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Haltungen zur UkraineKrieg in den Köpfen

Ein offener Brief ist nichts anderes als eine Denkanregung. Auf diese allergisch zu reagieren, disqualifiziert diejenigen, die nicht denken wollen.

Krieg der Worte Foto: Devrimb/getty

V or einigen Wochen erschien in Foreign Affairs ein langer Essay von Barry R. Posen, Professor für Politikwissenschaft am MIT. Mit präziser Ausführlichkeit diskutiert Posen mögliche Alternativen der Kriegsentwicklung in der Ukraine und gelangt zu dem Ergebnis, dass es mittelfristig keine andere Lösung geben wird als diplomatische Bemühungen und Friedensverhandlungen. Ein vernünftiger, abgeklärter, genau argumentierender Text. In der Folge meldeten sich verschiedene Stimmen zu Wort und diskutierten mit unterschiedlicher Einschätzung die vorgebrachten Argumente.

Ein kleines Wunder, zieht man die jüngsten medialen Erfahrungen in Deutschland zum Vergleich heran. Als am 30. Juni in der Zeit ein Aufruf von 21 namhaften Intellektuellen erschien (darunter auch meine Person), der mit ähnlichen Überlegungen zur selben Schlussfolgerung gelangt, folgte ein Sturm der Entrüstung, der nicht abflauen wollte. Es lohnt sich, diese Aufregung unter die Lupe zu nehmen, um zu begreifen, wie sich der öffentliche Diskurs in unserem Land verändert hat. Nicht etwa, um über den rauen Ton und die persönlichen Attacken zu jammern, denn was einem hierzulande widerfährt, ist geradezu harmlos im Vergleich zu dem, was ein kritischer Mensch in Russland zu erleiden hat. Sondern um eine Reflexion darüber anzuregen, wie sehr der Krieg sich inzwischen unserer Debattenkultur bemächtigt hat.

Fast keine der unzähligen Reaktionen ging ernsthaft auf die Argumente ein. Stattdessen falsche Wiedergabe, emotionalisierte Hetze und deftige Diffamierung. Die meisten Artikel fassten den offenen Brief nicht einmal wahrheitsgemäß zusammen, sondern verfälschten ihn zu einer Karikatur. Gelegentlich wurde das genaue Gegenteil von dem kolportiert, was im Originaltext gefordert wird. Zum Beispiel: „Verhandlungen bedeuten nicht, der Ukraine eine Kapitulation zu diktieren.“ Daraus bastelten einige Kommentatoren die Behauptung, die Unterzeichnerinnen würden die Ukraine zur Kapitulation auffordern. Ein alter Freund, ein gebildeter, politisch interessierter Arzt, rief mich erschrocken an, um zu fragen, was ich da unterschrieben hätte. Ich bat ihn, das Original zu lesen, bevor wir uns weiter unterhalten. Kurz darauf rief er erneut an, noch erschrockener, denn das, was in einem seriösen Medium als vermeintlicher Inhalt dargestellt worden war, entsprach kaum den tatsächlichen Formulierungen.

Aber das reichte offenbar nicht. Oft wurde versucht, die Leserinnen auf plumpe Weise emotional zu manipulieren: Die Unterzeichnerinnen seien dafür, dass ukrainische Frauen vergewaltigt werden. Sie seien Propagandisten Putins, widerlich, sie sollten umgehend an die Front geschickt werden. Solche emotionale Hetze tarnt sich als moralische Überlegenheit. Vereinfacht könnte man sagen, wer zum Krieg eine abweichende Meinung veröffentliche, müsse ein schlechter Mensch sein.

Womit wir bei dem stumpfen Instrument der Diffamierung wären: Die Absicht des Meinungsgegners muss per se verwerflich sein. Weswegen niedere Motive unterstellt werden, die von Feigheit bis hin zu Eitelkeit reichen (z.B. es handele sich um Leute, die alles von sich geben, nur um in die Talkshows eingeladen zu werden). Polemik ist das bevorzugte Mittel derjenigen, die nicht debattieren wollen. Sie ist inhärent amoralisch. Wer polemisiert, weiß sich ohne Zweifel im Recht. Die ethische Haltung hingegen ist eine der kontinuierlichen Überprüfungen der eigenen Kenntnisse und Erkenntnisse. Wem ein bestimmtes Thema existenziell wichtig ist, dem erscheint unbelehrbare Selbstsicherheit unangemessen. Wem alles daran liegt, dass ein geliebter Mensch geheilt wird, ist darauf erpicht, eine zweite, dritte Meinung einzuholen und sich über alle verfügbaren Heilmethoden zu informieren. Wer diskursive Verantwortung übernimmt, sollte sich nicht hinter der Burg des Glaubens verschanzen, sondern alle vermeintlichen Wahrheiten hinterfragen und abweichende Argumente und Meinungen würdigen.

Wer auch nur das Geringste von freien öffentlichen Diskursen versteht, der weiß, dass die Vielfalt der Ansichten die beste Voraussetzung für eine profunde und verlässliche Beurteilung ist. Wer bestimmte Meinungen per se ausschließen will (und nichts anderes beabsichtigt die Diffamierung), dem ist nicht an einem intelligenten Diskurs gelegen, der begehrt die Durchsetzung seiner sturen Haltung. Und damit sind wir wieder beim Krieg, denn dieser engt das Denken ein, bis hin zu jener unversöhnlichen Eintönigkeit: Entweder bist du für uns oder gegen uns. Wie ist es also möglich, dass Menschen, die vorgeben, eine moralisch richtige Politik zu vertreten, nicht begreifen, wie gefährlich jegliches Begrenzen der Denkräume ist? Erst recht in Zeiten, in denen kriegerischer Pathos und nationalistischer Eifer zunehmen.

Ein kritischer Geist hat die Aufgabe, über die Niederungen gegenwärtiger Zwänge hinauszublicken, den Horizont zu erweitern. Was werden die Folgen von zunehmender Militarisierung sein? Mehr Frieden oder die gewalttätige Verteidigung der eigenen Interessen, wenn in Zukunft aufgrund ökologischer Krisen der Eigennutz mit altbekannten rhetorischen Tricks als Selbstverteidigung verkauft werden wird. Nationalismus und Militarismus sind Formen partieller Blindheit und diese wiederum eine entscheidende Voraussetzung für Gewalt.

Am frappierendsten ist jedoch die gedankliche Umkehrung der tatsächlichen Machtverhältnisse. Viele Artikel lesen sich, als müssten sie gegen einen mächtigen Feind ankämpfen. Das ist realitätsfern. Wenn Intellektuelle einen öffentlichen Brief verfassen, tun sie das, weil sie keine andere Einflussmöglichkeit haben als ihr ehrliches Wort. Sie entscheiden ja nichts, sie halten kein wichtiges Amt inne. Ein offener Brief ist nichts anderes als eine Denkanregung; und auf diese allergisch zu reagieren, disqualifiziert nur diejenigen, die nicht denken wollen.

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101 Kommentare

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  • Die Rolle der „Intellektuellen“ in Deutschland ist es die Deindustrialisierung und die kommenden sozialen Verwerfungen kritisch-solidarisch zu begleiten und die Menschen mitzunehmen bei der Militarisierung Deutschlands. Als geistig-moralische Avantgarde sollten sie eigentlich ein schnelleres Tempo und ein weiteres Eskalieren einfordern und den Gegner Russland in den schlimmsten Farben malen.



    Defätismus und das Schüren von Ängsten vor einem Atomkrieg werden zurecht verurteilt, da die „Intellektuellen“ hier aus ihrer Rolle gefallen sind und ihre gesellschaftliche Funktion missverstanden haben.

  • „Verhandlungen bedeuten nicht, der Ukraine eine Kapitulation zu diktieren.“

    Wenn man vorschlägt, einen brennenden Wald nicht weiter zu löschen, kann man noch so oft beteuern, man wolle ja nicht, dass er abbrenne. Es glaubt einfach niemand.

    Ähnlich verhält es sich mit der - entweder furchtbar blauäugigen oder eben geheuchelten - Vorstellung, eine für beide Seiten erträgliche Verhandlungslösung sei am besten dadurch vorzubereiten, dass man der EINEN Seite ihre Verhandlungsposition bestmöglich versaut.

    • @Normalo:

      Die von den Waffenlieferungsbefürworter:innen hergebrachten Analogien (Waldbrand, Vergewaltigung...) sind so daneben. Sie wollen von der Sache ablenken. Verhandlungen bei gleichzeitigem Aussetzen der Kampfhandlungen würden Menschen retten und nicht verheizen. Also das Gegenteil von ihrem brennenden Wald.

      • @resto:

        Da ist nichts daneben. Feuer oder Vergewaltiger scheren sich genauso wenig um einen etwaigen "guten Willen" hinter einer Einstellung des Widerstands, wie sich Vladimir Putin um die pazifistischen Ideale hinter einem Nachrüstungsboykott gegen die Ukraine scheren würde. ER ist der Aggressor, dem man die Moitivation zum Weiterkämpfen nehmen muss.

        Insofern: Natürlich WÄRE eine Aussetzung der Kampfhandlungen und eine Rückkehr an den verhandlungstisch besser. Aber woher die steile These kommt, dass es zu einer solchen Aussetzung käme, würde der Westen nur mit den Waffenlieferungen aufhören, erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Wo läge die Motivation Putins aufzustecken, wenn sein Kriegsgegner plötzlich ohne Nachschub dasteht? Er hält ja schon jetzt weiter drauf, wo ihn die Wehrhaftigkeit der Ukrainer richtig Soldaten und Material kostet und der Sieg keine ausgemachte Sache ist.

        Entsprechend WÜRDEN die Kampfhandlungen nicht ausgesetzt. Russland würde vielmehr ERST RECHT weitermachen, bis die Ukraine kapituliert. Und die Ukrainer würden sich wahrscheinlich wehren, so lange sie können, nur angesichts der schlechteren Ausrüstungslage mit noch viel höheren Verlusten.

  • Auch ich bin absolut dafür das man debattiert und nicht in Denkfallen begibt.



    In der Kolumne wird darauf hingewiesen das Argumente ignoriert werden würden. Ich habe bisher keine wirklichen Argumente gesehen, keine tatsächlichen Vorschläge, keine durchdachten Pläne wozu es führt wenn man keine Waffen schickt etc.

    [...]

    Dieser Kommentar wurde gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation

  • RS
    Ria Sauter

    Stehen Sie, wie Alice Schwarzer und Andere, auf der schwarzen Liste der Ukraine?



    Das sind Methoden, da wird mir ganz übel.

  • "Er musste auf Bäumen klarkommen und dazu durfte der nächste Ast nicht verfehlt werden."

    Schon die Vorfahren aller Menschenaffen waren Schlinghangler, und der afro-europäische Zweig der Menschenaffen hat diese Fortbewegungsweise später ABEGELEGT. Mehr als einmal sogar. Das war ihr zentrales evolutionäres Ding, NICHT mehr auf Bäumen klarzukommen.

    Menschen sind die dezidiertesten Fußsohlengänger ihrer gesamten Sippschaft.

    Insofern ist die Aufhänger-Metapher schlicht und einfach Quark mit Wortsoße. Schade eigentlich.

  • Auseinandersetzen mit erwiesenem Nonsens, den die Weltgeschichte unter Millionen von Opfern in die Giftmülldeponie entsorgt hat, disqualifiziert einen Menschen jetzt?

    Steile These.

    Das einzige, wozu das einen Menschen disqualifiziert, ist doch: ein lernresistenter, geschichtsvergessener Haderlump zu sein, der für die Befriedigung seines liberalen Seelchens über Millionen von Leichen Gefolterter, Ermordeter, Vergewaltigter, Massakrierter zu gehen gewillt ist.

  • Sie haben völlig Recht Herr Trojanow:



    wer den Krieg gegen die Silowiki, das FSB-Regime, gegen den Kreml gewinnen will, muss Krieg im Kopf durchdenken.



    Oder die russische Kriegsgesellschaft belagert auf lange Zeit die Ukraine, zündet weiter die Weizenfelder an, es gibt weiter russische Hacker-Angriffe auf die Handelskammer in Bremen und weiter Diversion & Sabotage durch Verschwörungspropaganda. Siehe die webseite Volksverpetzer.



    Die Mafiabosse kalkulieren wie beim Schachspiel, die westliche Governanze übt sich in Beschwichtungsrhetorik und spätestens wenn Trump wieder Boss der USA ist, wird alles so verlaufen wie in Syrien und in Afghanistan: Sieg der Mafia, Sieg der archaischen Stämme über die zivilen Modernebestrebungen.



    Durchdenken Sie es: Nur ein vollständiger Sieg über den Kreml kann die Konstellation zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger der Welt rumreißen. Das Gleiche mit dem Iran: es gibt mit der Methode "Verhandlungen" nur iranischen Größenwahn mit Atomwaffen. und Auftragsmördern. Das gleiche gilt für alle anderen Probleme: Pandemie, Erderhitzung, Immobilienkonzerne: zielstrebige Kurskorrektur, gesteuerte Problemlösung, statt Laissez-faire.

    • @nzuli sana:

      Durchdenken heißt allerdings auch, zu differenzieren und Machtverhältnisse realistisch einzuschätzen. Von allzu boulevardesken Schwarz/Weiß-Malereien rate ich allerdings ab; andere Staaten (Russland, Iran etc.) als das absolut Böse darzustellen, gegen das nur ein "vollständiger Sieg" als Option bleibt, ist nicht nur haarsträubend unterkomplex, sondern auch vollkommen unrealistisch. Außenpolitik ist kein Heiliger Krieg gegen das Böse, sondern ein vorsichtiges Abwägen und Durchsetzen von Interessen. Zumindest, dann, wenn sie nicht in eine Katastrophe führen soll.

  • Ich bin kein Fan von diesen ganzen offenen Briefen und habe keinen von selbigen zu Ende gelesen.



    Was ich gelesen habe, ist aber die Kolumne von Sascha Lobo als Reaktion auf den ersten(?) offenen Brief. Und die fand ich so dermaßen dämlich ("Lumpenpazifismus"), dass sie als Paradebeispiel für eine miserable Debattenkultur gelten darf. Falls alle auf dem Niveau von Lobo agieren, hat Herr Trojanow mit seinem Artikel natürlich Recht.



    Meine bescheidene Meinung.

    • @Nansen:

      "Falls alle auf dem Niveau von Lobo agieren, hat Herr Trojanow mit seinem Artikel natürlich Recht."

      Tun sie natürlich nicht.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Den Essay von Herrn Posen kann man leider nicht lesen, weil die Paywall-Seuche, die immer mehr grassiert, ihn "verschluckt" hat.



    OT: Dabei gäbe es auch die Möglichkeit, einzelne Artikel kostenpflichtig zu stellen.



    Aber die meisten "Medien" sind inzwischen weitestgehend nicht mehr ihrem Selbstverständnis der Informations- und Meinungsverbreitung zugeneigt, sondern ganz normale Profit-Maschinerie. Besonders abstoßend zelebriert bei den ehemaligen deutschen "Edelmedien" Spiegel, FAZ, Zeit, Süddeutsche.

  • Amerika ist auch nicht durch den Krieg gefährdet. Unbeteiligte können locker diskutieren und Wetten über den Ausgang des Krieges abschließen.

    Hier in Deutschland sieht man das Ganze emotionaler.

    • @WeisNich:

      Sie wissen schon das Interkontinental-Raketen und U-Boote existieren?



      Und die von dem Krieg ausgelöste Wirtschaftskrise betrifft Amerika genauso.

  • Intellektuell heißt ja nicht, nur mit dem Kopf zu arbeiten. Man sollte ihn auch benutzen. Und vorher Dialektik gut gelernt haben. Freue mich immer über Denkanstöße - aber niemals über Kluggeschiss. Da bin ich dann doch froh, dass wir PolitikerInnen in den Job gewählt haben anstatt Intellektuelle.



    Krieg beenden.... können zwei Staatsleute wie z.B. De Gaulle und Adenauer. Die zu ihren Kindern sagen: Ruhe jetzt, jedes in sein Zimmer, und erst wieder raus, wenn ihr euch vertragt! Seither sind drei Generationen vergangen und keiner erinnert sich an die bittere Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland. Im nahen Osten hätte es damals auch fast geklappt, bevor man Rabin umbrachte. Ähnliches kann ich mir zwischen Putin und Selensky nicht vorstellen. Zu 90% wegen Putin nicht. Mal ein anderer Denkanstoß: Der Westen liefert nicht nur Waffen sondern auch den Freibrief, sich nicht nur auf dem eigenen Territorium zu verteidigen. Denn die Ukraine darf ja nur in den eigenen Grenzen bleiben, Russland darf dagegen ballern wo es will. Ich sehe keine Lösung im Kampf aber in Verhandlung auch nicht. Gordischer Knoten? Ja. Nur zerschlagen, wie Alexander der Große, klappt hier auch nicht. Wir müssen es mal kurz aushalten, dass wir alle keine Lösung wissen.

    • @Maria Burger:

      Ja gut, @Maria Burger, wir müssen es eben mal kurz aushalten, dass derzeit keine Lösungen in Sicht sind … “wir” können es uns aber auch leisten, während anderswo die Zerstörung und das Sterben weitergehen. Und die “Detonationen” der globalen Krise - der Krieg ist ja nur einer der apokalyptischen Reiter (muss ich die anderen wirklich noch aufzählen?) - kommen uns mittlerweile auch immer spürbarer näher.



      Können wir uns das “Aushalten” da überhaupt noch leisten?

    • @Maria Burger:

      Danke, ein wirklich intelligenter Kommentar.

      Die von Ihnen genannten Beispiele sind sehr treffend. Ein weiteres, eher metaphorisches, aber kulturell relevantes, möchte ich gern hinzufügen:

      LR: "In 1935, you ran guns to Ethiopia. In 1936, you fought in Spain, on the Loyalist side."

      RB: "I got well paid for it on both occasions."

      LR: "The winning side would have paid you much better."

      www.youtube.com/wa...=IBJGHvt7I3c&t=37s

  • Am Ende ist es das Privileg des Siegers über richtig und falsch zu entscheiden. Der Westen hat sich mit seiner Parteinahme für die Ukraine zwar moralisch richtig aber eben nicht klug verhalten. Das Leid durch den Krieg wurde damit nicht verhindert, vermutlich ganz im Gegenteil. Sobald die Auswirkungen des Krieges auch bei uns nicht mehr zu leugnen sind, wird die Diskussion über die europäische oder deutsche Rolle in diesem Konflikt/Krieg noch lauter geführt werden (müssen).

    • @Taztui:

      Würde man den Ukrainern keine Waffen geben, stünden sie noch nackter da. Die Folge wäre noch mehr Raubrittertum durch marodierende Banden, noch mehr Folter und noch mehr Vergewaltigung von Frauen und Kindern. Nicht auszudenken, welches Leid die Ukrainer erfahren würden, wenn Russland das Land komplett einnimmt.

      [...]

      Dieser Kommentar wurde gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation

       

    • @Taztui:

      Es geht nicth nur um Moral. NICHT klar (und diesmal auch mit tödlichen Folgen für russische Soldaten) für die Ukraine Partei zu ergreifen, hätte die Wirkung gehabt, die die "kluge" Mäßigung des Westens nach der Krim-Annexion auch hatte: Putin hätte gewusst, dass er nach der Ukraine den nächsten Streich planen kann.

    • @Taztui:

      "Der Westen hat sich mit seiner Parteinahme für die Ukraine zwar moralisch richtig aber eben nicht klug verhalten."



      Diese Behauptung unterstellt, dass Russland nach dem Sieg über eine nicht-unterstützte Ukraine genug hätte und die ach so klugen anderen Länder fortan unbehelligt lassen würde.



      Davon ist allerdings nicht unbedingt auszugehen.



      Mit Pech wäre solch eine kurzfristige Klugheit langfristig nämlich eine sehr dumme Ermutigung Russlands, mit dieser Masche weiterzumachen.

      • @Encantado:

        Warum nur Schwarz-Weiß? Es gibt in der Diplomatie mehr als nur ein Entweder-Oder. Dass wir nur durch bedingungslose Solidarität mit der Ukraine den 3. Weltkrieg verhindert haben, glauben Sie doch selbst nicht, oder doch?

  • "Ein offener Brief ist nichts anderes als eine Denkanregung. Auf diese allergisch zu reagieren, disqualifiziert diejenigen, die nicht denken wollen."

    ...heißt es im Aufmacher.

    ..aber kann es sein, daß die Denker, die so allergisch auf Kritik reagieren, denken, daß man mit Gedanken irgendwie über dem Mitgefühl steht...dem Mitgefühl mit den Ukrainern, die sich entschieden haben zu kämpfen. Und von den klugen Gedanken von Menschen, für die der Krieg vorbei ist, wenn sie den Fernseher ausmachen, nicht ganz so begeistert sind... vor allem wenn diese klugen Gedanken auf den unbedingten Wunsch nach einem Frieden zielen, der für die Ukraine nur bedeuten kann, einen Teil ihrer Souveränität zu opfern..

    Ich glaube, dass alle, auch die klugen Denker ihre zugrunde liegenden Werte ergründen (auch: erfühlen) sollten. Sonst laufen sie nämlich Gefahr sich mit ihren klugen und erhabenen Gedanken über das Eigentliche zu erheben.

    Wissen ist eben noch keine Weisheit..

    Und kluge Gedanken ohne Empathie erfüllen einen Zweck...haben aber keinen Sinn...

    Und Stopp.! : jetzt nicht darüber nachdenken...erstmal wirken lassen...

    • @Wunderwelt:

      Nun sehe ich nicht, wieso es einem Brief, dessen Ziel eine möglichst rasche Beendigung des Krieges sein sollte, an Mitgefühl fehlt (man könnte sich auch fragen, ob die Seite, die mehr Waffen fordert, wirklich um das Wohlergehen der Ukrainer besorgt ist...).



      Davon abgehen ist das aber auch kein Argument, sondern eine Diffamierung: man greift die Unterzeichner persönlich an, ohne sich mit ihren Argumenten zu befassen. Übrigens: selbst wenn die angebliche "Empathielosigkeit" wirklich wäre, hätte das keinen Einfluss auf Wahrheit oder Falschheit; manchmal haben Zyniker recht - dann ist es aber auch klüger, auf sie uu hören, statt sich voller Gefühl in den Abgrund zu stürzen.

      • @O.F.:

        Es steht uns nicht zu, zu entscheiden, welche Handlungsvariante für die Ukrainer die Beste ist, solange die dazu selbst eine eindeutige Meinung haben. Diese Einstellung nennt man "Respekt".

        WIR haben zu entscheiden, ob es in UNSEREM Interesse ist, ihnen dabei zu helfen, ihren Willen zu verwirklichen. Dabei kann dieses Interesse auch machtpolitisch basiert sein. Es kann ökonomische Folgen - kurz- wie langfristige - oder auch die geopolitische Balance im Auge haben. Es KANN aber eben auch erheblich von Werten und moralischer Verpflichtung zur Verteidigung derselben auch auf fremdem Boden bestimmt sein. Das steht uns tatsächlich unproblematisch zu.

        Wir sollten es nur nicht vermischen, und die paternalistische Argumentation, den Ukrainern etwas Gutes tun zu wollen, indem man sie - aus ihrer Sicht - scheinheilig lächelnd im Stich lässt, tut genau das. Bei wohlwollender Interpretation. Dazu noch die Frechheit zu besitzen, das beste Ergebnis für sie zu wollen, aber keinen blassen Schimmer zu haben, wie das nach den eigenen Vorschlägen aussieht, macht die Positionierung dann regelrecht unsympathisch.

        • @Normalo:

          Ich weise gerne ein weiteres Mal darauf hin, dass Argumente nicht besser werden, wenn man sie mit persönlichen Diffamierungen vermischt. Lassen Sie das.



          Desweiteren scheint mir Ihre Unterscheidung keine praktische Relevanz zu haben: natürlich, die Ukrainer (bzw. deren Regierung) kann selbst entscheiden, was sie für die beste Option hält - aber Tatsache ist, dass sie dabei von westlicher Unterstützung abhängt. Und dann sind wir wieder am Ausgangspunkt: es ist genauso unser Recht zu unterscheiden, ob und zu welchen Bedingungen wir diese Untersützung gewähren. Dass diese Entscheidung, jenseits politischen Marketings von Werten und Moral angetrieben wird, bezweifle ich ohnehin; Außenpolitik ist Interessenpolitik.

          • @O.F.:

            Nochmal: Wer in eigenem Interesse handelt, kann das tun. Ihre letzten drei Worte teile ich ungekürzt, obwohl in meinen Augen auch in Interessenpolitik Werte einfließen können - eben z. B. weil ein Land deren Wahrung als auch im eigenen Interesse wichtig erachtet. Aber: WENN man denn im eigenen Interesse handelt, soll man auch dazu stehen und nicht vorgeben, damit ja primär nur das Beste für Jemand anderen zu wollen - insbesondere nicht, wenn dieser Jemand genau DAS völlig anders sieht.

            Was für die Ukrainer das beste ist, ist ergo DEREN Entscheidung. Die Rechtfertigung, dass WIR ja nur die Ukrainer vor dem Tod retten wollen (indem wir ihnen die Möglichkeit nehmen, weiter Krieg zu führen und daran zu sterben), ist eine Einmischung in diese Entscheidung, die uns nicht zusteht. Wenn sie so auf Argumente Wert legen, widerlegen Sie doch bitte gerne DAS. Bis dahin lasse ich zumindest die Ansicht, WIR müssten das Strerben stoppen, indem wir mit den Lieferungen aufhören, nicht gelten.

            Und wenn ich eine Einstellung als unsympathisch betrachte (was in diesem Fall nunmal so ist), komme ich leider ohne ein paar persönliche Wertungen nicht aus. Leben Sie bitte damit. Ich FINDE es eine Frechheit, dafür zu plädieren, man solle die von den Ukrainer als dringend nötig empfundene Hilfe einstellen, ohne einen blassen Schimmer zu haben, was dann aus ihnen wird, und dabei treuherzig zu behaupten, man wolle nur das Beste für sie. Das ist schlicht auf Kosten Anderer intellektuell massiv zu kurz gesprungen - von Leuten, die nachweislich nicht so dumm sind.

            • @Normalo:

              Natürlich kann man auch von außen beurteilen, was für andere besser ist - manchmal sogar viel adäquater als die Betroffenen selbst.



              In diesem Fall müssen wir es sogar, weil es nicht um ein abstraktes Urteil geht, sondern um eine Folgenabwägung für die eigene Politik: WIR sind es ja, die entscheiden müssen, ob wir weiterhin Waffen liefern - und natürlich müssen wir uns überlegen, welche Folgen das hätte: für uns, für die Ukraine und für die globale Sicherheit (Stichwort Schwarzmarkt). Was Sie als "Frechheit" bezeichnen, ist also das, was ich von jedem Abgeordneten (und bis zu einem gewissen Grad von der Öffentlichkeit insgesamt) erwarte: die Folgen deutscher Außenpolitik durchdenken. Das ist übrigens der Punkt, wo sich Interessen und Werte in der Tat treffen könnten - weil man das vielleicht wichtigste Ziel, nämlich den Schaden für uns und für alle anderen möglichst klein zu halten, erst auf der Grundlage solcher Überlegungen erreichen kann. Nüchterner Realismus mag im Ergebnis moralischer sein als das moralisierende (sic!) Falkentum, das zur Zeit vorherrschend ist.



              Auf persönliche Wertungen sollte man verzichten können (es ist eine schiefe Prämisse davon auszugehen, dass hinter anderen Ansichten und Einschätzungen notwendig ein moralisches Defizit steckt - es geht manchmal einfach um andere Einschätzungen, über deren Für und Wider man sich sachlich austauschen kann).

              • @O.F.:

                Es geht hier um die ganz grundsätzlichen Prämissen von Außenpolitik. Völkerrechtlich gilt der Grundsatz der Selbstbestimmung. Es steht keinem Staat zu, Entscheidungen für einen anderen Staat darüber zu treffen, was am ehesten in DESSEN Interesse ist. Wir sind nicht die Protektoren, Kolonialherrnen oder "Vormunde" der Ukrainer.

                Grundsätzlich halte ich die Einstellung, man könne aufgrund besserer Urteilskraft existenzielle Entscheidungen für Jemand anderes treffen, für weder zum demokratischen Gedanken noch zum humanistischen Menschenbild passend. Worte wie "vermessen" oder "paternalistisch" sind dafür auch nicht für unangebracht oder unflätig. Sie können Sie ja jederzeit widerlegen und die moralische Grundlage für eine effektive (verbale und kognitive) Entmündigung des ukrainischen Souveräns und seiner verfassungsmäßigen Organe darlegen.

                Ich vertrete diese Ansicht natürlich auch im eigenen Interesse. Denn sollte ICH mal vor der Wahl stehen, mein Leben für etwas zu riskieren, das ich möglicherweise für wichtiger halte als mein Leben, dann will ich diese Entscheidung auch nicht von irgendeinem selbstherrlichen Besserwisser abgenommen bekommen, der "nur mein Bestes" möchte. Gerade solche Entscheidungen souverän treffen zu können, gehört für mich zum Wesensgehalt der Menschenwürde.

                Einstweilen bleibe ich daher dabei, dass NATÜRLICH jeder Staat im eigenen Interesse entscheiden kann, was er haben und tun möchte. Aber dann soll er sich auch auf die eigenen Interessen berufen und nicht darauf, dass das schließlich das beste für die Bürger eines anderen Staates sei. Denn die Entscheidung aufgrund dieses Kriteriums steht ihm nicht zu, solange besagte Bürger noch hinreichend Herr ihrer Lage sind, um SELBST entscheiden und tun zu können, und sie als solche nur als Camouflage für die eigenen Interessen zu gebrauchen, wäre geheuchelt.

                Und die Aussicht "Dann wird schon irgendwie verhandelt werden." BLEIBT um eine himmelschreiende Distanz zu kurz gesprungen.

                • @Normalo:

                  -?-" ..sollte ICH mal vor der Wahl stehen, mein Leben für etwas zu riskieren, das ich möglicherweise für wichtiger halte als mein Leben, dann will ich diese Entscheidung auch nicht von irgendeinem selbstherrlichen Besserwisser abgenommen bekommen, der "nur mein Bestes" möchte"-?-

                  Sowas bleibt selbstverständlich jedem Einzelnen überlassen.- Aber sobald Sie eine solche Entscheidung kollektiv für eine immerhin Millionen zählende Bevölkerung verkünden wollen, wäre das in der Tat (!) über alle Maßen vermessen.

                  • @Lästige Latte:

                    Wenn ich es für mich beschließe, dann brauche ich jedenfalls keine tätige Nachhilfe von irgendeinem ausländischen Intellektuellen, der mir die Möglichkeit nehmen will, mich FÜR die Lebensgefahr zu entscheiden, weil er findet, das sei besser für mich. Mehr habe ich nicht gesagt.

                    Damit entscheide ich nichts für Andere. Also drehen Sie mir bitte nicht das Wort im Mund rum. Es sind hier die Briefeschreiber - und auch O. F. - die die Meinung äußern, solche Entscheidungen seien besser nicht den Betroffenen überlassen.

                    • @Normalo:

                      Sie haben völlig recht darin, dass I h r Statement nicht über Andere entscheiden will. Der falsche Eindruck tut mir Leid!



                      Von mir gemeint in der "Entscheidungsfrage" war der Berechtigungsumfang einer Regierung, für alle Staatsangehörigen einen persönlichen Opferwillen des eigenen Lebens zu entscheiden.



                      Denn das wäre nicht im Einklang mit dem im Normalfall erweislich unbändigen persönlichen Überlebenswillen jeglicher Kreatur.

                      • @Lästige Latte:

                        Auch das ist ein Argument, das eher in die andere Richtung wirkt. Der Kriegsverlauf zeigt sehr eindeutig, auf welcher Seite die schlecht motivierten, in den Kriegsdienst gepressten "armen Schweine" kämpfen, und die hat kein Gelb in der Flagge. Eine abstrakte Erkenntnis über den Überlebenswillen des Individuums mag eine erste Anfangsvermutung erlauben. Aber zum Einen hat der Mensch (und andere Tiere auch) schon oft den Beweis erbracht, dass er in der Lage ist, diese instinktive Programmierung zu überwinden. Zum Anderen sind die Fakten nunmal, wie sie sind: Die ukrainische Bevölkerung zeigt KEINE nennenswerten Symptome von Kriegsmüdikeit, Resignation oder gar Unterwürfigkeit unter den Eindringling. Es ist eine Unverschämtheit, ihr die einfach zu unterstellen, weil es einem in den eigenen ideologischen Kram passt.

                        Davon abgesehen hat eine gewählte Regierung nunmal eine intendierte und von den Betroffenen verliehene Entscheidungslegitimation für die Gesamtheit ihres jeweiligen Staatsvolkes. Irgendwelche ausländischen Wohlmeiner haben das ganz eindeutig nicht.

      • @O.F.:

        Nun sehe ich nicht, wieso es einem Brief, dessen Ziel eine möglichst rasche Beendigung des Krieges sein sollte, an Mitgefühl fehlt (man könnte sich auch fragen, ob die Seite, die mehr Waffen fordert, wirklich um das Wohlergehen der Ukrainer besorgt ist...).

        Mit diesem Absatz bringen sie es auf den Punkt: denn sie argumentieren aus einer Vogelperspektive. Die Entscheidung der Ukrainer ihre Hoheit verteidigen zu wollen, geschweige denn das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer wird in ihrer Darstellung schlicht übergangen.. Das ist es was ich mit mangelnder Empathie meine.!!

        Und das so eine Argumentation auf Kritik stößt, ist nur allzu verständlich, denn darin liegt leider auch etwas Besserwisserisches und eine gewisse Überheblichkeit...bei allem Respekt..

        • @Wunderwelt:

          Das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer wird in dieser O.F.-Darstellung keineswegs übergangen.



          Denn dessen Darstellung meldet verunsicherte Zweifel an, ob die Waffenlieferungen aus natürlichem Mitleid mit der ukrainischen Bevölkerung organisiert werden . -Oder ob nicht eher kühl berechnende Politiker ihre jeweiligen politischen Interessen damit verbinden wollen.

        • @Wunderwelt:

          Mit der Vogelperspektive haben Sie einen wichtigen Punkt … nur würde ich lieber von der Unmöglichkeit sprechen, angesichts von Menschenrechtsverletzungen, Genozid, Terror und Angriffskrieg einen neutralen Standpunkt einnehmen zu wollen. Das ist klar an die Adresse Russlands gerichtet, da gibt es überhaupt nichts zu deuteln.



          Der Elefant im Raum ist allerdings - und da müssen wir uns ganz ehrlich machen -, dass eine komplette Perspektivenübernahme von außen - in diesem Fall der ukrainischen Perspektive - ebenso unmöglich erscheint … denn konsequent zu Ende gedacht, müssten wir uns als souveräner Staat und im NATO-Bündnis dann selbst aktiv an diesem Krieg beteiligen. Denn lediglich ein Sieg der Ukraine (wie immer der auch aussehen mag) führt ja in Russland nicht zwangsläufig zum Sturz Putins (und der gesellschaftlichen Strukturen, die diesen Hegemonialismus immer wieder möglich machen) und das wird offiziell vom Westen auch nicht angestrebt … und dann ist nach dem Krieg wieder einmal lediglich vor dem Krieg. Ohne Interessenausgleich unter Einbeziehung Russlands ist eine europäische Sicherheitsarchitektur also auch nicht denkbar, zumindest nicht nachhaltig.



          Da kann die Vogelperspektive - um wieder auf Ihren Punkt zu kommen - schon helfen, eine klare analytische Position einzunehmen, um die Dilemmata zu erkennen, in denen wir uns in diesem Konflikt bewegen … das hat mit Emphatielosigkeit oder Arroganz erst mal nichts zu tun. Finden Sie nicht auch?

        • @Wunderwelt:

          Das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer wird in dieser O.F.-Darstellung keineswegs übergangen.



          Denn dessen Darstellung meldet verunsicherte Zweifel an, ob die Waffenlieferungen aus natürlichem Mitleid mit der ukrainischen Bevölkerung organisiert werden . -Oder ob nicht eher kühl berechnende Politiker ihre jeweiligen politischen Interessen damit verbinden wollen.

        • @Wunderwelt:

          Es ist verkürzt, auf das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer zu verweisen, weil der Westen längst selbst in den Krieg involviert ist - und natürlich haben auch die Menschen hier das Recht (und sogar die Pflicht) zu hinterfragen, ob die bisherige Politik sinnvoll ist. Moralischen Vorwürfen hängt daher ein unangehem autoritärer Habitus an, ist es doch eine verklausulierte Forderung, einfach die Klappe zu halten. Sehr demokratisch ist das nicht.

      • @O.F.:

        Wenn die Ukrainer verlieren, dann leiden sie langfristig mehr, als sie das jetzt tun.



        Vielleicht nicht die, die einen starken, brutalen Staat begrüßen, der ihnen jeden Tag lecker Suppe für 1,80 serviert, als Gegenleistung für das Maul halten.

        • @WeisNich:

          Sie verwechseln eine Sachfrage mit einer Diskurskritik: man kann natürlich darüber streiten, ob das Leben unter russischer Herrschaft schlimmer wäre als ein längerer Krieg (und natürlich, welche Aussichten dieser hätte: denn die Gefahr, dass man am Ende nach einem längeren Krieg unter russischer Herrschaft lebt, ist ja durchaus real).



          Diese Diskussion kann man allerdings nur dann sachlich führen, wenn man nicht eine Position a priori als unmoralisch diffamiert und sich ins Emotionale flüchtet, wo es auf Sachgründe ankommt (wie gesagt: manchmal haben auch Zyniker recht).

          • @O.F.:

            Was soll ich anders als emotional werden? Habe ich doch in einer von Russland gesteuerten Diktatur gelebt, in der ein Schlächter Putin seine Finger im Spiel hatte.



            Ich würde gerne mit Ihnen mein Leben tauschen, dann wäre ich auf der Sonnenseite des Lebens geboren worden und würde auch keine Gedanken an die Realität der meisten Menschen in dieser Welt verschwenden.



            Lieber tot, als noch einmal unter russischer Herrschaft leben müssen.

            • @WeisNich:

              Danke für diesen Beitrag.!

              ...ich finde es mutig und aufrichtig, wie sie ihre persönliche Anteilnahme schildern.

              ..da könnte sich so manch einer ne Scheibe von abschneiden...

            • @WeisNich:

              Ich finde es bedauerlich, wenn Sie persönlich werden und mir bzw. den Unterzeichnern des Briefes unterstellen, keine Gedanken an andere Menschen zu verschwenden. Denn das Gegenteil ist der Fall: es geht in dem Brief darum, wie man das Leid in der Ukraine am besten beendet - und die Frage, ob Waffenlieferungen der beste Weg sind, darf und muss man sich dabei stellen. Ich bin mir jedenfalls nicht sicher, ob die Betroffenen den Tod einem Leben unter russischer Herrschaft vorziehen würden. Aber wie gesagt: es geht hier gar nicht darum, was man tun sollte, sondern wie man darüber diskutiert - eben mit Sachgründen, nicht mit Diffamierungen und Emotionalisierung.

              • @O.F.:

                Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Wer denkt an die Menschenleben, die bei einer weiteren Eskalation für Machtinteressen einfach so geopfert werden sollen? Doch eher diejenigen, welche für Verhandlungen sind.

  • Gerade am Inhaltlichen mangelt es doch aber den ganzen offenen Briefen. Ganz konkret: was soll man denn Russland anbieten, um seinen Krieg zu beenden? Denn allein Russland kann diesen Krieg beenden. Die Ukraine hat auch nicht Russland angegriffen. Das ist kein Krieg zwischen zwei Staaten, sondern ein unprovozierter, rein aggressiver, bewusster Angriff des einen auf einen anderen. Da ist nicht irgendwas schiefgelaufen und dann sind beide Staaten irgendwie da reingeschlittert.

    Und wenn Alice Schwarzer allen Ernstes eine Woche nach ihrer Unterschrift noch einen draufsetzt und “Selenskiy hört nicht auf, zu provozieren!” rausposaunt, muss zumindest sie sich nicht wundern, wenn man ihr die Moral abspricht.

    • @Suryo:

      "Und wenn Alice Schwarzer allen Ernstes eine Woche nach ihrer Unterschrift noch einen draufsetzt und “Selenskiy hört nicht auf, zu provozieren!” rausposaunt, muss zumindest sie sich nicht wundern, wenn man ihr die Moral abspricht"

      Spätestens seit ihrer ekelhaften Bild-Berichterstattung in der Causa Kachelmann hat sie ohnehin jeden Anspruch auf moralische Führung verwirkt.

  • Liebe Taz ! Wieso dieser Artikel ? Er wirft vor: "Fast keine der unzähligen Reaktionen ging ernsthaft auf die Argumente ein", macht aber dasselbe: Kein neues Argument, keine vertiefende Informationen, keine Reaktion auf eine der vielen Widerreden, nur Kritik am Umgangston und an der Welt allgemein. Ist das jetzt Clickbait ? Ich würde ja gerne die Position erklärt bekommen. Leider finde ich keine Quelle mit einer geeigneten Diskussionskultur.

    • @Algernoon:

      «Leider finde ich keine Quelle mit einer geeigneten Diskussionskultur.»



      Offenkundig fehlt es an Diskussionskultur und genau diesen Umstand kritisiert dieser Artikel m.M.n. Heutzutage hat sich das plumpe Gefühl eingestellt, wir hätten eine hervorragende, offene Diskussionskultur, nur weil jeder Molch einen Internetzugang und eine Tastatur besitzt.



      Wenn man sich eine politische «Talkshow» vor den goldenen 90ern zu Gemüte zieht, merkt man auch schnell, woran man heute ist.

  • 2021 gab es genau in der Richtung kollektives deutsches Versagen, da niemand in der Lage war, sich 200 Liter Regen pro qm² vorzustellen ... es war ein Denkversagen, man war nicht in der Lage, sich das räumlich vorzustellen ... so, das kennzeichnet auch die Reaktionen auf die Offenen Briefe ... übertragen ist es die gleiche Schwäche

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Andreas Urstadt:

      Es müsse erst eine - die jeweils richtige und passende - Grundlage für Verhandlungen durch Kämpfe herbei geführt werden ...



      Wie wird denn das Denken öffentlich weiter geführt, wenn es um die Frage geht, wie man sich das konkret vorstellt, wann und wie eine Verhandlungsgrundlage erreicht sein wird?



      Die Vorstellung, was das genau bedeuten könnte, wird nicht ausgesprochen. Wie viele Tote und Verwüstungen wären denn drin?



      Hier bleibt das Denken stecken, und die Debatte wird infolge dessen um so hitziger emotional. Ein Krieg der Worte, während und weil das Denken zwangsweise in ergebnislosen Schleifen dreht.

  • Für die jeweiligen sehr klaren Haltungen gibt es eine ethologische Erklärung, erwähnt wird hier im Artikel auch der Raum der offenen Diskussion und die Möglichkeit eines freien Horizonts. Alles Räumliche verlangt eindeutiges Sehen (Denken). Erklärt wird das durch die Evolutionsgeschichte des Menschen. Er musste auf Bäumen klarkommen und dazu durfte der nächste Ast nicht verfehlt werden. Daraus wird ethologisch das Kritische an Ambivalenzen erklärt, der Mensch habe Schwierigkeiten damit, mit Ambivalenz umzugehen. Das Lösen der Raumprobleme gilt als Anfang allen Denkens (vgl. Max Liedtke: Evolution und Erziehung - Pädagogische Anthropologie) und das betonte lebenserhaltende Eindeutigkeit, nicht Schattierung oder Differenzierung. Russland sieht sich bedroht, ergo ist das Klima dort rauer. Das gilt aber ebenso in der Ukraine.

    Wer sich nun mit einer der Seiten identifiziert, übernimmt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Rauheit der Argumentation. Es geht hier absolut um Leben wie auf dem Baum vergleichbar dem wichtigen Erkennen und Erreichen des nächsten Astes auf dem nächsten Baum. Das ist aber ein Fokus.

    Wer sich im Wald befindet, sieht nur Bäume und keinen Wald. Sinn von Offenen Briefen wäre, den Wald zu zeigen. Emanzipation von Umständen wird nur durch eine höhere Komplexität als die der Umstände selbst erreicht.

    Alle Offenen Briefe aber blieben im Bereich der Bäume. Das war das Enttäuschende an den Intellektuellen - weit entfernt bspw. von den Aufrufen Hermann Hesses - bspw. "Zarathustras Wiederkehr". Man hätte nachschauen müssen, welche Maßstäbe bereits gesetzt worden waren, man blieb dahinter zurück.

    Die Kritik an den Offenen Briefen war aber auch oft blind, so erreicht man den nächsten Ast nicht.

    Nora Bossong unterstellte Habermas den Satz "77 Jahre nach dem letzten Krieg" und versuchte alle Argumente so zu desavouieren und Habermas als Ignorant zu entlarven, Habermas schrieb aber "77 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg".

  • Danke für diese Stellungsnahme. Auch ich empfinde den öffentlichen Diskurs als diffamierend und nicht argumentierend.



    Danke auh an die taz, dass sie auch einmal die "andere Seite" zu Wort kommen lässt.

  • Das Erschreckendste an den Reaktionen auf den Offenen Brief bestand für mich darin, dass sie weitgehend so geifernd formuliert waren, als stammten sie unmittelbar aus den 50er Jahren. Und auch mit dem gleichen Militarismus, dem gleichen Nationalismus, dem gleichen "Der-oder-wir". Das nenne ich mir eine billige Militanz aus der sicheren Entfernung der Pommesbude.



    Was meinte Kluge noch? Kein Krieg bisher sei nicht durch Verhandlungen beendet worden? Was daran ist unwahr? - Niemand hat behauptet, dass Verhandlungen simpel und schnell gngen. Doch wie war das mit Israel und Ägypten? Mit Frankreich und Algerien? Mit der FARC und der kolumbianischen Regierung? Da waren die Fronten genauso verhärtet, Und keine der Parteien war endgültig "besiegt", oder?

    • @Jürgen Schmidt:

      "Kein Krieg bisher sei nicht durch Verhandlungen beendet worden?"



      Das ist natürlich wahr, aber auch eine recht offenslichtliche Binse. Es wurde ja auch noch kein Krieg ohne Kämpfe beendet. Verhandelt wird dann wenn Verhandlungsbereitschaft besteht und die besteht eben erst dann wenn keine Partei mehr glaubt noch etwas auf dem Schlachtfeld gewinnen zu könnnen. Von diesem Punkt ist man derzeit leider noch sehr weit entfernt, die Ukraine will ihr Territorium zurück und die Russen bis nach Lissabon.

  • RS
    Ria Sauter

    Danke Herr Trojanow für diese Worte!



    Sie müssten in sämtlichen Zeitungen zu lesen sein.



    Als Vorwort zu den Nachrichten auch sehr begüssenswert!

    • @Ria Sauter:

      wenn sie die folgenden Leserbriefe gelesen haben, werden sie feststellen, das dass nicht viele so sehen.



      Wer Verhandlungen fordert verdirbt uns die Vergeltung - Russland/ Putin muss bestraft werden! - Das ist Bullshit. Der Krieg muss aufhören - lieber heute als morgen, jeder Tag dieses Krieges produziert Tote, Verletzte und Traumatisierte und das auf beiden Seiten - egal wer nun gut öder böse ist, es ist Wahnsinn.

      • @paul meder:

        Der Krieg muss aufhören aber ohne das Russland ukrainisches Gebiet hält, weil dann hört der Krieg dort gegen alle die nicht pro-russisch sind nie auf. Wenn alle ukrainischen Gebiete befreit sind muss der Krieg aufhören. Alles andere ist kein Friede.

        • @Machiavelli:

          1871, 1918, Versailles, Elsass-Lothringen … in den deutsch-französischen Beziehungen heute kein Thema mehr, was einst als Erbfeindschaft postuliert wurde. Für die junge Generation Europas belanglos … und hoffentlich bleibt es dabei, gewisse innereuropäische Entwicklungen geben da allerdings Anlass zur Sorge.



          Ich stelle mir vor, dass das zwischen jungen Ukrainern und Russen eines Tages auch möglich sein kann … eine Vision, mehr nicht. Etwas, womit man besser zum Arzt gehen sollte, wie es Helmut Schmidt einst formulierte. Aber was wäre die Alternative, damit Europa nicht wieder in Barbarei zurücksinkt? Vorerst wird jedoch nur der gegenseitige Revanchismus genährt, sie auch immer der Krieg ausgehen mag.

        • @Machiavelli:

          "Wenn alle ukrainischen Gebiete befreit sind muss der Krieg aufhören. Alles andere ist kein Friede."



          Bei diesen Zielen ( wenn auch die Krim gemeint ist) wird das gegenseitige schlachten noch sehr lange dauern. Um Ziele geht es nur den Mächtigen (oder denen die daran verdienen) für die "kleinen Leute" geht es ums überleben. Viele Soldaten werden gezwungen zu kämpfen, wie Kampfhunde aufeinandergehetzt. Als Angehöriger einer Nachkriegsgeneration habe ich den Preis, den junge Soldaten das ganze weitere Leben zahlen müssen oft kennengelernt und als viel zu hoch für die armseligen, gerechten und angeblich guten Werte* empfunden.



          * für Gott und Kaiser und Vaterland, usw. - Frieden ist ein großes Wort, fur viel zu viele wird es heissen: - Ruhe in Frieden.-



          www.3sat.de/film/d...ewtab-global-de-DE

      • @paul meder:

        "Wer Verhandlungen fordert verdirbt uns die Vergeltung - Russland/ Putin muss bestraft werden!"

        Ich weiß nicht, wo Sie das gelesen haben. Hört sich eher nach einem Strohmann an.

        • @PPaul:

          Manche polnischen Rechtsaußens und Balten sagen das. Ein paar aus dem paläokonservativen Teil der britischen und australischen Tories. Etliche Menschen aus der Ukraine sagen das (wenn sie grad wütend sind, sagen es wenige von denen nicht, zur Zeit).



          Also bis auf letztere eigentlich nur Menschen, die für Linke nicht Maßstab von irgendwas sein sollten, sondern ein Hauptgegner im Rahmen eines demokratischen Systems.

          In Deutschland ist es eine sehr selten gesehene Freakposition, meist aus dem Schnittfeld von CDU/CSU und FDP.



          Die solchem Blödsinn zugrundelliegende Idee ist das Märchen, Putin sei ein Sowjetrusse. Er ist aber das genaue Gegenteil, er ist ein "Weißer", also eigentlich einer der den genannten Parteien nahesteht. Das ist denen unangenehm - historisch gesehen ist Putin tatsächlich ihr tollwütiges Adoptivkind -, und so kompensieren sie es mit russenhassender Rabulistik.

          Aber das dahinterliegende Denkmuster findet sich häufiger bei denem, die Putin näherstehen als Selenskij. Dieses Mackerhafte, Absolute, Totale. Und Putinkuschler sind mittlerweile sehr gut geübt darin, ihre protofaschistsiche Verblendung in die Gehirne anderer hineinzuphantasieren.

          Was glauben Sie denn, was man sich 1929 als linksbürgerlicher Antifaschist so von Hitler-Apologeten (und zukünftigen NS-Mitläufern) aus DNVP oder gar KPD so anzuhören hatte? Dieselbe Suppe, nur in anderen Zeitgeist eingewickelt.

        • @PPaul:

          Habe ich nicht zitiert, das ist mein Eindruck von vielen Lesermeinungen und Politikeraussagen.



          Ich halte mich weder für einen Strohmann der Guten oder der dämonischen Seite.

  • Was halt trotzdem verfängt: Dritte wollen über andere mitreden. Der Autor weist ja zurecht zurück, dass die Ukraine hier nicht gedrängt werden darf, aber sorry, es bleibt immer ein Geschmäckle von 1938 übrig…

    • @Andi S:

      Die Ukraine wird doch nicht von den Pazifisten bedrängt, sondern von ganz anderen.

      • @resto:

        Die Ukraine wird von Russland bedrängt, der Westen liefert Waffen.

        • @Machiavelli:

          Es haben aber auch ganz andere ein Interesse daran, dass die Ukraine bzw. deren Selenskij die Bevölkerung teilweise nötigt, bis "auf den letzten Mann" zu kämpfen und nicht zu verhandeln.

  • Die offenen Briefe müssten in Russland publiziert werden. Wir sind hier nicht die Seite, die die Ukraine um jeden Preis vernichten will.

  • Eine grundsätzliche Frage bleibt aber bestehen: Weshalb werden eigentlich 'offene Briefe' geschrieben und publiziert? Und warum eigentlich meist von sogenannten Intellektuellen. Herr Trojanow beantwortet es zum Teil in seiner Kolumne folgender Maßen: weil sie 1. keine andere Einflussmöglichkeit sehen und 2. Denkanregungen geben wollen.



    Zu Punkt 1: zum Glück publizieren nicht alle die keine Einflussmöglichkeiten für sich sehen, offene Briefe. Diese würden ansonsten in inflationärer Weise sämtliche Zeitungen vollfluten.



    2. Denkanstösse bekomme ich durch die verschiedensten journalistischen Artikel, Nachrichtensendungen etc. Da braucht es nicht noch 'offene Briefe'.



    Und sagen wir's doch wie es ist: diejenigen, die diese offenen Briefe unterschreiben, also Künstler, Schauspieler, Intellektuelle, tun dies nicht zuletzt auch aus Selbstdarstellungsgründen. Und ein klein wenig deucht es mir auch, wollen sie auf antistaatlichen Protest setzen, wie es auch die Kollegen mit den Videos zu den Coronamaßnahmen taten.

    • @Klaus Waldhans:

      "auf antistaatlichen Protest setzen"



      Das allerdings ist eine bedenkliche Wortwahl: die Unterzeichner des besagten offenen Briefes haben sich nicht gegen den Staat gestellt, sondern lediglich die Sinnhaftigkeit gegenwärtigen Regierungshandelns in Frage gestellt - was in einer Demokratie gerade nicht "antistaatlich", sondern ein vorgesehener Teil öffentlicher Willensbildung ist. Nun mag ich hier pedantisch sein, mir scheint sich in solchen Formulierungen aber ein weiter um sich greifender Hang einer "Mitte" zu manifestieren, ihrer eigenen Meinung regelrecht Verfassungsrang zuzuschreiben und Andersdenkende zum inneren Feind zu deklarieren. Man sollte sich die Frage stellen, ob hier nicht der politische Zentrismus seinen eigenen Extremismus hervorbringt.

      • @O.F.:

        Ja und ja, aber zusammengenommen nein.

        Die Offenbriefler buhlen ja genauso - wenn nicht noch vehementer - um diese radikale, extremistische Illusion des goldenen Mittelwegs, wo die einzige und alleinige Demokratie beheimatet ist. Diese ständigen Appelle an die Vernunft, das "schlimme Leute auf beiden Seiten" (stimmt, aber neokoloniale Angriffskrieger, die die "schlimmen Leute" überhaupt erst wichtig gemacht haben, halt nur auf einer Seite), die sich in Phrase um Phrase um das Benennen des primären und anfänglichen Kriegsverbrechers herumwindend zelebrierte Äquidistanz, die ostentative Forderung nach "Zugeständnissen beider Kriegsparteien" (als ob es nicht vom Kriegsverlauf abhinge, wer was fordern kann) -

        wenn DAS kein Buhlen um den Falschgoldgötzen namens "Mitte" ist, was dann?

        Der Kult der Mitte vergiftet die Demokratie, und macht aus dem faktenbasierten Disput einen "Diskurs" wo der Sozialdemokrat ganz selbstverständlich mit dem Neofaschisten gegengewichtet wird.

        • @Ajuga:

          Die Unterzeichner des offenen Briefes (ein Schritt zu einer zivilisierten Diskussion ist übrigens der Verzicht auf eine allzu gehässige Sprache) "buhlen" nicht, sie werben für eine andere Politik - was ein normaler Teil demokratischer Willensbildung sein sollte. Der Extremismus besteht also nicht in dem Versuch, politische Mehrheiten zu organisieren (wiederum: das ist ein normales demokratisches Prozedere), sondern in dem herrischen Habitus, mit dem ein derzeit hegemoniales Milieu (daher die Anführungszeichen um die "Mitte") Dissens niederbrüllt - z.B. in dem man Andersdenkende zur 5. Kolonne erklärt; das man das mit einer plump-manichächischen Deutung des Ukraine-Konflikts verbindet, ist schon fast autoritäres Standardrepertoire (natürlich: wer einen Kampf gegen das Böse führt, hat keinen Platz für Differenzierungen).



          Die Demokratie wird vergiftet, wenn man Dissens und Kontroverse nicht mehr als ihr Wesen, sondern als Bedrohung empfindet. Soviel als Denkanstoß.

  • Ähnlich ging es doch auch mit dem offenen Brief mit der Forderung von Verhandlungen und gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine in der EMMA. Ich bin darüber erschrocken, welche Medien sich darauf eingeschossen hatten; es wurde nicht einmal versucht, inhaltlich zu diskutieren. Es wäre schön, wenn der Autor auch die Namen dieser seriösen Medien genannt hätte.

    • @resto:

      Ist auch ein billiger Populistentrick: Inhaltslose Sachen sagen und sich dann erheben, dass man sie ja nie "argumentativ stelle". Ohne die Lieferung schwerer Waffen hat die Ukraine keine Chance. Russland möchte die Ukraine vernichten. Punkt Ende. Wenn Sie diese einfache Widerlegung die schon damals tausende Male gebracht wurde, nicht zur Kenntnis nehmen wollen, ist das Ihre Sache.

      • @Eric Parpart:

        Das war bei beiden Briefen auch tatsächlich mein größtes Problem: Die inhaltliche Leere, wenn es um konkrete Lösungen geht. Es waren immer viele Worte, aber wenig Konkretes. Damit kann man keinen Krieg beenden.

  • Warum sieht niemand Schröders Botschaft zwischen den Zeilen: „Putin selbst hält es für einen FEHLER, diesen Krieg begonnen zu haben!“ Das kann er so natürlich nicht sagen, aber ist es nicht offensichtlich?



    Das erscheint mir plausibler als die Behauptung, eine Mehrheit bundesdeutscher Politiker hätte über Jahrzehnte hinweg eine Politik mitgetragen, die sie im Nachhinein - „plötzlich“ - für einen FEHLER hält.



    Übrigens war Schröder 2003 im westlichen Verteidigungsbündnis der einzige Staatschef neben Chirac, der den Einmarsch in den Irak für einen FEHLER hielt und ihn nicht mittrug. Diese beiden Politiker bildeten damals ein Bündnis mit Putin. Die CDU-Opposition war dafür, diesen Krieg, der sich im Nachhinein als vollkommen sinnlos erwiesen und 100.000 Todesopfer gefordert hat, mitzutragen.



    Für eine Friedensdiplomatie, deren Ziel Frieden ist, ist nicht vorrangig, wer FEHLER gemacht hat.



    Also an den Verhandlungstisch! und zwar auch mit der Einsicht, dass die Verantwortung für diesen losgetretenen Krieg mittlerweile auf mehrere Schultern verteilt ist!!



    Spätestens wenn schwer bewaffnete Söldnertruppen nicht mehr von Politik kontrolliert werden, ist es dafür zu spät.

  • Na, da gefällt sich aber mal wieder jemand in Selbstviktimisierung: das "Man darf ja nicht!", das wir schon zur Genüge von Pegida, "Maßnahmenkritikern" und der "Israelkritik" kennen. "Man" darf sehr wohl und die Möglichkeit wird ausgiebig wahrgenommen. Natürlich gibt es immer auch unsachliche und unflätige Beschimpfungen (allerdings in alle Richtungen), an denen hängt sich der Autor genüsslich auf. Vor allem aber gab es jede Menge sachliche, inhaltliche Kritik an der Argumentation der Offenen Briefe, an deren offenkundiger Unlogik und Unkenntnis der Situation.



    Um es nochmal kurz zusammenzufassen: niemand ist gegen Frieden oder Verhandlungen - es geht um die Bedingungen dafür. Verhandlungen, die zugunsten des verbrecherischen Aggressors ausgehen, vermindern nicht das Leid, sondern vermehren es!

  • "Wem ein bestimmtes Thema existenziell wichtig ist, dem erscheint unbelehrbare Selbstsicherheit unangemessen."

    Ganz genau! Und das ist auch exakt der Grund, warum ich diese offenen Briefe und deren Urheber kritisiere.

    Nicht, weil sie den Krieg verurteilen, nicht weil sie eine friedliche Lösung fordern, nicht weil sie einen Diskurs anregen wollen. Das ist alles richtig.

    Sondern weil sie sich in einer Selbtgewissheit eingerichtet haben, dass sie den Menschen da draußen erklären müssten, dass Krieg etwas Schlechtes ist, dass man Frieden anstreben muss, dass Waffen töten.

    Weil sie die Verteidigungsbemühungen der Ukraine und ihrer Unterstützer auf eine Ebene mit den Angriffen Russlands stellen und sie als Kriegstreiberei bezeichnen.

    Ohne dabei den Widerspruch zu bemerken, dass sich der Kreml jeder ernsthaften Diplomatie entzieht, jede Friedensbemühungen im Vorfeld des Einmarsches verhöhnt hat, dass er faschistoide Ziele und Erklärungen für diesen Krieg ausgegeben hat.

    Ohne dabei auch nur ein Einziges mal -nicht einmal auf Nachfrage- darauf einzugehen, wie denn eine für beide Seiten annehmbare Verhandlungslösung aussehen soll.

    Man hat nicht wörtlich gefordert "dass die Ukraine kapitulieren muss".

    Wer aber ignoriert, dass Russland ganz offen der Ukraine ihre Souveränität abspricht, sie "von der Landkarte verschwinden" lassen will, mit einer Blut und Boden Argumentation Großreichsansprüche offenbart, der muss bereit sein Lösungen aufzeigen, wenn er die aktuelle Strategie als falsch erklärt.

    Ansonsten ist es eben nichts als eine wohlfeile Belehrung von der gemütlichen Couch aus, ohne jede Substanz.

    • @Deep South:

      Sie haben völlig recht. Ich habe auch schon häufig kritisiert, dass die Unterzeichner:innen keine Vorstellung davon haben, wie eine Verhandlungslösung aussehen sollte. Immer dann, wenn es konkret werden müsste, wird es schwammig - oder ganz still.

    • @Deep South:

      Danke für Ihren Kommentar! Ich sehe es ganz genauso.

      Auch ich hätte lieber Verhandlungen. Aber mir fällt - Stichwort Inhalte - nichts ein, was man Russland anbieten könnte. So zu tun, als müsse man nur mal scharf nachdenken, über seinen Schatten springen und dann könnte man schon irgendwie eine auskömmliche Lösung mit Russland aushandeln, ist zumindest extrem naiv, wahrscheinlicher jedoch belehrend und arrogant.

  • Trojanow macht genau das, was er den Kritikern des Aufrufs vorwirft, nämlich eine emotionale Polemik, wenn er diesen ein "inhärent amoralisches" Verhalten vorwirft. Er hängt sich an ein paar Dumpfbacken auf, die ihn "an die Front schicken" wollen. Er erwähnt aber nicht die Argumente der Ukrainer und derjenigen, die für das Recht auf ihre Selbstverteidigung kämpfen. Die ernstzunehmende Kritik am Aufruf richtete sich gegen die frappierende und selbstbezogene Naivität der Unterzeichner, die anscheinend nicht die innere Logik eines faschistischen Putinregimes verstanden haben, nämlich Nationalismus, Imperialismus und Rassismus gegenüber der Ukraine. Aus der Geschichte sollte eigentlich jeder gelernt haben, dass faschistische Regime nicht durch Verhandlungen von ihrem Handeln ablassen, sondern nur durch Stärke. Wer das in Abrede stellt, gefährdet uns alle. Deshalb die heftige Reaktion auf eine zutiefst beunruhigende politische Naivität.



    Bei der notwendigen Verteidigungsbereitschaft angesichts der agressiven Politik Russlands und Chinas von " Militarismus" zu sprechen, ist nicht nur eine " Denkanregung", sondern Appeasement. Indem Trojanow für eine angeblich realistische Verhandlungslösung eintritt, diese aber nicht konkretisiert und dann die andern als " Militaristen" oder " Bellizisten" diffamiert, macht er genau das, was er anderen vorwirft, nämlich diffamieren.

    Schade, ich hatte von Trojanow anderes erwartet

    • @Rinaldo:

      "Indem Trojanow für eine angeblich realistische Verhandlungslösung eintritt, diese aber nicht konkretisiert und dann die andern als " Militaristen" oder " Bellizisten" diffamiert, macht er genau das, was er anderen vorwirft, nämlich diffamieren.

      Schade, ich hatte von Trojanow anderes erwartet"

      Ich lese in dem Artikel wieder etwas von Militaristen, noch von Bellizisten.



      Kann es sein, dass Sie einen anderen Artikel von Herrn Trojanow meinen?

  • "Und damit sind wir wieder beim Krieg, denn dieser engt das Denken ein, bis hin zu jener unversöhnlichen Eintönigkeit: Entweder bist du für uns oder gegen uns."

    Willkommen in der modernen Diskurskultur, Herr Trojanov! Sie haben auf der Metaebene völlig Recht.

    Bezüglich der vermeintlichen Kausalität, der Krieg sei die Ursache für Freund-Feind-Schubladendenken, sollten Sie allerdings folgenden Satz beherzigen:

    "Ein kritischer Geist hat die Aufgabe, über die Niederungen gegenwärtiger Zwänge hinauszublicken, den Horizont zu erweitern."

    Denn seit einigen Jahren läuft beinahe jede Diskussion so ab. Auf konträr Meinung folgt Polemik, Diffamierung und Niederbrüllen. Egal bei welchem Thema und aus welcher Ecke die Meinung kommt, rauer Gegenwind ist garantiert.

  • Gelegentlich wurde das genaue Gegenteil von dem kolportiert, was im Originaltext gefordert wird. Zum Beispiel: „Verhandlungen bedeuten nicht, der Ukraine eine Kapitulation zu diktieren.“ Daraus bastelten einige Kommentatoren die Behauptung, die Unterzeichnerinnen würden die Ukraine zur Kapitulation auffordern.

    -----------------------------

    Ilija Trojanow wirft anderen Diffamierung vor, diffamiert aber selbst. Oder er hat einfach die Kritik an dem Brief nicht begriffen.

    Niemand hat aus diesem Satz abgeleitet, dass die Ukraine zur Kapitulation aufgefordert wird. Die Kritik war, dass die Vorstellungen der Autor:innen unabhängig von diesem Satz einer Kapitulation der Ukraine gleichkommen würden, eventuell nach dem Ausbluten der ukrainischen Armee. Der Satz ist insofern nur ein Feigenblatt.

    Hier analysiert einer der Autor:innen des Briefes die Kritik falsch - genauso wie die Situation falsch analysiert worden ist. Insofern befindet sich dieser Artikel tatsächlich in einer Linie mit dem offenen Brief.

    Dass er anderen vorwirft, allergisch zu reagieren, nicht denken zu wollen, nicht diskutieren zu wollen, empfinde ich persönlich als Beleidigung. Er blendet die berechtigte Kritik aus und diffamiert sie als Diffamierung. Mir fehlt in diesem Artikel der Wille zur Diskussion und, wie schon in dem offenen Brief, die analytische Schärfe und vor allem Tiefe.

    Ich diskutiere das Thema gerne inhaltlich. Aber nicht, wenn ich als Bellizist, als Nichtdenker, als diskursunfähig hingestellt werde.

    • @PPaul:

      vorweg: ich habe kaum eine klar Meinung zu den zentralen Fragen im Ukrainekonflikt



      zur Diskussionkutltur: Allein das sie sich persönlich beleidigt fühlen zeigt, dass der Autor - jenseits der streitbaren Argumente bzgl. des Ukrainekonflikts - einen unverkennbaren Punkt macht: Uns kommt die Fähigkeit kognitive Dissonaz (andere Meinungen) auszuhalten abhanden, was für einen konstruktiven Dialog fatal ist

      • @Kleinvieh:

        Da kann ich Ihnen nicht zustimmen, das ist mir zu undifferenziert. Es geht nicht darum, dass ich mit anderen Meinungen nicht klarkommen würde.

        Es geht darum, dass er die Diskussion personalisiert und mir und anderen unter anderem vorwirft, nicht denken zu wollen. Das ist eben keine andere Meinung, sondern eine unsachliche Art der Diskussion, die nicht dazu dient zu überzeugen, sondern andere zu diskreditieren und zu zerstören, statt sich mit ihren Positionen auseinanderzusetzen.

        Kognitive Dissonanz beleidigt mich nicht, sondern spornt mich an, meine Gedanken zu schärfen. Persönliche Diskreditierung jedoch zerstört die Diskussionskultur.

    • @PPaul:

      "Er blendet die berechtigte Kritik aus und diffamiert sie als Diffamierung."



      Schöner Satz. Kommt in meine Sammlung.

    • @PPaul:

      Perfekt formuliert!

  • Wenn man eines aus dem WK2 gelernt hat, dann dass Appeasement nur den Appetit der Despoten auf mehr Eroberung weckt. Stoppt die Anfänge war mal ein Slogan

  • „Sag mir wo du stehst“ ist aktueller denn je. Jeder äußert sich - mehr oder weniger medial verstärkt - zu allem. Jeder wird direkt oder indirekt genötigt, sich klar zu positionieren. Zwischentöne werden ignoriert oder stigmatisiert. Schwierig.

  • Wenn einer einen offenen Brief verfasst ist das ein Denkanstoß und Debattenbeitrag; aber wenn dem dann jemand widerspricht und es anders sieht ist das ein Anschlag auf den öffentlichen Diskurs? Den Move Widerspruch als diskursives Foulspiel zu diffamieren kennt man sonst eher von Typen wie Sarrazin ("Das wird man wohl noch sagen dürfen!") oder Querdenkern ("Zensur!").



    "„Verhandlungen bedeuten nicht, der Ukraine eine Kapitulation zu diktieren.“ Daraus bastelten einige Kommentatoren die Behauptung, die Unterzeichnerinnen würden die Ukraine zur Kapitulation auffordern."



    Ist das denn eine Verzerrung? Unter den gegebenen Umständen wäre ein Kapitulation ziemlich sicher das einzige 'Verhandlungsangebot' das die Ukraine in Moskau unterbreiten könnte, das dort Gehör und Akzeptanz finden würde. Auch das kann man natürlich anders sehen, sollte dann aber schon erklären welches Verhandlungsangebot man Putin machen sollte um wieder zu dem Zustand vor dem 24. Februar zurückzukehren.



    "Wer bestimmte Meinungen per se ausschließen will (und nichts anderes beabsichtigt die Diffamierung), dem ist nicht an einem intelligenten Diskurs gelegen, der begehrt die Durchsetzung seiner sturen Haltung."



    Sehr richtig erkannt. Aber dann Leute mit einer entgegengesetzten Meinung als "diejenigen, die nicht denken wollen" zu diffamieren belegt dann eben doch aus dieser Einsicht nicht wirklich gelernt zu haben.

  • Zu behaupten, dass die Reaktionen nur nicht auf die "Argumente" eingehen und stattdessen auf all die Kritikpunkte nur zu sagen, dass die anderen "nicht denken wollen" ist ein Tiefpunkt. Dafür feiert sich die Autorin schön selbst: "Ein kritischer Geist hat die Aufgabe, über die Niederungen gegenwärtiger Zwänge hinauszublicken, den Horizont zu erweitern."



    Im Ernst taz Redaktion, ist das jetzt das Niveau?

    • @Eric Parpart:

      Das ist generell ein weitverbreiteter rhetorischer Kniff geworden, um auf Kritik nicht eingehen zu müssen: man unterstellt den Kritikern, „nicht differenziert genug“ zu sein bzw zu denken. Damit erhöht man sich dann selbst: Man hat nicht einfach eine Meinung, die von der Mehrheit nicht geteilt wird, nein, man ist eben „differenzierter“ (lies: intelligenter) und die anderen sind es nicht (lies: sind zu dumm). Man muss sich dann nicht mehr mit Kritik auseinandersetzen, denn deren Niveau ist folgerichtig dem der eigenen Aussage nicht angemessen, kann also ignoriert werden. „Wäret ihr nur auf meinem Niveau, würdet ihr mich verstehen“…

  • Gut und schön, nur wird der Dreck nicht nur in eine Richtung geworfen. Ist man für Waffenlieferungen, damit die Ukraine sich verteidigen kann, ist man ein "Bellizist" und wird aufgefordert Panzer fahren zu lernen, um sich am Krieg beteiligen zu können.

    Vielleicht sollten beide Seiten nicht auf ihrem Absolutheitsanspruch beharren, dann wird ein womöglich ein Schuh draus.

    • @Jim Hawkins:

      ich lese im Originalbrief und auch in diesem Artikel nichts von Vorwürfen des Bellizismus.



      Und auch keinen Absolutheitsanspruch.



      Es geht darum, zu überlegen, ob für die Verhandlungslösung wirklich alles getan wurde, was möglich war.



      Am Anfang gab es Verhandlungen, die sehr schnell imSande verliefen.



      Kürzlich gab es eine Einigung, Getreidefrachter fahren zu lassen.



      irgendwo dazwischen gibt es vielleicht einen Funken Hoffnung, den man behutsam nähren muss, ohne dabei die gegenwärtige Lage aus dem Blick zu verlieren.



      Zu sagen: Wir geben der Ukraine keine Unterstützung, weil wir verhandeln wollen, wäre genauso falsch, wie zu sagen: Wir sind strikt gegen Verhandlungen, weil wir damit nicht auf den Status quo von vor 2014 kommen können.

      • @Herma Huhn:

        "Am Anfang gab es Verhandlungen, die sehr schnell imSande verliefen."



        Tja . . warum nochmal? Wer behauptet, sich kritische Gedanken zu machen, dabei sich noch als "namhafter Intellektueller" tituliert, sollte vor allem eines: sich kritische Gedanken machen!

      • @Herma Huhn:

        Doch, schon, gelegentlich war in den Kommentaren hier schon mal von „Bellizisten“ in abwertender Konnotation die Rede … umgekehrt aber auch von „Pazifisten“ - oder solchen, die dafür gehalten werden - denen unterstellt wurde, die Kriegsverbrechen der russischen Seite zu relativieren oder gar gutzuheißen. Und das Ganze auch noch auf persönlicher Ebene.



        Beides nicht schön … und auch nicht notwendig, um seinen eigenen Standpunkt klarzustellen.

      • @Herma Huhn:

        Mir ging es nicht um den Originalbrief, sondern um die Debatte an sich.

        Da scheinen mir die Ansichten doch ziemlich festgefahren zu sein.

        Auch wenn es nur die Äußerung einer Meinung ist, wäre es für mich etwa kaum verhandelbar, die Ukraine so zu unterstützen, wie das Land es nun mal möchte.

        Im Kampf einer totalitären Diktatur mit einer Demokratie bin ich auf Seiten der Demokratie.

        Was das Verhandeln angeht, da habe ich nicht den leisesten Hauch einer Ahnung, ob und wie da irgendetwas vorbereitet oder angedacht wird.

        Für meinen Geschmack liegt auch hier das Problem eher bei Russland und den durchgeknallten Äußerungen, die man von dort vernimmt.

        Ich kann mich an keine einzige auch nur halbwegs zivilisierte Äußerung aus dieser Richtung erinnern.

        Das macht die Sache nicht leichter.

  • "ein Aufruf von 21 namhaften Intellektuellen erschien (darunter auch meine Person)". Ich glaube, da gibt es einen sehr passenden Spruch in Sachen Eigenlob.

  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Natürlich ist das soweit richtig.



    Ich sehe das Problem jedoch darin, das Russland / Putin nicht zu Verhandlungen bereit ist. Es sei den er bekommt, was er will. Und das kann keine Verhandlungsgrundlage sein.



    Um Verhandlungen beginnen zu können, muss Putin/Russland militärisch und wirtschaftlich erst soweit mit dem Rücken zur Wand stehen, das sie nicht mehr anders können.



    Dann können diplomatische Lösungen gesucht werden.



    Und eventuelle dipl. Lösungen müssen militärisch untermauert werden, sonst funktioniert das mit Russland leider nicht. Ein Waffenstillstand oder "einfrieren", um dann Verhandlungen zu beginnen, wären immer ein Vorteil für Russland.



    Dies ist, so glaube ich , der Denkfehler in dem offenen Brief damals gewesen.