piwik no script img

Studie zu MeinungsfreiheitGefühle sind keine Tatsachen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Auf den Satz „Man darf ja gar nichts mehr sagen“ folgen oft Salven ungefragter Meinungsäußerungen. Das ist ein Selbstwiderspruch – und blöder Quatsch.

Meinungsfreiheit in Deutschland ist ein hohes Gut Foto: Mona Alikhah/plainpicture

J etzt ist es auch bei meinen Freunden so weit: „Man kann heute nicht mehr sagen, was man denkt“, sagte ein Freund neulich bei einem zunächst wunderbaren Treffen. Wir saßen am warmen Kamin bei Kaffee und Kuchen, ein launiger Adventssonntag.

Doch dann kam der Freund mit diesem Satz um die Ecke. Er hatte ihn noch gar nicht zu Ende gesprochen, da leierte ich schon mit den Augen: Nein, bitte, nicht, nicht solche Debatten jetzt auch noch im Freundeskreis. Es reicht schon, wenn ich so was auf Social Media lesen und in der Straßenbahn hören muss. Und nun zeigt eine Umfrage der Meinungsforschungsinstitute Allensbach und Media Tenor, dass 44 Prozent der Menschen in Deutschland glauben, mit freien Meinungsäußerungen vorsichtig sein zu müssen.

Meine Freund:innen, da war ich sicher, marschieren in dem Trott unreflektierter Medien- und Politik-Kri­ti­ke­r:in­nen nicht mit. „Nicht dein Ernst, echt jetzt?“, fauchte ich den Freund an.

Er könne sich mit seinen Kol­le­g:in­nen nicht mehr offen über Flüchtlings-, Klima-, Bildungspolitik unterhalten, sagte er. Er legte sich mit ihnen bis vor kurzem über die Gen Z an, übers Autofahren, übers Gendern. Jetzt aber schweige er lieber. „Weil sie mich schneiden, wenn ich etwas sage, was nicht ihrer Meinung entspricht“, sagte er. Um dann hinterherzuschieben: „Aber ich werde trotzdem immer wieder sagen, was ich denke.“

Gefühlte Wahrheit und tatsächliche Realität

Ich leierte erneut mit den Augen und konterte: „Du widersprichst dir selbst und merkst es nicht einmal.“ Dieser Moment offenbart die Kluft, in der viele dieser selbstverordneten Lei­se­tre­te­r:in­nen – vermutlich komplett unbewusst – hängen: zwischen gefühlter Wahrheit und tatsächlicher Realität. Es mag so müßig wie nötig sein zu betonen, dass Meinungsfreiheit in Deutschland nicht nur ein hohes Gut, sondern verfassungsrechtlich gesichert ist. Wäre es nicht so bitter, könnte man laut lachen, wenn erneut jemand auf X, Facebook oder Instagram herausposaunt: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“

Der aktuelle Umfragewert, der eine Gefühlslage und keine Tatsachen widerspiegelt, steht in krassem Gegensatz zu den Zahlen von 1990: Kurz nach dem Mauerfall glaubten 78 Prozent der Menschen hierzulande, frei ihre Meinung äußern zu können.

Was ist los seitdem? Und vor allem: Was ist im Osten passiert?

Dort ist die Skepsis gegenüber dem freien Wort größer als im Westen. Müssten nicht gerade Ostdeutsche mit ihrer Erfahrung für laut geäußerte Kritik am einstigen Staat, am damaligen Regierungschef Erich Honecker, am kruden Überwachungssystem Meinungsfreiheit besonders wertschätzen?

Vergessen der eigenen Vergangenheit

Manch einer musste sich wegen eines unbedarften systemkritischen Witzes vor der SED-Parteileitung rechtfertigen, zahlreiche Dissidenten wanderten, bevor sie in den Westen abgeschoben wurden, zunächst in den Stasi-Knast.

Oder anders gesagt: Wenn es irgendwo keine Meinungsfreiheit gab, dann in der DDR. So wie sie es heute nicht in Russland gibt, nicht in Nordkorea, Iran, Afghanistan, China, Saudi-Arabien.

Ihre Vergangenheit haben viele Ostdeutsche offenbar vergessen. So wie nicht wenige Westdeutsche die Demokratie, die sie immer getragen hat, aktuell augenscheinlich geringschätzen. Die globale rechtsextreme Propagandamaschine, die über eigene Plattformen und über Social Media ungehindert senden kann, hat offenbar ganze Arbeit geleistet. Dem kann man vermutlich nur mit Meinungsfreiheit begegnen.

„Stell dich doch mal in Moskau auf den Roten Platz und ruf ganz laut: Putin ist Scheiße“, schlug ich meinem Freund vor. „Dann werde ich doch verhaftet“, sagte er. „Könnte schon sein“, sagte ich: „Dann reden wir noch mal über Meinungsfreiheit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

61 Kommentare

 / 
  • Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Mit Gefühlen wurde lange von Seiten der Grünen argumentiert, wenn es um Bahntrassen, Sendemasten etc. ging.



    Jetzt von andere Seite soll man sich an vermeintliche Tatsachen halten, aber bitte nur an die der eigenen Blase. Beispiele: Krümel nicht AKW Schuld sondern Inzucht, Harrisburg nachweislich 0 Tote, Pseudokrupp hatte nichts mit Produktion zu tun, ....



    Da wurde auch Jahrzehnte lang mit schlechtem/ ungutem Gefühl argumentiert.

  • Die Überschrift ist falsch: Gefühle sind eine Tatsache und sie sind mächtiger als unsere Vernunft, denn sie steuern, was überhaupt wohin ins Grosshirn zur bewussten Beurteilung gelangt!

  • Meinungsfreiheit ist 100% gegeben in diesem Land. Für mich unstreitig und täglich überall zu sehen, bzw. hören.



    Gesprächskultur und Wortwahl, zuhören können und Meinungstoleranz gepaart mit Respekt, Fokussierung auf Unterschiede anstatt Gemeinsamkeiten, Konsensfähigkeit, mal nicht das letzte Wort haben..... usw. Das ist das was fehlt, nervt, mangelt.... und verbessert werden könnte. Bei fast allen.

  • Leider ist die Haltung der Autorin auch ein Teil der giftigen Debattenkultur:



    „ Dieser Moment offenbart die Kluft, in der viele dieser selbstverordneten Lei­se­tre­te­r:in­nen – vermutlich komplett unbewusst – hängen: zwischen gefühlter Wahrheit und tatsächlicher Realität.“ Insbesondere mit der „Differenzierung“ von



    „Gefühlte Wahrheit und tatsächliche Realität“ wird das Feld des Politischen verlassen und der Diskussionsteilnehmer eher psychopathologisch betrachtet. Hierbei scheint die Autorin mit der Heftigkeit des Politischen ein Stück weit überfordert zu sein. Den die Begriffe Realität, Tatsache und Gefühl stehen nicht außerhalb des Politischen. Diskussionsteilnehmer als „realitätsfern“ zu „disqualifizieren“ heißt auch sich mit der Auseinandersetzung der Interessenskonflikte zu verweigern. Und das wäre höchst realitätsfern.

  • Selbstverständlich darf man fast alles sagen, selbstverständlich wird das auch dauernd getan. In Wirklichkeit bekommt man auch sehr selten Widerspruch, aber je seltener man ihn bekommt, umso skandalöser wird er scheinbar empfunden. Man glaubt sich in der Mehrheit, man wünscht sich auch Konsens, nur wird er verweigert. Der Punkt ist, dass die scheinbar bedrohte eigene Meinung in Wirklichkeit eben gar keine eigene Meinung ist. Sie ist weitgehend ein Massenphänomen der Abwehr. Gleichzeitig will man das aber auch nicht wahrhaben. Also wird der Reflex als Selbstgedachtes ausgegeben, die Gegenmeinung gilt als Konformismus und Opportunismus. Die größte Zier einer Meinung ist ja nun einmal ihre Bedrohung, folglich ist man selber ganz weit vorne, im Zweifelsfall auch originell, vor allem aber ehrlich. Aber: das Bedürfnis danach entspringt genau dem in Wirklichkeit vorhandenen Fehlen von Individualität. In Wirklichkeit haben wir einen Mangel an Meinung, an eigenem Nachdenken, an Beteiligung. Die ganzen scheinbar Entrechteten versammeln sich nur in einer Art Trotz.

  • Alles ist sagbar solange es im rechtlichen Rahmen stattfindet. Dem in diesem Rahmen gesagten ist es freigestellt zu widersprechen (im gleichen Verhältnis), aber das Gesagte muss ausgehalten werden.

    Wer das nicht kann oder will, sollte seine eigen psychische Verfassung prüfen.

  • Wenn allemal ein Viertel, wenn nicht ein Drittel der Gesellschaft sich nicht mehr an überprüfbare Fakten gebunden sieht, und neofaschlistische Agitation gedankenlos nachplappert, dann ist es wirklich so, dass "man" seine Meinung nicht mehr frei äußern kann.



    Denn man muss stets davon ausgehen, dass das Gegenüber zur "Alternativfakten"-Fraktion gehört.

    Fragen Sie mal Leute aus der Klimaforschung oder der Flüchtlingshilfe. Oder junge Feministinnen oder Transgender.

    Die müssen schon seit Jahren aufpassen, was sie sagen!

    • @Ajuga:

      Ähm ... zu den Fakten:

      Es sind laut Artikel nicht "ein Viertel3 (25%) oder "ein Drittel" (33%) der Gesellschaft, sonder 44 % der Menschen in Deutschland, die glauben, "mit freien Meinungsäußerungen vorsichtig sein zu müssen"

      Das diese 44% dabei "neofaschlistische Agitation gedankenlos nachplappern" ist eine Behauptung, die nicht auf Fakten beruht, ergo eine gefühlte Wahrheit.

      Der Vorwurf des Neofaschismus bestätigt wiederum wieso ein Klima der Vorsichtigkeit bei der öffentlichen Rede besteht.

  • Ach was! ©️ Vagel Bülow z 💯

    Sie erheitern mich immer wieder & hier eh 😇 lacht! 🎄🐮👼🫏 🎄

    “Ich leierte erneut mit den Augen und konterte: „Du widersprichst dir selbst und merkst es nicht einmal.“ Dieser Moment offenbart die Kluft, in der viele dieser selbstverordneten Lei­se­tre­te­r:in­nen – vermutlich komplett unbewusst – hängen: zwischen gefühlter Wahrheit und tatsächlicher Realität. Es mag so müßig wie nötig sein zu betonen, dass Meinungsfreiheit in Deutschland nicht nur ein hohes Gut, sondern verfassungsrechtlich gesichert ist.“

    kurz - Es mag so müßig wie nötig sein zu betonen - daß ein grundgesetzlich verbürgtes Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen - Meinungsfreiheit - ungeeignet ist - sich über’s Mißbehagen Dritter über gesellschaftliche Verwerfungen - zu recht oder unrecht bekundet - selbstgefällig ahnungslos zu erheben! Wer 🍎🍏 mit 🍐💡 - Gelle!



    In dem Sinne denn doch - 😇 lacht - 🎄 -

    unterm—— btw but not only —-



    Mit dem kl. Öffentlichen würd ich - glatt mit Nancy Faency - noch was warten - wa!

    • @Lowandorder:

      Sie haben natürlich recht. Der Wunsch, mit bestimmten Positionen nicht von z.B. Kollegen in eine bestimmte Ecke (ab)gestellt zu werden, hat mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nichts zu tun.



      Aber: Wer von Staat oder Gesellschaft verlangt zu garantieren, dass er/sie unwidersprochen (!) in der Öffentlichkeit seine/ihre Positionen vortragen kann, torpediert eben jenes Grundrecht, oder nicht?

      • @mats:

        Das ist situationsbedingt.

        Ein Nazi würde mit seinen Positionen sicherlich das Grundrecht, Demokratie und Menschenrechte torpedieren.

        Wenn ich aber meine Meinung dem Nazi so aufzwinge, dass er von seiner Ideologie abkehrt, mit Methoden der Aufklärung und sonstiger politischer Bildung, dann habe ich gefälligst vom Staat oder von der Gesellschaft unterstützt zu werden, damit sich ein drittes Reich nicht mehr wiederholt.

  • Ein bisschen lustig ist es schon, wenn die Autorin beschreibt wie sie auf Klagen, dass man nicht mehr offen sprechen könne, reagiert, indem sie ihn anfaucht. Ich wartete, in irgendwann im Text auf die Ironie eingegangen wird. Das habe ich scheinbar verpasst. Und die anderen, die hier kommentieren, scheinen das auch nicht zu sehen.



    Meinungsfreiheit bedeutet ohne Angst vor staatlichen Sanktionen, seine Meinung äußern zu können, woraufhin diese Meinung kritisiert werden darf. Das ist in Deutschland der Fall. Was der Freund aber vielleicht meinte, war, dass wir eine unschöne Gesprächskultur haben und uns etwas mehr Ambiguitätstoleranz gut täte. Wenn man also das Gegenüber nicht anfaucht, weil man die Einschätzung nicht teilt, sondern sich auf eine Debatte einlässt. Natürlich gibt es dabei rote Linien und grundsätzlich steht es jedem frei, nur noch Gespräche zu führen, bei denen man sich gegenseitig in der eigenen Meinung bestärkt. Ob das ändert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene sinnvoll ist, ist eine andere Frage.



    Und die Aussage zu Moskau ist so überzeugend wie konservative Feminismuskritik, die die Lage in Deutschland mit der Lage der Frauen unter den Taliban vergleicht.

    • @Iguana:

      "dass wir eine unschöne Gesprächskultur haben"



      Ich glaube nicht, dass das je anders war. In meiner Kindheit schon habe ich erlebt, wie Familienfeste durch Debatten über politischen Themen zu später Stunde geplatzt sind.



      Ich glaube eher, dass sich der Fokus von Engagement und Leidenschaft stark verschoben hat - und auch das, was die Mehrheit als "anständig" betrachtet. Menschen z.B., die früher mit ausländerfeindlichen oder sexistischen Aussagen in lockerer Runde punkten konnten, wird heute regelmäßig Kontra gegeben. Gerade Ältere fragen sich dann, warum nicht mehr richtig sein soll, was früher richtig war. Und schon ist die Erzählung von Ideologie und Umerziehung da. Und es stimmt ja auch: alle erziehen sich gegenseitig immer. Nur wenn es einen selbst trifft, fällt's einem plötzlich auf.

    • @Iguana:

      Ist mir auch entgangen, das mit dem Anfauchen. Hat vielleicht auch was mit sozialen Medien etc. zu tun. Die Autorin meint ja auch: "Es reicht schon, wenn ich so was auf Social Media lesen muss". Wenn man sich auf social media schon über Dinge aufgeregt hat, dann ist man erschöpft, und erwartet vom Freundeskreis eine entspanntere, das heißt gleichgesinntere Atmosphäre. Social media wirkt auch polarisierend, man weiß schon auf welcher Seite man steht, und das nimmt man mit ins reale Leben. Man braucht das Gespräch mit dem anderen nicht mehr, um sich eine Meinung zu bilden, man hat ja schon eine. Aber das ist auch nur eine Theorie.

  • "Müssten nicht gerade Ostdeutsche mit ihrer Erfahrung für laut geäußerte Kritik am einstigen Staat, ..."

    Richtiger Punkt.

    Ich habe mehrere ostdeutsche Kollegen, die sagen, dass es im Hinblick auf Moralismus sich deutlich in Richtung DDR bewegt.

    Nicht weil man wegen der falschen Meinung in den Knast kommt.

    Weil eine richtige Meinung im Alltag erwartet wird.

  • Natürlich darf (und kann) man auch heute noch sagen, was man denkt. Und natürlich muss man nachfolgend auch heute noch mit Kritik oder sogar Widerspruch rechnen.

    Wenn man allerdings heute unter Menschen, die dem "wahren Glauben" des Links-Grünen Spektrums anhängen, irgendetwas äußert, dass auf mangelnde "Frömmigkeit" schließen läst, dann ist die zu erwartende Reaktion bereits vorab bekannt. Das funktioniert, weil diese Form der "Kritik" ohne jeglichen Inhaltsbezug auskommt. Je nach Grad der "Ungläubigkeit" ist man dann irgendwas zwischen mindestens Rechts und Nazi.

    Die treffendere Beschreibung dieses Erlebens wäre darum: "Es macht heute oft keinen Sinn mehr, zu sagen, was man denkt."

    Um in eine solche Lage zu kommen, muss man nocht nicht einmal zwingend eine Meinung äußern. Es reicht manchmal schon eine als "ketzerisch" wahrgenommene Frage, weil die "Glaubensgrundsätze" eben nicht hinterfragt werden dürfen. Simples Beispiel geflällig? Der Beitrag hier ist mit "Gefühle sind keine Tatsachen" betitelt. Die Frage: "Was folgt daraus für gefühlte Identitäten?" Ziemlich sicher kann man in bestimmten Kreisen nicht darüber diskutieren.

  • Frau Schmollack hat den Satz ihres Freundes nicht verstanden, was sich insbesondere daran zeigt, dass der Freund sagte:

    „Man kann heute nicht mehr sagen, was man denkt“

    was Frau Schmollack im Titel und in ihrer energischen Widerrede zu einem

    „Man darf ja gar nichts mehr sagen“

    machte. Die beiden Sätze haben - soviel Semantik muss sein - einen ganz anderen Bedeutungsgehalt und deshalb geht die Kritik von Frau Schmollack - ob bewusst oder unbewusst - glatt am Bedeutungsgehalt der ursprünglichen Aussage vorbei.

    Ich denke, dass niemand (außerhalb verschwörungsesoterischer Kreise) bestreiten wird, dass man aufgrund der verfassungsrechtlichen Meinungsfreiheit alles sagen "darf" (mit Ausnahme von Beleidigungen und Volksverhetzungen). "Darf" in dem Sinne, dass es weder staatliche Zensur, noch staatliche (und hier ist das staatliche wichtig) Repression gibt.

    Das ist auch der Inhalt der Gegenrede von Frau Schmollack. Genau das meint man aber nicht, wenn man sagt, dass man nicht mehr alles sagen "kann".

    Denn der Freund sagt sehr genau, was er meint: Ein gesellschaftliches Klima der Einengung des Meinungskorridors durch "Schneiden" im persönlichen und De-Plattforming und Cancel Culture im öffentlichen Raum. Gern auch garniert mit dem üblichen "Shitstorm" und Aufrufen zu Gewalt im Realraum.

    Das es diese Tendenz gibt, und manche Menschen exakt diese - ausdrücklich - gesellschaftliche Repression gut finden zeigt der Nutzer Gunnar Grannis mit seinem Kommentar "Die Toleranz gegenüber rassistischen und sexistischen Äußerungen hat abgenommen - und das ist gut so! [...] Leute [...]müssen sich an die neuen Zeiten gewöhnen. Sie möchten ja auch selber nicht als „alter weißer Mann“ in eine bestimmte Ecke gestellt werden."

    Nochmal das ist keine Zensur oder staatliche Repression, aber so zu tun, als gäbe es keine gesellschaftliche Repression für gesetzlich legitime Meinungen, ist entweder naiv oder niederträchtig.

    • @Kriebs:

      anschließe mich - wennste halt nicht weißt - worüber de schreibst! Woll



      Dann - 😇 lacht - 🎄🐮👼🫏🎄 -

  • Es gibt nicht wenige in unserer Gesellschaft, die gern einen großen Bereich von Meinungsäußerungen aus der Öffentlichkeit verbannen möchte.



    Wer eine Illustration dazu braucht, gebe bitte in die Suchmaschine seines/ihres Vertrauens z.B.

    Grenzen sagbar site:taz.de

    ein und wundere sich über die lange Trefferliste.

    Das ist keine rechtliche oder naturwissenschaftliche, aber eben soziologische Tatsache.

    In einer offenen Diskussionskultur haben die Worte "sagbar" und "unsagbar" nichts zu suchen.



    Wer dem eigenen Standpunkt traut, wird ohnehin sagen: "Das ist Unsinn" oder "das ist verächtlich" - ohne sich auf selbst gezogene Grenzen berufen zu müssen.

  • Die Toleranz gegenüber rassistischen und sexistischen Äußerungen hat abgenommen - und das ist gut so! Leute die mit Menschenbildern aus der Kolonialzeit, der starken Rollentrennung zwischen Mann und Frau und der Strafbarkeit der Homosexualität aufgewachsen sind müssen sich an die neuen Zeiten gewöhnen. Sie möchten ja auch selber nicht als „alter weißer Mann“ in eine bestimmte Ecke gestellt werden.

    • @Gunnar Grannis:

      Die Frage ist natürlich nur, ob ein Begriff wirklich rassistisch und sexistisch ist (Tatsache), oder ob er bei manchen Menschen Gefühle verursacht, denen heute alles untergeordnet wird.

      Besonders gilt das für die Grammatik, es fühlen sich ja manche von der Anrede "Liebe Bürger" ausgegrenzt, obwohl es eine Tatsache ist, dass diese Anrede alle einschließt.

      • @Gorres:

        Grammatikalisch mag das richtig sein, trotzdem fühlen Frauen sich bei einer männlich gelesenen Anrede nicht mit eingeschlossen, zumal sie ja vor gar nicht so langer Zeit gar keine selbständigen Wahlberechtigten Bürger waren. Warum also nicht ein wenig Rücksicht nehmen und auf die Wünsche eingehen?

        • @Gunnar Grannis:

          Alle Frauen? Oder nur ein Bruchteil?



          In meiner "Blase" kenne ich eigentlich keine Frau, die sich z.B. durch das generische maskulinum ausgeschlossen fühlt...



          Ihr Kommentar beschreibt es ganz gut, egal welcher "Blase" man angehört, diese Meinung ist die Richtige und alle außerhalb müssen ebenfalls diese Meinung teilen, ansonsten sind sie rechts, links etc...wir habe definitiv verlernt miteinander zu sprechen und auch mal Gesagtes zuzulassen, auch wenn man es nicht mag.

    • @Gunnar Grannis:

      Was bin ich froh das wir diesbezüglich in unserer Firma keinen Codex haben. Obwohl wir eine supermoderne Firma in der Internet-Branche mit einer extrem bunten Belegschaft und allen Altersgruppen sind, darf jeder quatschen wie ihm der Schnabel gewachsen ist und keiner nimmt es krumm.

      • @Tom Tailor:

        Kann ich mir so richtig vorstellen wie man da bei N***rküssen und Lumumba zusammensitzt und sich nichts dabei denkt, andere denken sich aber schon etwas dabei!

        • @Gunnar Grannis:

          Winnetou vergessen.

  • Natürlich kann man alles sagen.



    Auch Kommentare der Taz sind hier das beste Beispiel. Konträr Meinungen sind im Rahmen absolut erlaubt und werden meist freigeschaltet.

  • "Müssten nicht gerade Ostdeutsche mit ihrer Erfahrung für laut geäußerte Kritik am einstigen Staat, am damaligen Regierungschef Erich Honecker, am kruden Überwachungssystem Meinungsfreiheit besonders wertschätzen?"

    Man könnte die Frage auch anders stellen. Und zwar: Müssten nicht gerade Ostdeutsche mit ihrer Erfahrung für laut geäußerte Kritik am einstigen Staat nicht besonders sensibel sein für Cancel Culture und die teilweise massive Desavouierung anderer Meinungen?



    Vielleicht gewöhnen wir uns den Wessi-Blick einfach einmal ab.

    • @Rolf B.:

      Danke für dieses Kommentar!

      "Man könnte die Frage auch anders stellen. Und zwar: Müssten nicht gerade Ostdeutsche mit ihrer Erfahrung für laut geäußerte Kritik am einstigen Staat nicht besonders sensibel sein für Cancel Culture und die teilweise massive Desavouierung anderer Meinungen?"

      Danke, genau dies ist auch meine Erfahrung: Ostdeutsche scheinen oft aufgrund ihrer Biographie noch wesentlich sensibler und hellhöriger, was Nachrichten angeht und können noch eher zwischen den Zeilen lesen und stellen Dinge in Frage.



      Es ist einfach ein Irrtum zu glauben, etwas sei ungefragt als richtig zu erachten, nur weil es von Regierungsseite oder von seriösen Medien kommt, was sich gerade bei Westdeutschen nach 70 Jahren Stabilität eingeschlichen hat.

      Da war so mancher Aphoretiker oder auch Zyniker wie beispielsweise ein Mark Twain mit seinen Kommentaren zu dem Wahrheitsgehalt von Zeitungen schon wesentlich weiter.



      Immer prüfen, immer hinterfragen, das macht einen mündigen Bürger aus und ist ein Zeichen von Verantwortung und Reife und eben gerade nicht Anlass, die Betreffenden als suspekt zu bezeichnen.

      • @Werner2:

        "was sich gerade bei Westdeutschen nach 70 Jahren Stabilität eingeschlichen hat."

        Wenn das stimmt, dann würde man unter allen Regionen der Alt-BRD im Ruhrpott oder im Saarland oder evtl in Bremen die Hochburgen des christlichen Fundamentalismus finden, des Reichsbürgertums, der Covidiotie, des neofaschistischen Terrorismus, der Kontrafaktizität.

        Man findet aber all das in Schwaben - im stabilsten, bräsigsten, biedersten, saturiertesten, Kehrwochen-und-Häuslebauer-Teil der Alt-BRD schlechthin!

        Wir haben es hier also mit 2 grundverschiedenen Phänomenen zu tun:



        im "Osten" die Desavouiertheit und der Politikzynismus der Wendebetrogenen,



        und im "Westen" die psychotische Abstiegspanik der Wohlstandsverwahrlosten, deren Wohlstand auf nun nicht mehr machbarem Raubbau der globalen Ressourcen basierte.

        Und diese beiden im Ursprung völlig unterschiedlichen Strömungen treffen sich dann in der Antidemokratie, im Hand zu Wahnideen, in der Suche nach politischer Erlösung/Erweckung/Katharsis, und in der Fakten-Meinungs-Äquivalenz.

        Nicht wesentlich anders war es in den Jahren ab 1926, wo sich eine informelle Allianz aus reaktionär-profaschistischen Altmonarchisten und der nazistischen Avantgarde der "Generation Kriegsabitur" bildete, also aus völlig unterschiedlichen Demographien mit weitgehend *konträren* Lebenserfahrungen, die nur in der Ablehnung des Hier und Jetzt vereint waren.



        Die Folgen sind in jedem Geschichtsbuch nachzulesen.

        • @Ajuga:

          Wahnsinn, wie sehr ich missverstanden werden kann.



          Nichts von dem, was Sie da suggerieren habe ich behauptet.

          Es geht nicht um "Wendebetrogenen" als Erklärung für mehr Nachfragen und Kritik der Ostdeutschen, sondern ich meinte die Erfahrung, die sie in einem totalitären Staat gemacht haben, Propaganda inclusive.

          Und nein, eine Regierung in Frage zu stellen ist NICHT antidemokratisch, sondern es ist ein Merkmall einer Demokratie, dass aufgrund der Gewaltenteilung die Regierung sich immer wieder sehr unbequeme Fragen gefallen lassen muss.



          Wenn Sie das als Grundelement von Demokratie und Pluralismus wirklich nicht verstanden haben... wer ist dann in Wirklichkeit antidemokratisch (wenn ich einmal so ganz gemein antworten darf)

  • "Auf den Satz „Man darf ja gar nichts mehr sagen“ folgen oft Salven ungefragter Meinungsäußerungen"

    Bereits dieser Aufmacher ist ein Widerspruch in sich. Kann oder will man/frau hier nicht erkennen, dass der Absender dieser These ganz unterschiedliche Situationen skizziert: zum einen das immer noch persönliche Gespräch unter Freunden - zum anderen ein Gespräch in der Öffentlichkeit, sei es beim Friseur:In oder unter Kollegen.

    Auch ich empfinde es ganz genauso, und stehe damit nicht alleine. Siehe das ausgezeichnete Buch von Rainer Mausfeld "Das Schweigen der Laemmer", in dem er sehr schoen skizziert, wie immer mehr Bereiche, gerade auch auf der linken Seite aufeinmal als Tabu erscheinen.

    Und wenn ich als Wissenschaftler die wissenschaftlichen Behauptungen anderer in Frage stelle, will ich nicht als "XZY Leugner" bezeichnet werden, nur weil der andere meint, im Recht zu sein und das vermeintlich moralisch höhere Terrain zu behaupten.

    • @Werner2:

      "Auch ich empfinde es ganz genauso, und stehe damit nicht alleine. Siehe das ausgezeichnete Buch von Rainer Mausfeld "Das Schweigen der Laemmer", in dem er sehr schoen skizziert, wie immer mehr Bereiche, gerade auch auf der linken Seite aufeinmal als Tabu erscheinen."

      Sie sollten sich aber mal schleunigst mit dem politischen Hintergründen und Vernetzungen von Herrn und vor allem Frau Mausfeld beschäftigen!

      Das ist keine selbstlose Volksaufklärung, sondern dahinter steckt selbst die zensorische Agenda des Putinfaschismus und der Neoreaktionären.

    • @Werner2:

      Stimmt. Außerdem wiegt der Vorwurf der "ungefragten Meinungsäußerung" verletzender als jedes noch so harte Verbot. Ich vermute, die Studie trägt dieser psychologischen Trivialität genauso wenig Rechnung wie dem Interpretations-verzerrenden Phänomen der sozialen Erwünschtheit. Das einzige, was ich besagter Studie entnehmen kann, ist eine zunehmende Unlockerheit.

    • @Werner2:

      Komisch, dass Sie das hier sagen durften. Darf man doch gar nicht!

      • @dites-mois:

        Wie kommen Sie auf die Idee?



        Ich habe zwischen zwei unterschiedlichen Settings unterschieden. Ich verorte mein Kommentar aber im zweiten, öffentlichen. Das merken Sie auch an meiner sehr vorsichtigen Ausdrucksweise.



        So langsam finde ich dieses unlogisch sich im Kreis Drehen, bei dem sich einige die Aussagen anderer immer so hinbiegen wie gerade gebraucht, sehr bemerkenswert.

  • "Gefühle sind keine Tatsachen"



    Ein wahrer Satz, und so gelassen ausgesprochen.



    Wenn das jetzt alle bedenken würden...

    • @Encantado:

      Ja, aber Gefühle haben heutzutage immer nur die anderen.

      Während man selbst natürlich eine Wahrnehmung hat, für die man Expertin ist und in der Empfindungen wichtig sind.

  • Es ist eigentlich ganz simpel: Die Meinungsfreiheit ist verfassungsrechtlich gesichert und man muss mit keinen politischen Maßnahmen rechnen, wenn man vermeintlich unbequeme Meinungen äußert.

    Gesellschaftlich sieht die Lage allerdings anders aus. Wir leben in einer extrem hysterischen Zeit (was man übrigens auch an der Reaktion der Autorin gegenüber dem Freund erkennen kann) und die Gesellschaft lässt vielen Leuten ihre Meinungen nicht durchgehen. Man muss(te) mit gesellschaftlicher Ächtung und Stigmatisierung rechnen, wenn man zB bei der Asyl- oder Coronapolitik von der öffentlichen Meinung abgewichen ist.



    Das geht bis zur Zerstörung der Existenz, indem Kampagnen gegen einzelne Personen auf Social Media gefahren worden sind.

    Das ist also ein gesellschaftliches Versagen und kein Politisches.

    Ich habe aber auch den Eindruck, dass sich das momentan wieder verschiebt. Es wird hier oft vom "Rechtsruck" geschrieben. Mein Eindruck ist eher, dass nun wieder Ansichten gehört und auch von der CDU z.B. aufgegriffen werden, die vorher stigmatisiert worden sind.

  • Gefühle sind in sofern Tatsachen, als dass Sie uns warnen und uns aufmerksam machen sollen auf Gefahren oder Probleme. Und dann schaut man, ob diese real sind.



    Ja, Meinungsfreiheit ist in D verfassungsrechtlich geschützt. Soweit die Theorie. Aber es geht doch darum, ob das was in der Verfassung steht, auch im Alltag gelebt wird. Und beispielsweise genau Ihr herablassendes "Augenleiern, Frau Schmollack, trägt wohl zu diesem Gefühl bei, dass es in der Praxis nicht so ist. Und das ist unser aller ganz reales Problem.

    Und was ist im Osten los, fragen Sie sich? Meines Wissens wurde die Wende im Osten nicht nur als große Heldentat des Westens wahrgenommen. Und wenn man mal nicht von oben herab auf die Ossis guckt, die einfach noch nicht verstehen, was Freiheit ist, dann könnte man vielleicht auch auf die Idee kommen, dass es gerade diese Menschen sind, die eine besondere Sensibilität für einen sich im praktischen Alltag verengenden Meinungskorridor haben. Muss nicht, kann...

    • @Maria Reese:

      OK, mit den Augen rollen, weil genervt von der Blödheit einer Aussage, ist also Redeverbot, Cancel Culture, Einschränkung der Meinungsfreiheit? Wären "die Ossis", wie hier mehrfach herbeifantasiert, so "sensibel", würden sie sich wohl eher freuen, wären sie in der DDR einfach nur "herablassend" für unerwünschte Gedanken behandelt worden.

  • > „Stell dich doch mal in Moskau auf den Roten Platz und ruf ganz laut: Putin ist Scheiße“, schlug ich meinem Freund vor. „Dann werde ich doch verhaftet“, sagte er. „Könnte schon sein“, sagte ich: „Dann reden wir noch mal über Meinungsfreiheit.“

    Gerüchte besagen, dass die Polizei auch hier in Deutschland anklopft, wenn man jemanden "Pimmel" auf Twitter nennt.

  • Ausgenommen sind Studierende einer SozPäd-Schule in Balin, die kein Spanisch können, aber Gedichte verurteilen, die sich nicht lesen können. Und warum? Wg. sonem komischen *Gefühl* im Bauch, wie die Dekanin mitteilte. Das müsse man respektieren. Kling nach Wokegerichtshof.

  • Danke für den Artikel! Nach meiner Beobachtung verwechseln die vermeintlichen Verbotsopfer Widerspruch mit Verbot. In Wirklichkeit wollen sie Zustimmung. Stellt man kritische Fragen oder äußert eine andere Position wird das als "Diktat" missverstanden. Als Opfer kann man sich auch kuschelig einrichten und Kritik abwürgen. Leider ist diese Haltung sehr gefährlich, da die für Demokratie wichtige Diskussion so nicht möglich ist. Ich setze dem gerne entgegen: "Man wird sich doch noch streiten dürfen!"

    • @Sisyphos:

      Erlebe ich genau anders herum.

      So, wie es auch Frau Schmollack schildert: Sie leierte mit den Augen und fauchte den Freund an: „Nicht dein Ernst, echt jetzt?“

      Kritische Fragen sehen einfach anders aus.

      Die Russland-Argumentation von Frau Schmollack führt in die Irre, weil es ja nicht um ein gesetzliches Verbot, sondern um gesellschaftliche Tabuisierung geht.

      Ich bin persönlich hart im Nehmen, verkneife mir Frau Schmollacks Reaktion und komme durch Nachfragen recht schnell in eine Diskussion.

      Die Leute haben nämlich meist Redebedürfnis.

      Wenn man es schafft, bei seiner (Gegen-)Meinung zu bleiben, ohne den anderen abzuwerten, ist das viel.

      Mehr als Tabuisierung, wenn Sie mich fragen.

    • @Sisyphos:

      Es gibt Widerspruch und Widerspruch, der dem Widersprochenen die Würde nimmt. Zu letzterem gehören Kommentare wie "Typisch, dass du als Mann so kommentierst - hier werden mal wieder die AfDler getriggert - Ewiggestrige und Leute, die den Schuss nicht gehört haben - Ich melde mich bei Deinem Arbeitgeber - Boykottiert sie, denn sie ist transphob" usw usf.

  • Hallo Frau Schmollack, bis vor Kurzem hätte ich Ihnen mit Ihrem Kommentar noch zugestimmt. Die Erfahrungen der vergangenen Wochen, in denen kritische Stimmen in Bezug auf die Politik der Netanjahu-Regierung als "antisemitisch" kriminalisiert wurden (d. h. es passiert mehr als nur Widerrede: Beispiel: Unter Juristinnen und Juristen war bislang umstritten, ob der Slogan vom Fluss und vom Meer usw. tatsächlich und ausschließlich das Existenzrecht Israels bestreite. Nach der Entscheidung von Innen-Nancy tut er dies jetzt ohne Wenn und Aber...), lassen mich aber zweifeln.

    • @Jörg Levin:

      Na ja, jedenfalls macht die inflationäre Denunzierung von tatsächlichem und vermeintlichem Antisemitismus diesen Vorwurf letztendlich derart belanglos, dass echte Antisemiten hierzulande leicht unterm Radar fliegen können. Sie können sogar andere des Antisemitismus bezichtigen, die nicht ihr rechtes Weltbild teilen. Feuer legen, um dann nach der Feuerwehr zu rufen.

  • "Gefühle sind keine Tatsachen"

    Ach was? Das sehen aber diverse Artikel wie dieser aber ganz anders:



    taz.de/Diskriminie...7579&s=definieren/

    (Nicht das ich irgendwelche Sympathien für die „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“-Fraktion habe, aber der postmoderne Antirassismus argumentiert halt nicht einen Deut intelligenter...)

    • @DasEndeallerHoffnung:

      Und was genau ist jetzt Ihre Kritik an dem Beitrag? Wo genau sehen Sie da "gefühlte Wahrheiten" die als Fakt verstanden werden wollen?



      Ich habe eher das Gefühl, dass Sie hier gefühlt Antirassisten etwas unterstellen wollen.

      • @Jan Berger:

        Ich habe wiederum das Gefühl, dass Sie gefühlten Antirassisten sofort gegen nicht geäußerte Kritik in Schutz nehmen wollen.

        So ist das mit Gefühlen.

    • @DasEndeallerHoffnung:

      Es kommt immer drauf an, um wessen Gefuehle es sich dreht, oder wer Opfer ist.

      Zur Meinungsfreiheit:



      Ja, bei uns kommt man in der Regel nicht in den Knast wenn man seine Meinung kundtut, da hat die Autorin vollkommen Recht.

      Nur, in der DDR war das auch nicht immer der Fall. Dort wurde die Meinungsunfreiheit viel perfider unterbunden, unter anderem mit Schwarze Listen, Druck auf den Arbeitgeber, Einschuechterung und uebler Nachrede.

      Offensichtlich sind 44 Prozent der Meinung, dass diese anderen Methoden der Meinungsunterdrueckung nicht mit der DDR verschwunden sind.

    • @DasEndeallerHoffnung:

      Was beschweren sie sich. Fast alle Kommentare durften doch behaupten und selbst festlegen wann POC sich diskriminiert fühlen dürfen und wann nicht. Das wurde auch noch in der taz veröffentlicht.

    • @DasEndeallerHoffnung:

      'Dabei, sagt Della, gehe es gar nicht darum, zu entscheiden, ob sich jemand zu Recht diskriminiert fühlt oder die Person gar zum Nachweis aufzufordern. Wichtig sei, ihr zuzuhören und zur Kenntnis zu nehmen, wie etwas bei ihr angekommen ist. „Dann kann ich dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt.“'

      • @Matt*Rix:

        "Dann kann ich dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt". Eine andere Option gibt es nicht. Dass man ein und den selben Sachverhalt unterschiedlich bewerten kann, kommt nicht vor. Ausschlaggebend ist das Gefühl des Betroffenen, und daraufhin MUSS sich das Verhalten der Person, der Diskriminierung vorgeworfen wird, ändern. Das subjektive Gefühl wird dabei als Messlatte verwendet, und explizit nicht der objektive Tatbestand ("gehe es gar nicht darum, zu entscheiden, ob sich jemand zu Recht diskriminiert fühlt"). Übertragen auf die Debatte um Meinungsfreiheit würde das bedeuten, es ist nicht entscheidend, ob jemand tatsächlich in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Entscheidend ist, ob er das Gefühl hat, seine Meinung nicht sagen zu können, und wenn das der Fall ist, muss derjenige, dem vorgeworfen wird, die Meinung des anderen eingeschränkt zu haben, sein Verhalten ändern.

    • @DasEndeallerHoffnung:

      Die Tatsächlichkeit von Gefühlen ist eben immer zu kontextualisieren, ne?

  • Es ist doch klar, was ihr Freund meint: Der Meinungskorridor hat sich gerade in bestimmten Kreisen verengt. Man "darf" natürlich theoretisch seine Meinung sagen, aber bestimmte Äußerungen werden als inakzeptabel angesehen und man wird in der Folge geschnitten. Oder riskiert einen online einen Shitstorm. Und dann äußert man sich eben lieber nicht bei bestimmten kontroversen Themen, obwohl die Meinung verfassungsrechtlich vollkommen unbedenklich und auch legitim ist.

    Das ist nicht nur ein "Gefühl", dass viele Menschen haben.

    • @gyakusou:

      "Das ist nicht nur ein "Gefühl", dass viele Menschen haben."

      Oder etwa doch? Wen interessiert schon, was der Meinungskorridor "in bestimmten Kreisen" ist. Was ist mit dem allgemeinen Meinungskorridor? Hat der sich verengt, und wenn ja in welche Richtung? Es gibt da widersprüchliche Signale, auf der einen Seite ist es beispielsweise heute akzeptabel, über die Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien nachzudenken, was früher einigermaßen unmöglich gewesen wäre. Die Kabarett-Szene hat sich insgesamt ziemlich nach rechts bewegt (was auch eine Alterserscheinung sein könnte). Auf der anderen Seite gibt es PC-Regeln, die es in der Form früher nicht gab, und linke Ideen haben Einzug in die Alltagskultur gefunden. Man müsste das mal soziologisch untersuchen, also nicht was die Betroffenen meinen, sondern was wirklich passiert, denn: Gefühle sind keine Tatsachen.

      • @sonicprisma:

        Die Kabarett-Szene hat sich nach rechts bewegt? Okay, Dieter Nuhr, Simone Solga, Lisa Fitz und Monika Gruber. Aber nur Dieter Nuhr hat eine Sendung beim ÖRR. Dem gegenüber stehen Jan Böhmermann, Oliver Welke, Carolin Kebekus, Christian Ehring, Sebastian Pufpaff, Sarah Bosetti, Florian Schröder, Claus von Wagner und Max Uthoff. Ich kann da keinen allgemeinen Rechtsruck erkennen.

      • @sonicprisma:

        Kann es nicht sein, dass sehr viele Menschen mittlerweile Schwierigkeiten damit haben, andere Meinungen zuzulassen und war auch unterscheidet ist der Inhalt, aber nicht der Grad an Unterschied zwischen der eigenen Meinung und der der anderen, die wir akzeptieren können?