Tote Taube am Münchner Hauptbahnhof: Unterlassene Hilfeleistung
Die Deutsche Bahn untersagte Tierschützern die Rettung einer Taube. Sie muss aber Hilfe für Tauben in Not zulassen, fordert nun eine Petition.
Mitte Mai verfing sich eine Taube am Münchener Hauptbahnhof in 13 Metern Höhe in einem Taubenabwehrnetz – die Netze sollen Tauben davon abhalten, unter dem Dach zu nisten. Die Tierschützerin Monika Wölk entdeckte das um sein Leben kämpfende Tier und verständigte die Feuerwehr. Doch die Deutsche Bahn stoppte den Einsatz mit der Begründung, die Geräte der Feuerwehr seien zu schwer für den Bahnhofsboden. Eine Hubarbeitsbühne, so die Bahn, hätte es gebraucht, es sei aber keine verfügbar gewesen.
Wölk bestreitet dies: „Aus früheren Einsätzen weiß ich, dass die Deutsche Bahn in München zwei Hubarbeitsbühnen besitzt.“ Die Feuerwehr hätte diese bedienen können. Am Ende vergingen fünf Tage, bis das passende Gerät vor Ort war. Und erst an Tag sechs wurde die Taube geborgen – tot.
Tierschützerin Wölk hat deswegen mit vielen anderen eine an die Deutsche Bahn gerichtete Petition gestartet. Die Initiator:innen fordern darin ein „grundsätzliches Umdenken im Taubenschutz“ und schnelle Rettungsmaßnahmen, falls eine Taube in Not gerät. Wölk will, dass die Bahn die Netze sachgemäß aufhängt und regelmäßig wartet. Der auf Tierrecht spezialisierte Anwalt Eisenhart von Loeper stellte gar Strafanzeige gegen die Bahn. Sie habe sich „der unterlassenen Hilfeleistung, der Tierquälerei und der Tiernötigung schuldig gemacht.“
Kein Einzelfall
Laut Arne Brach (Grüne), dem Tierschutzbeauftragten des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, verfangen sich immer wieder Tauben in den Netzen, wo sie oft nach Tagen wegen Wassermangel und Erschöpfung verenden. 2019 hatte sich an fast der gleichen Stelle eine Taube verfangen. Damals ließ die Bahn die Rettung durch Tierschützer:innen zu. Auch in Linz haben sich vergangenes Jahr mehrere Tauben in Netzen verfangen und sind gestorben.
Nach Angaben der Deutschen Bahn wurde das betroffene Taubenabwehrnetz mittlerweile instandgesetzt, sodass sich kein Tier mehr dort verfangen könne. Nach Angaben von Monika Wölk stimmt das nicht. Außerdem habe sich die Deutsche Bahn immer noch nicht mit den Aktivist:innen getroffen, um den Vorfall aufzuarbeiten.
Petition fast am Ziel
Tauben sind intelligente Tiere. Japanische Psychologen konnten den Vögeln sogar beibringen, Bilder von Picasso und Monet zu unterscheiden. Mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit waren sie in der Lage, ein Bild einem der beiden Künstler richtig zuzuordnen. Und was ist mit Tauben als Krankheitsüberträger? Expert:innen bezweifeln, dass die Tiere diesbezüglich eine besondere Gefahr darstellen. Die meisten Krankheiten der Tauben können demnach nicht auf den Menschen übertragen werden.
Gut 9.000 Menschen haben die Petition mittlerweile unterschrieben. Falls die Marke von 10.000 Unterzeichner:innen erreicht wird, wird sie an den Oberbürgermeister von München übergeben. Dann können die Initiator:innen zusammen mit der Deutschen Bahn erarbeiten, was in Zukunft zu tun ist, wenn eine Taube auf dem Bahngelände in Not gerät.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld