George Clooney fordert Biden-Rücktritt: Ein Akt des Verrats

Nun fordern auch Hollywoodstars wie George Clooney, dass Joe Biden auf die Präsidentschaftskandidatur verzichtet. Ihre Sorge schwächt die Demokraten.

George Clooney und Joe Biden geben sich die Hand

„Aber den einen Kampf, den er nicht gewinnen kann, ist der gegen die Zeit“, schreibt George Clooney über Joe Biden Foto: Bonnie Cash/UPI/imago

Möglicherweise würde eine Diskussion lohnen, ob Menschen jenseits des 70. Lebensjahrs zu einer neuerlichen Führerscheinprüfung gehen sollten: Vielleicht steht es um ihre Reaktionssicherheit im Straßenverkehr nicht mehr gut? Auch wäre zu erwägen, ob alte Frauen und Männer gut beraten sind, hohe Berge wie den Mount Everest zu besteigen. Die Luft ist sehr dünn ganz oben.

Worü­ber aber keinesfalls gezankt werden sollte, ist die Frage, ob Jobs, die erst wirklich gut ausgefüllt werden können, wenn dem Können auch jede Menge Erfahrung zugrunde liegt, von Älteren ausgeübt werden dürfen. Insofern ist die Diskussion in der US-amerikanischen Öffentlichkeit, ob Präsident Joe Biden sich lieber zurückziehen und für eine jüngere Person verzichten sollte, um das Mindeste zu sagen, abenteuerlich und, gerade in puncto Joe Biden, ein Akt des Verrats.

Während einer TV-Debatte hatte Joe Biden, der beste US-Präsident seit Lyndon B. Johnson, im Vergleich mit seinem Kontrahenten Donald Trump nicht gut abgeschnitten. Sagten die Inter­pre­tin­nen* hernach. Biden habe wirr und langsam gesprochen und vermochte seinem Rivalen nie so recht in die Parade zu fahren. Daraufhin setzte ein Diskurs ein, ob Biden nicht zu alt sei. Nun haben Hollywoodstars wie George Clooney in einem Gastbeitrag für die New York Times oder Michael Douglas ihre Besorgnis ausgedrückt und dem Präsidenten einen Rückzug nahegelegt. Auch aus der Demokratischen Partei sind erste Stimmen zu hören, Kongressabgeordnete, ein Senator und auch die langjährige Kongressanführerin ihrer Partei, Nancy Pelosi, die allerdings inzwischen ihren Rat zur Demission wieder relativiert hat.

Nicht die gelegentlich motorische Verlangsamung des Joe Biden muss das Thema sein, seine Neigung, nach langen Reisen den Jetlag nicht mehr wegstecken zu können wie ein Freshman von 25 Jahren oder seine im Übrigen schon seit vielen Jahren bemerkte Tüdeligkeit beim Formulieren komplizierter Sätze im öffentlichen Raum und so weiter. Und so unwichtig! Ihm ist schließlich keine Demenz attestiert worden, selbst der Beginn einer Parkinson-Erkrankung wurde sofort dementiert, das war ohnehin nur ein Spin, vermutlich aus dem Team Trump.

Woher kommt diese Sehnsucht nach jungen Politikerinnen?

Feige ist die Sorge um Joe Biden, weil der Diskurs um die Zukunft der Gesundheit des Präsidenten das demokratische Team schwächt: Wer außer Biden sollte denn in der Lage sein, die Wahlen gegen die Republikaner zu gewinnen? Wer könnte eine solche Bilanz an Erfolgen vorweisen?

Die starke – wenn auch, was an seinen israelischen Gegenübern lag, erfolglose – Präsenz im Nahen Osten nach dem 7. Oktober; die Ermöglichung von Green Deals auch gegen einen republikanisch dominierten Kongress; die Moderationsfähigkeit über die Milieus der Demokratinnen* hinaus: Biden und seine Leute haben die USA in den vergangenen vier Jahren besser gemacht, auch ökonomisch. Er hat, alles in allem, die Demokraten davor bewahrt, eine mélenchonhafte Linkssekte zu werden, er hat die Flügel der Partei ins sprechfähige Einvernehmen gebracht.

Bis jetzt war ihm dies gutgeschrieben worden. Nun haben manche Angst, sie könnten mit ihm scheitern. So kurz vor den Präsidentschaftswahlen am 5. November ei­ne*n Kan­di­da­t*in auszutauschen, spielt dem arrivierten Rechtspopulisten Trump in die Hände. Erfahrungsgemäß sind die Demokraten prinzipiell verzankter miteinander, als es die Republikaner je sein wollten – eine Alternative zu Biden ist kaum zu haben.

Die Nervosität Clooneys, Douglas’ und demokratischer Mandatsträger mag real sein, aber: Besser macht es die gusseiserne Teamspielerin Barbra Streisand, glühende Demokratin, nie Zweiflerin an Ergebnissen, die noch nicht verkündet wurden. Neulich postete sie das einzige Angemessene: „Biden tritt jeden Tag auf, um für eine starke Wirtschaft mit Klima­re­si­lienz und niedrigen Kosten zu arbeiten. Trump quatscht nur Unsinn.“ So geht: „You Never Walk Alone“, so geht Loyalität und Wahlkampf. Die – oder wir!

Lieber ein langsamer alter Mann, der den Laden zusammenhält, als eine Figur, die für die Zerstörung der demokratisch verfassten USA steht, siehe seine Rekrutierungspolitik zum Su­preme Court. Und woher kommt diese Sehnsucht nach jungen Politikerinnen, die die ganze Verantwortung übernehmen sollen – und nichts als Lehrlinge* sein können?

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Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!

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