Hilfe, mein Kumpel wählt die AfD!: Keine Panik

Ihre Freundin aus dem Chor wählt AfD, auch Ihr Kumpel driftet nach rechts? Jetzt heißt es cool bleiben, Argumente sammeln und nicht draufhauen.

Ein Mann schreit

Ein Freund macht sein Kreuz bei der AfD? Keine Panik! Foto: spacejunkie / photocase.com

Jetzt sind es schon drei: Frank, Ute und Axel. Sie alle haben früher grün oder links gewählt, zuletzt aber bei der AfD ihr Kreuzchen gemacht. Wenn alte Kumpels nach rechts driften, stellt das die FreundInnen vor Probleme. Soll man die jahrzehntelangen Freundschaften, Bergsportgruppen, Musikabende auflösen? Ist es nicht gerade jetzt nötig, den Kontakt zu halten? Es ist ja nicht so, dass sie keine Argumente hätten. Die meisten haben sich auf irgendetwas fixiert.

Der Theoretiker

Axel ist 56 Jahre alt, Diplom-Soziologe, Familienvater. Er berät erfolgreich Dienstleistungsunternehmen. Er findet es gut, dass der EU-Gipfel vorgeschlagen hat, in Europa Lager für die Flüchtlinge zu errichten, aus denen heraus sie abgefertigt und dann verteilt werden sollen. Er ist auch dafür, Flüchtlinge schon in Nordafrika zu stoppen oder zurückzuschicken. Das Asylrecht stamme aus der Zeit des Kalten Krieges und sei „völlig ungeeignet, um das weltweite Gefälle in Wohlstand und Sicherheit abzumildern“, glaubt Axel.

Früher hat Axel grün gewählt, hasst aber heute die „Lebenslügen“ der Grünen und Linken, denn diese „wollen die Realität nicht so anerkennen, wie sie ist“, meint er. Die Sorge vor einer muslimischen Parallelgesellschaft hält er für „völlig berechtigt“. „Die Deutschen wollen immer die Guten sein, um für das Böse in der Nazizeit eine Art Sündenvergebung zu erlangen“, glaubt Axel, „das ist verlogen.“ Axels jüdischer Großonkel hat die Nazizeit nur durch Glück überlebt.

Heute würde Axel nicht mehr die AfD wählen, „wegen deren obskuren Personals“. Er findet jetzt den österreichischen ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz „authentisch und handlungsstark“ und schätzt an Horst Seehofer dessen „Mut zu unpopulären Vorschlägen“.

Der Besorgte

Frank, 66 Jahre alt, Hobbypianist, Politologe, jobbt in Teilzeit im Spätverkauf, weil seine Rente nicht reicht. Er ist in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen, war früher in Dritte-Welt-Läden aktiv und selbständig, aber finanziell nicht erfolgreich. Franks Thema sind die muslimischen Männer. Er hält es für einen „schweren Fehler“, „Hunderttausende von jungen arbeitslosen und wenig gebildeten muslimischen Männern“ ins Land gelassen zu haben. Jede Nachricht über Gewalt durch Geflüchtete gilt ihm als Bestätigung.

Die Vorstellung, man müsse durch das Asylrecht als Westeuropäer den Afrikanern helfen, weil sie ja auch durch unsere Exportwirtschaft und den Kolonialismus in Armut leben, findet er „absurd“. „Ich befinde mich selbst am Rande der Altersarmut“, sagt Frank, „warum muss ich mich da noch für irgendwelche Afrikaner verantwortlich fühlen?“

Frank wählte früher die SPD, dann die Linkspartei, zuletzt die AfD. „Auch wenn ich damit einen Tabubruch begehe“, sagt er, „aber die sprechen die wichtigen Sachen an.“

Die Grenzschützerin

Ute, 64 Jahre alt, wohnt in Brandenburg, Ex-Verwaltungsangestellte, ist Rentnerin und begeisterte Bergwanderin. Sie unterstützt seit Jahren engagiert eine schwerkranke, verarmte Freundin.

Ute findet: „Es wird viel Geld für die Flüchtlinge ausgegeben, aber um die Deutschen, denen es schlecht geht, kümmert sich niemand.“ Ute ist der Meinung, dass ein Sozialstaat „ohne Grenzen gar nicht funktionieren kann. Wenn jeder herkommen und Ansprüche stellen kann, ohne irgendwas eingezahlt zu haben, dann kann das nicht gehen. Jede Gemeinschaft braucht Grenzen.“ Sie wählte früher die Linkspartei, jetzt aber die AfD, „weil die sich mehr um die kleinen Leute kümmert“.

Bei den Rechtsdriftern fällt auf, dass sie von Linkspartei, Grünen oder SPD enttäuscht sind, weil die Parteien keine Lösungen anbieten können in der Flüchtlingsfrage und sich oft in moralische Allgemeinplätze flüchten. Das wiegt schwer, weil sich genau diese linksgerichteten Parteien ja sonst mit konsistenten Weltbildern präsentieren.

Was hilft im Umgang mit Rechtsdriftern?

1. Abwertungen vermeiden

Auch wenn es schwer fällt: Herabsetzungen, Vorwürfe, persönliche Angriffe helfen nicht. Respekt und Augenhöhe müssen sein wie bei jedem zerstrittenen Paar auch. Wenig hilfreich sind daher Sätze wie: „Die AfD! Die wählen doch nur Zonis, die einen Minderwertigkeitskomplex haben!“ Oder: „Die AfD! Wusste gar nicht, dass du im Alter sooo frustriert bist!“

2. Arbeit, Arbeit, Arbeit

Mit Rechtsdriftern zu diskutieren, bedeutet Arbeit: Informieren, argumentieren. Halten Sie immer Zahlen und Fakten bereit. Ja, Flüchtlinge und Migranten begehen Straftaten. Aber die Kriminalitätsraten von jungen Männern sind generell höher als in der Gesamtbevölkerung. Im Übrigen ist auch die rechtsextreme Gewalt ein Problem. Ja, es kamen 2015 und 2016 mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland. Aber im ersten Halbjahr 2018 ist die Zahl der Neuankömmlinge auf 82.000 Asylsuchende gesunken. Und nein, es stimmt nicht, dass Angela Merkel im Herbst 2015 die „Grenze geöffnet hat“. Die nationalen Grenzen innerhalb des Schengenraums waren immer offen. Sie hat lediglich im Herbst 2015 darauf verzichtet, die deutsche Grenze mit Gewalt zu schließen.

3. Einfache Lösungen in Frage stellen

Wenn Ihr Gegenüber Ihnen einfache Lösungen von AfD und CSU präsentiert, spielen Sie die Szenarien gelassen durch. Man könnte natürlich den abgelehnten Asylbewerbern in Deutschland alle Sozialleistungen streichen. Dann würden sie in Suppenküchen und Notübernachtungen landen, die Kriminalität würde steigen. Will man das? Und nein, man kann Flüchtlinge ohne Papiere nicht einfach in ihr Herkunftsland abschieben, wenn deren Identität nicht geklärt ist und es kein Rückübernahmeabkommen mit diesen Ländern gibt.

4. Üben Sie sich in der Kunst der Gegenfrage

Gegenfragen stellen ist wirksamer als moralische Vorwürfe. Angenommen, nordafrikanische Staaten würden viel Geld dafür bekommen, um Flüchtlinge mit Gewalt davon abzuhalten, nach Europa zu kommen. Wäre das erstrebenswert, wenn Verfolgte, Gefolterte, Kriegsflüchtlinge aus Diktaturen keine Chance mehr hätten auf Asyl in Europa und dessen wirtschaftsstärksten Staat Deutschland? Ist es gerecht, dass ärmere Länder viel mehr Flüchtlinge aufnehmen als wir?

5. Sachargumente und Parteianhängerschaft trennen

Lehnen Sie die Diskussion über Sachargumente ihres Gegenübers nicht von vorne herein ab, nur weil die Argumente auch von der AfD und CSU gebraucht werden. Damit trennen Sie Sachargumentation von der Parteianhängerschaft und das ist wichtig. Etwa so: „Selbst wenn einiges von dem stimmt, was du sagst, würde ich noch lange nicht die AfD wählen und mich auch nicht für die CSU erwärmen. Wer unablässig gegen Geflüchtete hetzt, wer über Abschiebungen witzelt, wer die Nazizeit als ‚Vogelschiss‘ bezeichnet, wer beklagt, dass wir ein Holocaust-Mahnmal mitten in Berlin haben, mit dem könnte ich mich nicht identifizieren.“

6. Die Wut umleiten

Bieten Sie Ihrem Gegenüber einen alternativen Kanal an für seine Wut. „Flüchtlingsfrage hin oder her, aber werden da nicht künstlich Sündenböcke aufgebaut? Wir reden nicht mehr über die Macht der Großkonzerne, der Superreichen, nicht mehr darüber, dass der teuerste Flüchtling der Steuerflüchtling ist. Die AfD und die CSU unterstützen ein Ablenkungsmanöver. Wir sollten aber auf die wirklichen Probleme schauen mit den hohen Mieten und Löhnen, die nicht für eine auskömmliche Rente reichen.“

7. Paradoxe Intervention

Sie können eine überraschende Wendung vollziehen und sagen: „Ich finde, die AfD hat ein zu negatives Deutschlandbild. Ist doch irre, zu was wir in Deutschland fähig sind. Wir haben eine Million Flüchtlinge aufgenommen und trotzdem Haushaltsüberschüsse. Die Zuwanderung ist eine Jobmaschine für Lehrpersonal, Bauwirtschaft, Verwaltungen. Die Rechtspopulisten malen alles zu schwarz. Ich finde, das hat Deutschland nicht verdient.“

Fazit

O. K., das ist krass. Aber einen Versuch ist es wert. Am besten haben in der praktischen Erprobung übrigens die Schritte eins, zwei und fünf funktioniert. Rechtspopulisten leben von der Spaltung der Bevölkerung. Sich nicht daran zu beteiligen, kann auch ein politischer Akt sein.

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