Mieterbund-Präsident über Ampelpläne: „Sechs Jahre keine Mieterhöhungen“
Das Ampel-Sondierungspapier sei bei der Mietpolitik viel zu lasch, sagt Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund. Er fordert einen Mietenstopp.
taz: Herr Siebenkotten, im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP kommt der Schutz von Mieter:innen nur einmal vor: Die geltenden Regelungen sollen „evaluiert und verlängert werden“. Was haben Sie gedacht, als Sie das gelesen haben?
Lukas Siebenkotten: Dass sich offensichtlich die FDP durchgesetzt hat. Die geltenden Mieterschutzregelungen zu evaluieren, ist total überflüssig und unsinnig. Wir wissen doch, dass sie nicht ausreichen, um Mietsteigerungen zu begrenzen. Da muss man nichts mehr evaluieren. SPD und Grüne hatten sich in ihren Wahlprogrammen auch klar und deutlich für solche Begrenzungen ausgesprochen. Dass das im Sondierungspapier nun nicht vorkommt, ist ein Schlag ins Kontor der Mieter.
Also müssten Grüne und SPD nachverhandeln?
Ich kann nur darauf hoffen. Wir brauchen eine deutlich stärkere Begrenzung der Mieten als das jetzige Gesetz sie vorsieht. Die Mieten, die noch einigermaßen bezahlbar sind, müssen bezahlbar bleiben. Wir sind auch keine Illusionisten, die alles staatlich regulieren wollen. Aber wer Begrenzungen von Mieterhöhungen heute ausschließt, hat den Schuss nicht gehört.
ist seit 2019 Präsident des Deutschen Mieterbundes.
Was fänden Sie angemessen?
Wir fordern einen Mietenstopp. Wir wollen, dass es sechs Jahre lang überhaupt keine Mieterhöhungen gibt, damit in der Zwischenzeit genügend bezahlbarer Wohnraum entstehen kann und der Markt sich hoffentlich wieder etwas entspannt.
Aber die FDP findet Mietbegrenzungen schrecklich.
Die Grundhaltung der FDP ist: Möglichst den Staat aus dem Spiel lassen und auf den Markt vertrauen. Die Marktwirtschaft finde auch ich gut. Aber sie muss Korsettstangen bekommen, damit sie zum gewünschten Ergebnis führt. Wir haben gerade beim Bauen in den letzten zehn Jahren gesehen, dass reine Marktwirtschaft nichts nützt – zumindest nicht den Menschen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Beim Wohnraum für die oberen Zehntausend, da funktioniert der Markt 1a.
Aber das soll sich laut Sondierungspapier ändern. Das Ziel ist: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr – 100.000 davon öffentlich gefördert.
100.000 geförderte Wohnungen wären wirklich gut. Allerdings ist unklar, woher das Geld kommen soll. Wenn die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau in gleicher Höhe fortgeführt werden würde wie bisher, dann wäre das reine Rhetorik. Momentan gibt es 1,1 Millionen Sozialwohnungen. Mitte der 1980er Jahre in der alten Bundesrepublik, also noch vor der Wiedervereinigung, waren es noch 3,5 Millionen. Es wird viel weniger gebaut, als aus der Bindung fällt.
In den 1980er Jahren gab es auch noch die alte Gemeinnützigkeit, die wurde 1990 aber abgeschafft. Die Ampelparteien wollen nun eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen. Wohnungsbauunternehmen, die gemeinwohlorientiert arbeiten und Wohnraum für kleinere und mittlere Einkommen schaffen, würden steuerliche Vorteile bekommen.
Darüber freue ich mich, wir fordern das seit vielen Jahren. Da haben sich offensichtlich SPD und Grüne durchsetzen können. Die alte Wohngemeinützigkeit wurde unter Bundeskanzler Kohl auch nicht deswegen abgeschafft, weil sie so schlecht gewesen wäre. Das gemeinnützige Wohnungsunternehmen Neue Heimat, dem ganz viele Wohnungen gehörten, hatte nur eine ganze Menge wirtschaftlichen Unsinn betrieben und ging pleite – ein großer Skandal damals. Das wurde zum Anlass genommen, die Gemeinnützigkeit gleich ganz abzuschaffen.
Im Sondierungspapier steht, dass Klimaschutz beim Neubau gestärkt und eine energetische Sanierung im Bestand beschleunigt werden soll. Die Sanierung von Gebäuden ist ein wichtiges Feld, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Aber werden Mieten damit noch teurer?
Auch in dem Punkt ist das Sondierungspapier noch das Gegenteil einer Offenbarung. Es steht nicht drin, wie Mieterinnen und Mietern geholfen werden soll, die das finanziell nicht stemmen können. Energetische Sanierung ist vollkommen richtig, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Nur muss man dann auch dazu sagen: Wer soll das eigentlich bezahlen?
Was schlagen Sie vor?
Die derzeitige Systematik bei der Finanzierung sollte völlig umgekrempelt werden. Heute dürfen 8 Prozent der anfallenden Investitionskosten auf die Jahreskaltmiete aufgeschlagen werden. Dazu gibt es nun noch eine Kappungsgrenze: Wenn die Miete unter 7 Euro pro Quadratmeter liegt, dann darf man in 6 Jahren nur 2 Euro pro Quadratmeter erhöhen. Und wenn sie über 7 Euro lag, drei Euro pro Quadratmeter. Damit wurde in der auslaufenden Legislaturperiode übrigens auch erreicht, dass Mietervertreibung durch angekündigte Luxusmodernisierungen deutlich erschwert ist. Aber das System führt immer noch dazu, dass im Ergebnis der Mieter alles bezahlt.
Wie meinen Sie das?
Wenn ich 8 Prozent der Modernisierungskosten pro Jahr auf die Miete aufschlagen darf, dann hätte ich normalerweise nach zwölfeinhalb Jahren 100 Prozent bezahlt. Im Ergebnis bezahlt der Vermieter gar nichts, er schießt nur etwas vor, was er hinterher vom Mieter wieder zurückbekommt. Und wenn die Modernisierungskosten ausgeglichen sind, wird die Miete nicht wieder abgesenkt, sondern die bleibt so. Das ist ein vollkommen falsches System.
Wie ginge es anders?
Wir möchten ein System, das sich im Rahmen der sogenannten Warmmietenneutralität bewegt. Das heißt: Ich kann auf die Kaltmiete nur so viel draufschlagen, wie der Mieter auf der anderen Seite an Heizkosten einspart. Das geht natürlich nicht ohne massive staatliche Zuschüsse. Aber Klimaschutz ist ein Ziel der Gesamtgesellschaft, da kann der Staat ruhig unterstützen.
Leser*innenkommentare
Gastnutzer 42
"Aber das System führt immer noch dazu, dass im Ergebnis der Mieter alles bezahlt."
Sicher - das ist beim Bäcker und beim Frisör anders - da zahlt der Bäcker ein Teil vom Brötchen ...
Der Mieter wird immer alles zahlen. Wie auch beim Brötchen. Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen - der Mieter bezahlt, was er bereit ist zu zahlen.
Und will ich in einem Ballungsraum wohnen will, dann muss ich mehr zahlen - nicht etwa weil die Wohnung da schöner sind, sondern einfach nur weil da mehr Leute wohnen wollen, als Wohnungen zur Verfügung stehen.
Nehmen wir an ich zahle 1/3 meines Monatseinkommen für die Miete. Dann zahle ich 2/3 für andere Sachen? Wo sind die Aufreger, dass Aldi an mir verdient? Oder eben Tegut? Wieso darf das Fitnessstudio an mir verdienen? Wieso Amazon? Warum darf BP durch mich reich werden? Warum der Fairtrade Laden?
Wir tragen unser Geld in die Läden unserer Wahl - und jeder dieser Läden muss mindestens kostendeckend arbeiten. Warum sollte das bei Wohnungen anders sein? Sicher, ich habe ein Menschenrecht auf wohnen - aber da steht nicht, dass alle in Berlin wohnen dürfen ...
Schön, der Mietendeckel soll helfen bis die Wohnungen gebaut sind und gleichzeitig soll gebaut werden. Warum wird noch nicht gebaut? Warum auf den Deckel warten? Warum fallen Wohnungen aus der Preisbindung? Ein Mietendeckel wird keine einzige weitere Wohnung schaffen. Die, die eine gedeckelte Wohnung haben, werden sich freuen. Und der Markt baut weiter nur im nicht betroffenen Preissegment. Und die Unzufriedenheit bleibt. Wenn der Staat Mietepreise garantieren will, dann muss er zu diesem Preis Wohnungen anbieten. Und wenn er mehr Wohnungen anbietet als gebraucht werden, dann fallen auch die Preise bei den anderen ("Markt")Wohnungen.
aLuckyGuy
Sorry, aber das ist doch geradezu lächerlich... es gibt noch nicht mal eine Regierung, die Parteien sind immer noch am aushandeln ob und wie überhaupt und schon gibt es ein Geschrei über angebliche politische Änderungen dei im Grunde genommen noch gar nicht spruchreif sind.
Und ähm... ein Koalitionsvertrag ist kein Vertrag im eigentlichen Sinne sondern eher eine Art Absichtserklärung ohne jegliche rechtliche Bindung.
05989 (Profil gelöscht)
Gast
Noch ein anderes Thema: die Gemeinnützigkeit der Baugenossenschaften. Meiner Meinung nach hatte das wenig oder sogar nichts mit der neuen Heimat zu tun. Die Gemeinnützigkeit war ein Hinderungsgrund beim möglichen Verkauf der Bestände - denn die Baugenossen hätten von sich aus niemals die Gemeinnützigkeit aufgegeben - aber mit der Gemeinnützigkeit und den Satzungen - also Versorgung der Mitglieder mit Wohnraum zum Selbstkostenpreis - wäre der Verkauf entweder gar nicht möglich gewesen oder die Preise wären albern niedrig gewesen.
Ein weiterer Punkt dürfte sein, dass viele Baugenossenschaften mit den Heimatkommunen eng verbunden waren, weil der Grund in der Regel von der Kommune kam. Jeder Verkauf wäre eine Veräußerung von Gemeindegrund, der ja in der Regel zu den Bedingungen der Gemeinnützigkeit günstig abgegeben worden war.
München und Umlandgemeinden haben/hatten viele solcher Baugenossenschaften, deren individuelle Abhängigkeiten zum Teil recht unterschiedlich waren oder noch sind. Deswegen muss man da dennoch vorsichtig bewerten.
Aber mit der Aufhebung der Gemeinnützigkeit waren alle diese alten Vereinbarungen hinfällig. Und seitdem gerieren sich die Baugenossenschaften wie Unternehmen - und leisten sich haarsträubende Aktionen. Die Baugenossenschaft, in der meine Mutter bis zu ihrem Tod wohnte, hat etwa neu gebaut und alle Niedrigenergie-Häuser zur Heizung an die lokale Geothermiegesellschaft angeschlossen. An sich nicht schlecht... aber die Geothermie ist so teuer, so dass die wohlhabenden Bürger drumherum einen großen Bogen herum machen. Jetzt zahlen die Sozialfälle die Investitionen in die grüne Heiztechnologie ab, bis sie auch für die Wohlhabenden billig genug ist.
Wir sprechen da von Heizkosten von 600 Euro pro Jahr für ein 35-qm-Apartment. Im Münchner Heizspiegel wird das bereits als "zu hoch" gewertet... und war bisher fast doppelt so hoch, wie mit Heizöl oder Erdgas zu erwarten gewesen wäre.
Paul Rabe
"dass es sechs Jahre lang überhaupt keine Mieterhöhungen gibt, damit in der Zwischenzeit genügend bezahlbarer Wohnraum entstehen kann"
Das der Staat der schlechteste denkbare Bauherr ist, sollte man grade in Berlin nach dem Desaster mit dem BER hoffentlich verstanden haben. Also benötigt man private Bauherren.
Die stehen, als Investoren, vor der Frage wo in der Welt ihre Investition die beste Rendite abwirft: In der Schweiz ? In China ? In den USA ?
Diese Optionen sind im Zeitalter der Globalisierung alle nur einen "Klick" entfernt und werden aus dem "Homeoffice" des Investors gleichrangig und objektiv geprüft.
Wieso sollte da ein Investor ausgerechnet auf "Deutschland" klicken ?
Also doch der Staat ? Nein, das der es nicht kann wurde schon oft genug bewiesen...
Brobdignag
Das mit der Warmmietenneutralität ist eine lustige Idee, wenn ich mich so umhöre was eine klimagerechte Altbausanierung grob kostet.
Bis die Energiekostenersparnis das auch nur annähernd deckt, vergehen Jahrzehnte - würde man marktübliche Verzinsung des ausgegebenen Geldes zusätzlich annehmen, dürfte es wenige Gebäude geben die noch stehen, wenn der break even erreicht ist. Falls das überhaupt jemals passiert.
"Warmmietenneutralität" heißt also nichts anderes als "voll steuerfinanziert". Hm. Also sollen jetzt alle anderen bezahlen, dass Leute, die sich das eigentlich nicht leisten können, in Berlin wohnen möchten?
Warum?