am Bein. „Und er riecht wie ein Teufel“, sagt Kouamé. Aber er könne sich schlecht beschweren, schließlich brauche er selbst Hilfe. Er eilt die Treppe hinunter, um nicht zu spät zur Arbeit zu kommen.

Christian Schulz muss sich die Wohnung der Caritas mit niemandem teilen. Sie liegt in Berlin-Hohenschönhausen, nur ein paar Tram-Stationen vom Einkaufszentrum entfernt, dessen Parkplatz er am Morgen gereinigt hat. Schulz steigt in den Fahrstuhl, im 7. Stock bewohnt er 29 Quadratmeter, ein Zimmer samt Küche und Bad. Die Caritas hat ihm ein Klappsofa, einen Ikea-Schrank und einen Tisch mit zwei Stühlen zur Verfügung gestellt. Er selbst hat Regale gekauft, einen Fernseher und Zimmerpflanzen. Die Wände sind kahl, bis auf ein knalliges Pop-Art-Bild mit Albert-Einstein-Motiv. Freunde haben es ihm geschenkt. „Das ist bunt, crazy, das passt zu mir“, sagt er.

In seiner alten, seiner eigenen Mietwohnung hatte er die Wände rot gestrichen, das darf er hier nicht. Für die Küche konnte er sich eine Tapete aussuchen, immerhin. Es sieht jetzt so aus, als bedeckten dort dunkle Steine die untere Hälfte der Wände.

Christian Schulz mag seinen Job: „Man sieht beim Reinigen den Unterschied“ Foto: André Wunstorf

Christian Schulz hat eine Ausbildung zum Glas- und Gebäudereiniger gemacht, später auch das Fachabitur an der Abendschule. Für seine Mutter, wie er sagt. „Ich wollte ihr beweisen, dass ich das kann. Sie ist Elektroingenieurin.“ Er hat auch einen Kletterschein. Als Industriekletterer seilte er sich von außen an Gebäuden ab, etwa am Potsdamer Platz, um die Fenster zu putzen. „Da hat man Ausblicke über Berlin, die bekommt keiner sonst zu Gesicht.“ Schon damals arbeitete er Vollzeit, verdiente gut, um die 2.000 Euro netto, erzählt er.

Im Winter konnte Schulz diesen Job allerdings nicht machen, für drei Monate wurde ihm jedes Jahr witterungsbedingt gekündigt. Er sparte nicht, jobbte oder verreiste in der Zeit. Und er häufte Mietschulden an, die er im Sommer wieder beglich. Schulz lebte im Plattenbau einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft im Osten Berlins, er zahlte zuletzt 435 Euro für 59 Quadratmeter, sagt er. Die Wohnungsbaugesellschaft drohte schon 2017 mit einer Räumung. Als Schulz der Job dauerhaft gekündigt wurde und er die Mietschulden nicht begleichen konnte, setzte sie die Räumung durch.

Er habe damals noch einen Minijob als Fensterputzer gehabt, von dem Geld habe er gerade so leben können, sagt Christian Schulz. Doch dann klappte etwas nicht beim Antrag auf Arbeitslosengeld. „Ich dachte, das Amt zahlt die Miete, das hat es aber nicht gemacht.“ Die Wohnungsbaugesellschaft habe ihm versprochen, sich mit dem Jobcenter in Verbindung zu setzen, aber auch das sei nicht passiert, erzählt er.

Am 6. September 2019 musste Schulz seine Wohnung verlassen. Er erinnert sich genau an diesen Tag. „Ich musste die Möbel, Fotos und alles zurücklassen. Ich hatte keinen Ort, wo ich das hätte hinbringen können.“ Er habe Kartons gepackt, die Wohnung gereinigt und sich dabei betrunken. Nur ein paar Klamotten, die Zeugnisse und seinen Gesellenbrief nahm er mit. Und zwei Plattenspieler, Schulz legt in seiner Freizeit als DJ auf. „Ich habe einen Brief geschrieben, dass ich mich irgendwann für die Aktion rächen werde.“ Den ließ er liegen, schloss ab und ging.

Man merkt im Gespräch, dass Schulz all das noch heute zu schaffen macht. Er habe seine Mutter um Hilfe gebeten, bei ihr ist er aufgewachsen. Aber die sei der Meinung gewesen, er müsse das alleine regeln. Seitdem hat er keinen Kontakt mehr zu ihr. „Ich finde ihre Haltung falsch. Ich hätte abrutschen können.“ Diese Angst begleitet ihn noch immer. Menschen, die Obdachlosenzeitungen verkauften, schaue er heute anders an als früher, sagt Schulz. „Vielleicht ist denen das Gleiche passiert wie mir.“

Als er im Herbst 2019 auf der Straße stand, nahmen ihn seine Freunde auf. Über ein Jahr schlief er mal hier, mal da auf der Couch. „Man weiß nicht, ob man erwünscht ist oder nicht, man hat keinen Rückzugsort“, sagt er. Ein Paar mit Kind, bei dem er oft übernachtete, hatte seinetwegen Streit, das wollte er nicht. Einen Job hatte er zu der Zeit längst wieder, er reinigte Fensterscheiben am Bundestag. Er suchte nach einem WG-Zimmer oder einer Wohnung, fand aber nichts. Es sei ihm schlecht gegangen, sagt er. „Ich war gebrochen.“

Seine Freunde stellten schließlich den Kontakt zur Caritas her. Im November 2020 konnte er die Wohnung im 7. Stock beziehen, 430 Euro zahlt er dafür. Ein Sozialarbeiter hilft ihm, seine Papiere in Ordnung zu bringen. Die Wohnung ist eine Übergangslösung. Von hier aus soll er eine eigene Bleibe finden.

Im Februar wurde Schulz wieder gekündigt, seine Firma bekam wegen Corona weniger Aufträge. Im April hatte er etwas Neues. Putzen macht ihm Spaß. Er sagt: „Man sieht beim Reinigen den Unterschied und oft den zufriedenen Kunden.“

Hört man Leon Kouamé und Christian Schulz zu, wird schnell klar, dass die Arbeit nicht ihr Problem ist. Jobs gibt es viele, sie können sie sich aussuchen. Auch verdienen sie nicht schlecht.

„Der Arbeitsmarkt hat sich aufgehellt. Das wurde auch durch Corona nicht grundlegend erschüttert“, sagt Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung am Telefon. Er forscht zu Einkommens- und Vermögensverteilung. Zwischen 2013 und 2019 stiegen die Bruttolöhne in Deutschland im Schnitt um etwa zehn Prozent. Davon profitierten auch Menschen mit niedrigen Löhnen. „Die Einführung des Mindestlohns hat die schlimmsten Auswüchse eingedämmt“, sagt Grabka. „Die Lohn­ungleichheit geht seit Jahren zurück.“ Minijobs seien weggefallen, der Niedriglohnsektor schrumpfe.

Demnach müsste es nicht mehr, sondern eher weniger „Working Poor“ in Deutschland geben. Nur: Was hilft es, wenn man leicht Jobs findet und auch die Löhne steigen, man für sein Geld aber keine Wohnung mieten kann? Die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird überlagert von den Problemen auf dem Wohnungsmarkt.

Wie schwerwiegend die sind, zeigt die kürzlich veröffentlichte Studie eines Forschungsteams um den Stadtsoziologen Andrej Holm von der Berliner Humboldt-Universität. Eigentlich sollten Haushalte nicht mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben müssen. Die WissenschaftlerInnen aber stellten fest: Jeder vierte Haushalt in deutschen Großstädten wendet mindestens 40 Prozent des Einkommens für Wohnkosten auf, 12 Prozent der Haushalte geben sogar mehr als die Hälfte für die Miete aus.

Die Wohnung der Caritas, ein Zuhause auf Zeit Foto: André Wunstorf

Als armutsgefährdet gilt in Deutschland, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Die Schwelle lag für Einzelpersonen im vergangenen Jahr bei 1.074 Euro. Will man jedoch abbilden, wie es den Menschen wirklich geht, müsste man die steigenden Wohnkosten mitberücksichtigen.

Vor allem kleine und günstige Wohnungen fehlen, ­schreiben die StadtsoziologInnen in ihrer Studie. „Am größten sind die Versorgungsdefizite in den Millionenstädten Berlin, Hamburg, München und Köln.“ Aber auch in kleineren Städten überschreite der Bedarf an bezahlbaren Wohnungen das Angebot deutlich.

Wer wie Schulz und Kouamé einmal die Wohnung verloren hat und keine deutlich höhere Miete zahlen kann, kommt schlicht nicht mehr rein in den Wohnungsmarkt. Immer mehr Menschen verzweifelten deshalb, sagt auch Kai-Gerrit Venske. Er ist bei der Caritas Berlin seit vielen Jahren Fachreferent für die Wohnungslosenhilfe. „Die Wohnungsnot und der Wohnraumverlust erreichen zunehmend auch die Mittelschicht.“ Sogar ein Arzt habe sich nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs schon an die Stelle gewandt, weil er kurzfristig keine neue Wohnung fand.

Eine Eigentumswohnung in städtischen Regionen kann man sich nur noch mit einer Erbschaft oder Schenkung kaufen. Mit normalen Löhnen geht das so gut wie gar nicht mehr

Markus Grabka, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Wohnungslosigkeit betrifft deutlich mehr Menschen als die, die am Ende in den Hilfseinrichtungen ankommen. Viele, die ihre Wohnung verlieren, versuchen, sich selbst zu helfen und werden deshalb nirgends erfasst. Sie schlafen bei FreundInnen und Familie. Manche ziehen in Kleingärten oder, wie man es aus den USA kennt, in einen Wohnwagen. Ein Job schützt nicht länger vor diesem Schicksal.

„Ein großes Gerechtigkeitsproblem“

Eine Wohnung mieten zu können, wird vielerorts zum Luxus. Gleichzeitig werden die, die eine Wohnung besitzen, reich, ohne viel zu tun. Sie müssen nur abwarten. Denn nicht nur die Mieten sind gestiegen, auch die Immobilienpreise haben sich in den letzten 20 Jahren vervielfacht. „Eine Eigentumswohnung in städtischen Regionen kann man sich nur noch mit einer Erbschaft oder Schenkung kaufen. Mit normalen Löhnen geht das so gut wie gar nicht mehr“, sagt Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die bittere Botschaft dahinter sei: Du kannst dich als arbeitender Mensch anstrengen wie du willst, du wirst nicht auf einen grünen Zweig kommen. „Da haben wir in der Gesellschaft ein großes Gerechtigkeitsproblem“, sagt Grabka.

Leon Kouamé darf bis Ende August in der Unterkunft der Stadtmission bleiben. Dann müsse er raus, andere Wohnungslose benötigten seinen Platz, sagt er. Was danach kommt, weiß er nicht. Er sucht im Internet nach Wohnungen, was für ihn noch schwerer ist als für andere. Einen deutschen Pass hat er nicht, seine Aufenthaltsgenehmigung gilt nur bis nächsten Sommer. Viele wollten an Schwarze nicht vermieten, so seine Erfahrung.

Auch Christian Schulz schaut täglich auf Immoscout nach Mietangeboten. Er schätzt, dass er 25 bis 30 E-Mails geschrieben hat. „Ich habe nie auch nur eine Antwort bekommen.“ In Berlin wird ein Teil der Wohnungen von städtischen Gesellschaften für Wohnungslose vorbehalten. Auf dieses sogenannte geschützte Marktsegment hofft er.

Man könnte meinen, dass Wohnungslose wütend werden, weil sie kaum eine Chance auf ein Zuhause bekommen. Doch davon spürt man in den Gesprächen nicht viel. Dariusz Sasin vom Wohnungslosenheim in Berlin-Wedding sagt, seine Klienten erlebten das als höhere Gewalt. „Viele haben sich damit abgefunden.“

Christian Schulz sieht in der Erfahrung der Wohnungslosigkeit sogar etwas Gutes. „Ich bin jetzt minimalistischer. Ich weiß, was ich wirklich brauche zum Leben“, sagt er. Sein Traum wäre es, mit einem Tiny House auf Rädern durch Deutschland zu fahren und immer da zu leben und arbeiten, wo es ihm gefällt.

Leon Kouamé sagt auf dem Weg zum Bahnhof, beim Überqueren der Straße: „Ich war fast ein Kind, als ich nach Deutschland kam. Gott hat mich beschützt.“ Dadurch habe er alles erreicht. „Mein Glaube gibt mir Zuversicht, dass ich wieder eine Wohnung finde, eine Adresse habe und Mensch sein kann.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

62 Kommentare

 / 
  • Ich glaube dass Bewerber auf eine Wohnung viel häufiger aussortiert werden weil sie ihr Einkommen nicht so nachweisen können wie es von den Vermietern gefordert wird, oder weil sie selbständig sind (evntuell schwankendes einkommen, keine Festanstellung...) und wegen eines zu niedrigen Schufa-scores! Bitte schreibt doch dazu noch nen Artikel! Beste Grüße

  • Ich kenne so eine Situation selbst. Das war in den beginnenden 1990´er Jahren. Als junger Kerl fand man sofort Arbeit, aber selbst in ländlichen Regionen war es schier unmöglich, eine Wohnung zu finden.



    Mit einigen Freunden, die auch in dieser Situation waren, übernachteten wir in Jugendherbergen und auch in kirchlichen Notunterkünften.



    Selbst in einem grossen, leerstehendem Haus "mieteten" wir uns für einige Wochen ein.

    Das war damals in Augsburg. Die Hausbesitzer, jemand aus Berlin, wollte nicht vermieten. Da ging es schon groß los mit Spekulationen und Preistreiberei.

    Unser Vorteil war, dass wir jung und ungebunden waren. Also Ortswechsel....kein Problem.

    Heute, 30 Jahre später wüsste ich nicht, was ich da tun würde, wenn ich meine Bleibe verlöre.

    Ich hoffe sehr, daß eine neue Bundesregierung dieses, immer grösser werdende Problem der Obdachlosigkeit in Angriff nimmt.

    Warum nicht so Containerunterkünfte erst mal so als Notlösung hinstellen ?



    Da haben die Menschen zumindest ein Dach über den Kopf, etwas Privatsphäre und können zur Ruhe kommen, ohne irgendwelche Zeitzwänge.

    Mit Mietpreisbremsen, Mietendeckeln und dergleichen, kommt man auch nicht zu mehr bezahlbarem Wohnraum.



    Es muss gebaut werden.

  • "Gibt es in Deutschland eine neue Form der „Working Poor“?"



    Natürlich gibt es das. Vor allem in Großstädten reicht der Mindestlohn nicht, aber wohnungslos bedeutet nicht obdachlos. Eine 1-Zimmerwohnung bei der Caritas ist besser als nichts.

    • @ralph meier:

      sie haben schon verstanden, dass das eine notunterkunft ist? und das keine selbstbestimmte wohnatmosphäre ist, für jmd der eigentlich voll arbeitet, steuern und soz. abgaben zahlt? aber es trifft sie ja nicht selbst, da kann man natürlich großzügig mit der knappheit anderer umgehen?

  • „Berlin hat es komplett versemmelt“ schreibt der Tagesspiegel zum sozialen Wohnungsbau und "Die Hauptstadt verzeichnet bundesweit den stärksten Rückgang an Sozialwohnungen." www.tagesspiegel.d...melt/24478758.html

    "In den vergangenen zwölf Jahren habe Berlin nur 12.880 Sozialwohnungen geschaffen, das nur halb so große Hamburg dagegen 28.500, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. „Sie haben es komplett versemmelt. Berlin müsste eigentlich doppelt so viel tun wie Hamburg“, sagte der Hanseat: „Die Berliner Politik hat versagt.“"

    Berlin erzeugt sich seine Wohnungswutbürger wohl selber um Zustimmung für die eigene erfolglose Wohnungspolitik - Enteignungen zu bekommen.

  • Naja, hier auf dem Land ist Bauland so gut wei gar nicht mehr zu bekommen. Liegt zum einen daran, dass Landwirte Geld für das nicht bewirtschaften bekommen. Zum anderen, dass die Behörden kaum noch Baugenehmigungen für die Außenbereicher mehr ausstellen.



    Und wenn man 2 Jahre auf eine Baugenehmigung wartet, wärendessen aber Grundsteuer zu zahlen hat, schafft das wenig interesse Wohnraum zu schaffen. Das Problem liegt in den Behörden und den Bundestag. Und das wird mit den Grünen eher schlimmer!

  • Gilt für Christian Schulz eigentlich nicht das Arbeitszeitgesetz? 11h ununterbrochene Ruhezeit mindestens? ArbZG §5 (1)?

    Geht ja nicht, wenn er von 5-7 Uhr arbeitet und dann nochmal von 15-22 Uhr.

    Aber okay, wir leben hier in Deutschland. Hier herrscht der Neoliberalismus. Dieser gestattet es ja, ziemlich "liberal" für den Arbeitgeber zu sein. Da darf man schonmal Gesetze ein bisschen außer Acht lassen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Klar gilt das ArbZG §5 (1), aber nur pro Arbeitsstelle. Die Arbeitsgeber dürfen m.E. nur von einander wissen, aber nicht wie viele Stunden gearbeitet wird.

  • Bekommen Geringverdiener kein Wohngeld mehr?

    • @Elena Levi:

      was nützt wohngeld, ohne den vorhandenen wohnraum?

    • @Elena Levi:

      Bei anderen Sozialleistungen wie Hartz4 ist das Wohngeld integriert.

    • @Elena Levi:

      Wohngeld gibt es nur, wenn man nachweisen kann, dass man seinen Lebensunterhalt komplett finanzieren kann. Dazu gehören die Einkommensnachweise der letzten 3 Monate.



      Bei entsprechendem Mietspiegel und schwankenden Einnahmen ist es kaum nachzuweisen, dass man das Wohngeld gar nicht erst bräuchte; Also kriegt man es auch nicht.



      (Kein Grammatikfehler, das ist die Rechtslage.)

      • @Sebastian16181:

        Ab einem Verdienst von ca. 900 Euro besteht z.B. in Berlin Anspruch auf Wohngeld. www.bz-berlin.de/r...eringverdienern-zu

        Schwankende Einnahmen, die nicht nachweisbar sind, nennen sich Schwarzgeld.

  • In Bezug auf "Christian Schulz" sollte noch erwähnt werden, dass die meisten Vermieter eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung verlangen, welche er aufgrund seiner Vorgeschichte nicht nachweisen kann. Bei einer Miete von gerade mal 435 Euro ständig in Rückstand zu geraten trotz Job ist allerdings auch eine Leistung. Mein Mitleid hält sich in Grenzen und da würde ich als Mutter auch denken, dass der Sohn lernen muss, sein Leben selbst auf die Reihe zu bekommen.



    Mehr Mitgefühl habe ich mit Migranten, die für ihre Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche oft wirklich nichts können.



    Trotzdem ist die Grundaussage des Artikels richtig, dass es auch für arbeitende Menschen immer schwieriger wird. Selbst Gutverdiener müssen oft erst mal als Zwischenlösung irgendeine Bruchbude beziehen, bis sie nach monatelanger Suche etwas Brauchbares finden. Wenn sowieso nur günstige Wohnungen infrage kommen und man dann noch irgendein Vermittlungshindernis wie die Männer im Artikel hat, kann es wirklich schwierig werden.

    • @Netti Netti:

      Erklärt sich dieser Mietrückstand nicht durch die Monate, in denen er kein Einkommen hat?

  • Danke Anke,



    doch ob es in Deutschland eine neue Form des "Working Poor" gibt, im Jahre 2021 noch als Frage zu formulieren erscheint mir, positv ausgedrückt, doch etwas seltsam zu sein.

    Die Agenda 2010 der ehemals Sozialen Patei Deutschlands hat dermassen die strukturelle Armut in D gefestigt und ansteigen lassen, stattdessen Politik für Superreiche und Investmentfirmen gemacht, das wir heute von circa 10 Prozent der Bevölkerung sprechen können, denen fast alles in D gehört und die ihre "Arbeitentenden Armen" für ihre Bereicherung arbeiten lassen.

    "Working poor/arbeitende Arme" ist auch nicht der richtige Ausdruck. Durch Hartz 4 ist eine Kaste von Arbeitssklaven in D entstanden. Und das ist politisch gewollt. Von CDU, SPD und FDP.

    Was wohl nach der Wahl von einer eventuellen Deutschlandkoalition an "Sozialen Wohltaten" zu erwarten ist?

  • Tja, das ist der Neoliberalismus, der führt zu amerikanischen Verhältnissen. Niemand hat sich im laufe der letzten 20-30 Jahre erfolgreich dagegen gewehrt, auch die TAZ nicht. Wo bleibt der Generalstreik?!

  • Ich wohne in einer Metrolregion im Westen Deutschlands. Bei uns stellt sich die Sitution wie folgt dar:

    Auf bezahlbare Wohnungen mit und ohne WBS bewerben sich eine Vielzahl (oft hunderte) Mieter. Genommen wird am Ende derjenige mit dem geringsten Ausfallrisiko. Das sind aber regelmäßig nicht diejenigen, die ein kleines/mittleres gesichertes Einkommen aufweisen, sondern diejenigen die auf Staatskosten leben. (Der Staat hat bei uns bekanntlich kein Solvenzproblem)

    Hierdurch ist die perverse Situation entstenden, dass Transferleistungsempfänger (ohne Eigenleistung) häufig in neuen, relativ großen und gut ausgestatteten Wohnungen leben, wohingegen Geringverdiener (wie das hoch gelobte Pflegepersonal) unter prekären Bedingungen hausen.

    Unter sozialer Gerechtigkeit verstehe ich etwas Anderes.

    • 9G
      97760 (Profil gelöscht)
      @Bonner123:

      Das mit " neu, relativ groß und gut ausgestattet, darf bezweifelt werden. Eine Person bekommt in der Großstadt ca. 35m2. Baujahr zwischen 1950- 1985 EUR meistens angeboten, "privatseits".

    • @Bonner123:

      Ich kann das als ehemalige HartzIV Empfängerin nicht bestätigen.

    • @Bonner123:

      Mögen Sie uns verraten, um welche Stadt es sich in Ihrem Fall handelt?

      Danke!

      • @CäptnTrips:

        Der Username ist ja eventuell ein Hinweis... Es gibt hier denke ich große Unterschiede zwischen den Regionen. In eher hochpreisigen Gegenden werden H4 Empfänger sicher nicht bevorzugt. In Gegenden wie bei uns aber wo es viel Leerstand und billige Mieten gibt allerdings schon. Hier würde ich als Vermieter auch einem H4 Empfänger mit Abtretungserklärung jederzeit den Vorzug vor einem Mindestlohnempfänger geben. Vom Amt kommt die Miete wenigstens immer pünktlich. In den hochpreisigen Gegenden wo Vermieter eine echte Wahl haben, schauen natürlich beide Gruppen gleichsam in die Röhre.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @CäptnTrips:

        Naja, da ist schon was dran. Wenn das Amt bezahlt, ist man als Vermieter auf der sicheren Seite. Und bis 50m2 als Single ist üppig.

        • @4813 (Profil gelöscht):

          Nein, Hartzler werden nicht bevorzugt.



          Eine Abtretungserklärung kann der Leistungsbezieher jederzeit widerrufen;



          und Leute, die man für Mietschulden, Beschädigungen etc. nicht verantwortlich machen kann, da kein pfändbares Einkommen vorhanden ist, sind bestimmt nicht gerne gesehen. Hier sollte man unbedingt Gesetze ändern.

  • In unserer Gegend sind bezahlbare Wohnungen nicht mehr zu bekommen - wir leben in einer eher ländlichen Region, gehören aber (trotz über 80km Entfernung zur Landeshauptstadt) zur sog. "Metropolregion München". Vor ein paar Jahren expandierte dann auch noch ein Unternehmen in einer nahegelegenen Stadt, mietete sämtliche Kleinwohnungen und Zimmer auf ("egal, was Sie verlangen, wir zahlen 20% mehr") und trieb so zusätzlich die Mieten in die Höhe. Inzwischen kommt der Umstand hinzu, dass in einem Nachbarort nun in ein paar Jahren eine S-Bahn kommen soll, was die Münchner nun in Scharen zu uns treibt, die Mieten hochschnellen und die Immo-Preise geradezu explodieren ! Und selbst teure Wohnungen sind inzwischen Mangelware, wenn man sucht, dann nur noch in weiter entfernten, strukturschwachen Gegenden - mit zum Teil sehr weiten Entfernungen zum Arbeitsplatz und damit verbundenen Kosten - also so oder so auf Dauer nicht mehr leistbar. Alternativen ? Arbeitslos und Hartz IV, und dann weitersehen, was kommt - das ist die Realität, wenn man sich zum Einen keine Wohnung, zum Anderen aber auch den Job nicht mehr leisten kann.

  • Momentan wird Afghanistan gehyped. All die vielen tausend Menschen brauchen Wohnraum. Es ist mir völlig unverständlich wenn die Wohnungslosigkeit, Altersarmut .... so massiv sind dass wir das einfach ausblenden & die Welt retten

  • Das unlösbare Problem der Urbanisierung.

    In Großstädten gibt es immer weniger Bauraum, gleichzeitig ziehen immer mehr Menschen in die Großstadt. Wo früher oft 4 Personen in einem Haushalt lebten, leben heute oft nur eine oder zwei Personen. Wohnraumverdichtung führt zu noch mehr Verkehrschaos und schadet dem Stadtklima.



    Wo an gar nicht genügend Wohnungen bauen kann, weil es keinen Platz hat und die Baupreise extrem hoch sind, kann man nicht weitere Hunderttausende Menschen unterbringen. Es gibt in ganz Europa nicht eine Großstadt, die nicht das gleiche Problem hat, selbst im viel gelobten Wien herrscht Wohnraumnot und die Mieten sind teuer.



    Letztlich führt kein Weg darum herum, dass man Arbeitsplätze und Wohnraum außerhalb der Ballungszentren baut, denn in den Städten ist schlichtweg der Platz nicht mehr da. Die Konsequenz sieht man a täglich, den Kampf um bezahlbaren Wohnraum. Und es ist doch kein Wunder, dass die mit den geringeren Einkommen den eher verlieren als die mit den mittleren und guten Einkommen.



    Bei den heutigen Grundstücks- und Baupreisen ist günstiges Mieten in Großstädten schlichtweg nicht mehr machbar.



    Und mit dem Mietpreisdeckel ist bestenfalls denen geholfen, die schon in Miete sind. Neuen Wohnraum zu günstigen Mietpreisen kann kein Mensch mehr bauen, da es sich schlichtweg nicht mehr rechnet.



    Und so kommt es, dass der kalte Kampf um die letzten Wohnungen losgeht.



    Dieses Problem wird nicht gelöst werden, außer wir führen den Kommunismus ein. Wer will das?

    • @Rudi Hamm:

      @Rudi Hamm

      Tja, das kommt davon, wenn man fragile Ressourcen wie "soziales Miteinander" dem freien Markt unterwirft.

      Bis der das regelt, ist das "große Durchsieben" schon abgeschlossen.

      Implizit. Per Definition.

      Und siehe da:



      Spätestens wenn die "doofen Hartzer" alle verdrängt sind, trifft es die Mittelschicht genauso hart.

      Und dann stellt sich das "Getrete nach Unten" als das heraus, was es ist:

      Ein törrichter Betrug an sich selbst. Und gegenüber allen anderen Menschen ist es ein verbitterter Zynismus.

      Glückwunsch.

    • @Rudi Hamm:

      Bei den Bodenpreisen geb ich Dir recht - dies betrifft auch den Agrarsektor. Die Bauern rechnen so, das sich zugekauftes Land nach 30 Jahren amortisiert haben muss.



      Aufgrund der massiven Bodenaufkäufe durch meist angloamerikanische Spekulanten hat sich der Preis aber vervielfacht, so das es sich nicht mehr lohnt - und seltsamerweise kann der Bauer die Lebensmittelpreise nicht mal eben verdoppeln, der Vermieter aber schon?

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Rudi Hamm:

      Auch der Kommunismus kann aus 1qm nicht zwei machen, die Lösung für Berlin ist alle Ministerien raus aus der Stadt, dann nach und nach die Unis auslagern. Dann werden absofort keine neuen Gewerbegebiete mehr ausgewiesen. Dann ist das alles innerhalb von 10 Jahren in den Griff zu bekommen.

  • sorry, aber was ne dämliche Frage....gibt es working poor in Deutschland?



    Zeitarbeit, befristete Verträge, Mindestlohndiskussionen....



    Nur wer sich die letzten 20 Jahren im schmerbäuchigen hochlohnniveau gesuhlt hat kann diese Frage ohne Zynismus stellen....

    • @Klaus Thoma:

      Man bedenke:



      Neid ist die höchste Form der Anerkennung.

  • Eine Korrektur zum allgemeinen Verständnis. Fensterputzer sind Hausmänner und -frauen, die ohne Fachkenntnisse Glas reinigen.

    Der Gebäudereiniger ist ein Ausbildungsberuf, der mit dem Erwerb des Gesellenbriefes der Handwerkskammer nachgewiesen wird. Die CDU/CSU hat höchstpersönlich dafür gesorgt, dass der neoliberalen Ästhetik mehr Raum gegeben wird und daher den Meisterzwang abgeschafft. Das sorgte für den Preisverfall ins nirgendwo und deshalb erfreut sich der "woke" Citoyen täglich an diesen Arbeitssklaven, die Reinigungsarbeiten für ihn erledigen, an alten weißen fleischfressenden Rentnern, die Flaschen sammeln und hat das beruhigende Gefühl etwas für seine Achtsamkeit und Nachhaltigkeit getan zu haben. Er stellt das rote Beete-Müsli mit Bambus-Mandarinenessigmarinade beiseite und schlürft seine Tasse Flachsblütentee. Nebenbei schüttelt er bei der Lektüre dieses Artikels in der taz den Kopf und empört sich, dass in Vollzeit arbeitende Menschen den Wohnraum für die nach ISO 9000ff geprüften echten jungen unweißen Bedürftigen wegnehmen.

    Soziales Elend gehört nun einmal zu einer reichen Gesellschaft unbedingt dazu, woher sonst sollen die Wohlhabenden die Begründung für ihren Reichtum nehmen außer durch ihre Überlegenheit als Besserverdienende? Aus ihrem Intelligenzquotienten und aus ihrer selbsternannten Sozialkompetenz etwa?

  • Kleine Verständnisfrage: der drahtige 31-Jährige mit Dreitagebart und auffallend grünen Augen steht um 4 Uhr früh auf, um Parkplätze müllfrei zu blasen? Gott, was bin ich froh, nicht in Berlin leben zu müssen. Mir gehen die Blasterroristen schon auf den Senkel, wenn sie ihrem unheilvollen Handwerk tagsüber nachgeben. Arbeitsbeschaffungsmassnahme für Stresstherapeuten?

    • @Stechpalme:

      Du liest einen solchen Artikel und alles was dir einfällt ist herablassend und arrogant zu sein? Anstatt dankbar zu sein, dass es Menschen gibt, die diese Art von Arbeit zu dieser frühen Stunde für wenig Geld machen...Du bist das perfekte Beispiel, um aufzuzeigen, wie sich unsere Gesellschaft verändert hat. Danke für deinen wertvollen Beitrag.

      • @Geht dich Nichts an:

        Früher hat man einen Besen benutzt statt 100 Dezibel.

  • Um in ner Stadt leben zu können braucht man entweder einen Wohnberechtigungsschein, "das Amt Zahlt" oder ein mindestens durchschnittliches Einkommen über 3000€ Brutto! Das ist Fakt!

    Zusätzlich kommt die Mehrbelastung jener die in den Städten Arbeiten… durch ständig steigende Transportkosten, sei es Bahn oder Spritpreise… Nein man kann nicht jeden Morgen 30-50km pendelweg auf unausgebauten Radwegen mit dem Rad zurücklegen!

    Eins von beidem MUSS sich ändern. Entweder die Mietpreise von normalen Wohnungen werden halbiert, oder der Individualverkehr MUSS unangetastet bleiben und die Öffis gefördert und zwar so, dass sich nicht die Konzerner die Kohle in A* schieben!

    Was Politik und Wirtschaft vergisst… wir sind Menschen und keine ausbeutbaren Sklaven! Über den Punkt sollten wir inzwischen wohl mehr als hinaus sein!

  • Es ist das drängenste Problem unserer Gesellschaft derzeit!



    Wie soll bei diesen Bedingungen langfristig der soziale Frieden gewährleistet werden? Lösungen sind aber mau oder am Problem vorbei. Mietpreisbremse geht am Markt vorbei und schafft keine einzige neue bezahlbare Wohnung, Klimapolitik kostet bedauerlicherweise bezahlbaren Wohnraum, Spekulationen etc tun Ihr übriges. Hartz4 etc. fördert die Annahme von schlecht bezahlten Jobs. Eine Teufelsspirale die wir alle sehen - aber Lösungen gibt es kaum.

    Realitäten die wir aber akzeptieren müssen:



    - Die Bevölkerung und die Anzahl der Haushalte wächst, ebenso der Lebensstandard bzgl. qm und Ausstattung der Wohnung



    - Es wird keinen signifikanten Anstieg von neuem Wohnraum geben, wenn wir nicht zubauen. Das ist in Metropolregionen nicht mehr machbar oder umweltpolitisch nicht erwünscht.



    - Arbeit gibt es in Ballungsgebieten mehr als in anderen Bereichen, schlichtweg weil es dort viele Menschen gibt.

    Wie wäre es also Menschen wieder dorthin zu bringen wo es noch bezahlbaren Wohnraum gibt aber (noch) keine neuen Arbeitsplätze?



    => Was wir nicht akzeptieren müssen ist, dass neue Jobs des Bundes, Landes, etc. immer in großen Städten entstehen. Warum kann eine untere Behörde nicht mal im ländlichen Bereich entstehen? Dann rettet man dort den örtlichen inhabergeführten Supermarkt der auch wieder Angestellte hat etc. Nachfrage schafft auch Angebot!



    Diese Idee kann man in hunderten Facetten weiter denken. Aber die ausufernde uind staatlich geschürte Urbanisierung ist ein wichtiger Teil von Working Poor sowie von extremer Wohnungsknappheit!

    • @Maximilian Maiser:

      Besser hätte ich die Situation nicht selbst beschreiben können. BINGOBINGO Herr Maiser! Und Ihre Replik auf Bernable ist auch unterschrieben.

    • @Maximilian Maiser:

      "Warum kann eine untere Behörde nicht mal im ländlichen Bereich entstehen?"



      Weil das Ergebnis wäre, dass fast alle Mitarbeiter*innen dieser Behörde pendeln werden, statt wie erhofft da hinzuziehen. Wenn das passieren soll braucht es nicht nur den örtlichen Supermarkt sondern auch alles andere was zum täglichen Leben nötig ist, Jobs für die Partner*innen, Schulen und Kitas für die Kinder, medizinische Versorgung und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung um einen Umzug attraktiv zu machen. Kurz, man müsste im ländlichen Bereich städtische Strukturen schaffen.



      Zudem sind Städte ökologisch gar nicht mal so schlecht, da sie mit kürzeren Wegen, weniger Wohnraum und Flächenversiegelung pro Kopf, mehr geteilter und damit effizienter genutzter Infrastruktur einhergehen.

      • @Ingo Bernable:

        Danke Ingo für das Feedback,



        die Realität sieht jedoch so aus:



        - Viele Mitarbeiter wohnen im Speckgürtel der Metropolregion oder in den Vororten und pendeln in die City. Spätestens ab dem ersten Kind gibt es den ganz gewaltigen Drang nach einem Flecken Grün am Haus. Kann dies im Kiez nicht realisiert werden, dann erfolgt die Wanderbewegung in die Vororte.



        - Die "ländlichen Räume" sind ja nicht unerschlossen, sondern lediglich die Örtlichkeiten nicht so nah beisammen gelegen wie in einer Stadt. Städtische Strukturen will da niemand schaffen. Nur die Pendelrichtung könnte sich ändern. Die cleveren Mitarbeiter werden gleich dorthin ziehen, so dass die Distanzen mit dem Fahrrad erledigt werden können.

        Schönes Beispiel ist aus Österreich das Unternehmen Sonnentor, welches bewusst im ländlichen Raum bleibt und dort für Arbeitsplätze sorgt, einen Pendelbus aus den umliegenden Ortschaften hat und die gesamte ländliche Region belebt, insbesondere auch weil Zulieferer etc. bewusst heimatnah gewählt werden. Gegenbeispiel Logocos. Diese haben bisher in Salzhemmendorf viele gute Arbeitsplätze geschaffen. Mit der Übernahme durch Loreal wurde die Verwaltung über Hannover nach Düsseldorf geholt und hat dort die urbanen Engpässe weiter verschärft. Muss das sein? Jedenfalls gab es in Salzhemmendorf niemand der Arbeit hatte und trotzdem wohnungslos war.

  • Und da wundern sich einige Spießer, wenn Leute keinen Bock mehr zum Arbeiten haben. Ja wozu auch? Ohne Arbeit im Obdachlosenheim, mit Arbeit auch. "Wer Arbeit sucht, der findet auch welche." Sicher. Nur eben keine hinreichend bezahlte. Das ist der feine Unterschied.

  • 16 Prozent der Menschen, die in Berlin leben, sind Empfänger sozialer Mindestsicherungsleistungen, wie beispielsweise Hartz IV.

    Wer in der Stadt Geld verdient, sei es auch nur der Mindestlohn, sollte bei der Vergabe günstiger Wohnungen immer gegenüber Sozialfällen bevorzugt werden. Man könnte sogar so weit gehen, soziale Mietzuschüsse in der Stadt für Menschen, die nicht erwerbstätig sind, zu streichen, damit sie in weniger begehrte Gebiete im ländlichen Raum abwandern.

    Wer in der Stadt über seine Verhältnisse lebt, raubt jedenfalls anderen, denen nur deshalb kein Leben in der Stadt möglich ist, diesen Komfort und die durchs Pendeln verlorene Lebenszeit. Das ist unsozial.

    • @VanessaH:

      ...und was ist wenn sich drei Leute bewerben, und alle nur einen befristeten Job haben?

      Dann bekommt keiner die Wohnung nach ihrem Modell?

    • @VanessaH:

      Unsozial sind Vorschläge die darauf abzielen die Wohnungsknappheit durch die Vertreibung der sozial Schwächsten zu lösen. Einen derart krassen Sozialdarwinismus vertritt nicht mal die FDP.



      "Wer in der Stadt über seine Verhältnisse lebt, raubt jedenfalls anderen, [...]"



      Die alten und widerlichen Vorurteile gegenüber den angeblichen 'Sozialschmarotzern' und 'Parasiten'. Derartigen Ideen nachzuhängen ist schon heftig, aber sich auch noch öffentlich dazu zu bekennen einfach nur krass.



      Durch ein nach unten treten wird sich aber an den Verhältnissen nicht das Geringste ändern, was es stattdessen braucht ist die Einsicht, dass Kapitalismus ohne soziale und ökonomische Disparitäten nicht zu haben ist. Armut und Arbeitslosigkeit sind also strukturell angelegt und kein Zeichen individuellen Versagens. Entsprechend ist als sozial-ethischer Mindeststandard auch für die davon Betroffenen zu fordern, dass ihnen ein angemessener Lebensstand und soziale Teilhabe ermöglicht wird, statt ihre ökonomische Abhängigkeit dazu zu missbrauchen sie an die Peripherie abzuschieben.

      • @Ingo Bernable:

        Grundsätzlich bin ich bei Ihnen aber der hier "Armut und Arbeitslosigkeit sind also strukturell angelegt und kein Zeichen individuellen Versagens.", stimmt einfach so pauschal nicht. Viele Menschen in der Armut und Arbeitslosigkeit sind dort unverschuldet und aus "strukturellen" Gründen. Daneben gibt es aber die Menschen, die mit ihrer desolaten Situation zufrieden oder auch unzufrieden sind, sich aber um nichts selbst kümmern oder einfach unfähig, weil undiszipliniert, dazu sind. Eben diejenigen, die das voruteilbehaftete Klischee der Harz-IV-ler leider erfüllen.

        • @Pia Mansfeld:

          Tja, und selbst an diesen Menschen stellt man dann Forderungen, anstatt ihnen einfach ein Angebot zu machen ...

        • @Pia Mansfeld:

          Wie viele sind das Ihrer Schätzung nach?

          • @Karl Kraus:

            Ist das für Sie wirklich so wichtig oder wollten Sie nur plump eine Falle stellen? Wenn es sie interessiert, dann recherchieren Sie mal selbst, Sie werden fündig.

  • Arbeiten gehen lohnt für Wohnungslose in Berlin nicht. Die Behörden verlangen hier bis zu 1050 Euro/Person/Bettplatz für die Unterbringung! Für ein Mehrbettzimmer werden über 5000 Euro/Monat kassiert. Anders als jede andere Kommune hat Berlin nämlich keine Gebührensatzung für die behördlich veranlasste Wohnungslosen- und Flüchtlingsunterbringung, die dem Gegenwert angemessene und sozial gestaffelte Gebühren regelt.



    Ein Skandal für Berlins linke Sozialsenatorin Breitenbach!



    Die Berliner Zustände sind rechtswidrig, siehe auch hier fluechtlingsrat-be...sind-rechtswidrig/

  • Ein trauriger Bericht. Dabei weiß ich aus meiner Nachbarschaft, dass einige Wohnungen leer stehen.



    Die Besitzer brauchen das Geld nicht.



    Warum sollen sie sich mit Mietern beschäftigen, die vielleicht Probleme machen.

    • @benwolf:

      Wer soll denn das glauben: Die Besitzer brauchen das Geld nicht und lassen Wohnungen leer stehen ...



      Könnte es sich um ganz platte Stimmungsmache handeln?

      • @Christian Lange:

        Nö. Von den 4 direkt benachbarten Hausbesitzern haben hier 2 jeweils im selbst bewohnten Zweifamilienhaus eine Wohnung, die bisher vermietet war, und jetzt leersteht. Die scheuen das Risiko, sich unangenehme Mieter bis hin zu Mietnomaden einzuhandeln und dann nicht loszuwerden, andererseits sind mit einer Neuvermietung zuviele Auflagen verbunden (Energiepass, Ladestation für E-Autos), so dass der (finanzielle) Aufwand den Erlös aus der Miete bei Weitem übersteigt.



        Ich hatte mir auch schon mal überlegt, die Einliegerwohnung im Souterrain zu vermieten, aber aus oben genannten Gründen: Nein.

      • @Christian Lange:

        Von diesem "Phänomen" kann wohl jeder erzählen, der in einer der gefragtesten Gegenden, von Kampen bis nach Konstanz, lebt.

        Die Rechnung der Leerstandsbesitzer stimmt ja auf den ersten Blick auch: Was soll man sich auch mit lästigen Mietern und einem einst gut gemeinten, heute jedoch übertriebenem und dadurch längst zu einem Vermietungshemmnis aufgestiegenen Mieterschutz herumärgern, wenn doch die durch Inflation des Geldwertes automatisch stattfindende jährliche Wertsteigerung der Immobile sowieso ein mehrfaches der potenziellen Miete einbringt?

        Allerdings stimmt die Rechnung nur auf den ersten Blick! Was nützt denn die theoretische, in absoluten Zahlen ausgedrückte Wertsteigerung? Nullkommagarnix, wenn sie nur inflationsbedingt stattfindet und z.B. ein neuer VW-Bus heute halt nicht mehr 10.000,-Mark sondern 100.000,-Mark (um im Vergleich zu bleiben) kostet?

        Und Instandhaltungsaufwand finanziert sich auch nicht aus einer nur auf dem Papier stattfindenden Wertsteigerung!

        DAS gilt's in die Köppe der Leerstandsbesitzer reinzubringen! - In einigen, leider immer noch viel zu wenigen Gegenden funzt das inzwischen via mit hohen Bussgeldern bewehrten Zweckentfremdungsverboten einigermaßen! Und solche Regelungen gilt's für einen jeden Lokalpolitiker landauf landab zu kopieren!

      • @Christian Lange:

        Weltweit stehen in Metropolen Wohnungen leer, weil sie reine Spekulationsobjekte sind. Mieter stören da nur.

      • @Christian Lange:

        Alternativ zum leer stehen lassen, wird ja auch gerne möbliert und zeitlich befristet vermietet.

        In Stuttgart habe ich sechs Monate in einem heruntergekommenen Haus aus den 60er Jahren gewohnt, je Eingang 8 Wohnungen, alle 30qm und mit Sperrmüll möbliert - pauschal 1600€ / Monat.

        Die Firma hat bezahlt, daher war es mir egal.

        Aber die Wohnungen standen dem Wohnungsmarkt auch nicht mehr zur Verfügung.

      • @Christian Lange:

        Nach Aussagen unseres Hauwarts stehen in unserem Carree in Berlin Lichtenberg auch 25 von 150 Wohnungen leer.

      • @Christian Lange:

        Ich habe Verwandte, die aus genau diesen Motiven ein Mietshaus leerstehen lassen. Dieses Phänomen gibt es insbesondere bei kleinen Mietshäusern und Eigentumswohnungen tatsächlich

    • @benwolf:

      Haben Sie mal die zuständigen Ämter und Abgeordneten auf den Leerstand hingewiesen? Manchmal tut sich dann doch etwas.

      • @LesMankov:

        Ich kenne einige leer stehende Wohnungen in Zwei- und Dreifamilienhäusern. Die älteren Vermieter haben Angst vor den Mietern und deren Rechten. Diese Vermieter wissen, dass sie diese nicht mehr los werden auch wenn diese die vereinbaren Spielregeln nicht einhalten!

        • @Fridolin:

          Es ärgert mich einerseits, daß es in so ziemlich jeder (teuren) Stadt dieses Problem gibt, aber andererseits kann man "die kleinen Vermieter" auch verstehen. Die haben halt nicht die Macht und die Horde Anwälte wie die großen Wohnungskonzerne und können sich nicht wehren gegen Leute, die sie bewußt ausnutzen. - Es ist halt leider inzwischen so: Wenn ein Mieter heute aufhört, seine Miete zu bezahlen, braucht's ab diesem Zeitpunkt noch bis zu zwei (mietfreien) Jahren und teuren Räumungsklagen, um ihn rauszukriegen. Von den oft zusätzlichen Verwüstungen des fremden Eigentums ganz zu schweigen!

          Aber, um nicht nur den Ist-Zustand anzuprangern, ein Lösungsvorschlag: Die Kommunen dazu bringen, Mietgarantien zu übernehmen oder, mMn noch besser: Die Kommunen gleich dazu bringen, ganze MFH auf größere Zeiträume (+10 Jahre?) anzumieten und selbst zu belegen.