Abschiebungen nach Afghanistan: Worüber wir sprechen sollten

Nach dem Angriff fordern Po­li­ti­ke­r*in­nen mehr Härte gegen Migrant*innen. Menschenrechte aber gelten für alle.

Foto: Michael Kappeler/dpa

Physische und psychische Folter, Todesfälle im Polizeigewahrsam, Kollektivstrafen gegen die Zivilbevölkerung, außergerichtliche Hinrichtungen, Steinigungen: Dies ist nur ein Ausschnitt der Menschenrechtsverletzungen, die die UNO in Afghanistan beklagt. Noch immer harren Tausende, denen Deutschland eigentlich Schutz versprochen hat, unter der Herrschaft der Taliban aus. Jetzt aber fordern Po­li­ti­ke­r*in­nen von Union, SPD und FDP, man müsse endlich wieder nach Afghanistan abschieben, zumindest Straftäter und Gefährder.

Es ist der große Wunsch nach einfachen Lösungen für komplexe Herausforderungen. Ja, ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan hat in Mannheim mehrere Menschen mit einem Messer schwer verletzt, ein Polizist ist gestorben. Und ja, die Er­mitt­le­r*in­nen gehen davon aus, dass er die Tat „aus religiösen Gründen“ begangen hat.

Angriffe wie den von Mannheim aber kann man nicht einfach mit Abschiebungen verhindern. Der Täter war weder als Islamist noch auf sonst eine Art jemals auffällig geworden. Auch hatte er inzwischen als Sorgeberechtigter eines deutschen Kindes – zu Recht – einen regulären Aufenthaltstitel. Natürlich gibt es auch jene, die mit radikalen Ideologien einreisen oder die sich hier in Deutschland radikalisieren. All diesen Fällen ist gemein: Es braucht mehr als populistische Demonstrationen vermeintlicher Handlungsfähigkeit.

Projekte, die sich mit Integration und psychosozialer Betreuung, mit Demokratieerziehung, politischer Bildung oder Teilhabe befassen, bangen um ihre Finanzierung.

Das Stichwort lautet Prävention. Während aber mancher laut nach Abschiebungen ruft, wacht der Finanzminister über den Haushalt. Und just jene Projekte, die sich mit Integration und psychosozialer Betreuung von Geflüchteten befassen, mit Demokratieerziehung, politischer Bildung oder Teilhabe, bangen um ihre Finanzierung. Darüber sollten wir sprechen – nicht über Abschiebungen, die hoffentlich niemals kommen.

Zu Recht verbieten die Genfer Flüchtlingskonvention und die europäische Menschenrechtskonvention Abschiebungen in Länder, in denen Folter, unmenschliche Behandlung oder schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Afghanistan ist ein solches Land. Und Menschenrechte haben es an sich, für alle zu gelten – auch für Straftäter.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.