Strafverfolgung der Letzten Generation: Die Hilflosigkeit des Staates
Gegen die Letzte Generation wird wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Losgetreten wird damit eine Eskalationsspirale.
E rst vergangenes Jahr hat das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung bescheinigt, dass sie in einer ihrer elementarsten Aufgaben versagt – die durch die Klimakrise bedrohten Lebensgrundlagen der Bürger:innen zu schützen. Doch offenbar denkt die Ampelregierung nicht einmal daran, sich auf den Hosenboden zu setzen und ihre Hausaufgaben zu machen.
Stattdessen schlägt die Staatsgewalt nun gegen jene zu, die die Regierung an ihr Versagen erinnern: Die stets vollständig friedlich agierenden Aktivist:innen der Letzten Generation.
Quer durch die Bundesrepublik wurden am Montagmorgen elf Wohnorte von Aktivist:innen durchsucht. Der Vorwurf: Die Gründung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129. Das in der linken Szene traditionell als „Schnüffelparagraf“ bekannte Gesetz ist eines der schärfsten Repressionsmittel des Staates.
Es erlaubt den Behörden, unliebsame politische Gruppierungen umfangreich zu überwachen. Sollte sich der Verdacht wider Erwarten erhärten, könnte künftig schon die reine Unterstützung und Mitgliedschaft in der Letzten Generation eine Straftat darstellen.
Zwischen den Zeilen war der Schritt bereits auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember angekündigt worden. Die politische Motivation des Verfahrens ist deshalb offensichtlich. Inhaltlich ist die Einstufung jedenfalls Unsinn. Stets kündigen die Aktivist:innen ihre Aktionen mit Klarnamen an und verhalten sich friedlich. Sitzblockaden, das hauptsächliche Mittel der Gruppe, sind wohl kaum besonders schwere Straftaten – die für eine Anwendung des Paragrafen aber notwendig sind. Auch das Abdrehen von Pipelines kann wohl nicht entsprechend gewertet werden.
Staatsgewalt befeuert Teufelskreis
Das Vorgehen entblößt deshalb in erster Linie nur die Hilflosigkeit des Staates. Die Letzte Generation soll so eingeschüchtert werden, dass sie ihre Aktionen einstellt. Die bittere Ironie ist: Losgetreten wird damit nur eine weitere Eskalationsspirale. Denn natürlich werden die Aktivist:innen ihre Aktionen nicht einstellen. Stattdessen ist damit zu rechnen, dass sich weitere Menschen mit der Gruppe solidarisch erklären, weil sie zu Recht befürchten, dass es auch sie betrifft, wenn Klimaaktivismus und ziviler Ungehorsam kriminalisiert werden.
Das Protest-Quartett
Dem Staat bleiben dann nur zwei Optionen: Einknicken oder noch härter durchgreifen. Letzteres würde einen Teufelskreis bedeuten. Ersteres lediglich, zu tun, was die Gruppe fordert – und ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. Das Tempolimit ist die naheliegendste Reform, die es in der Klimakrise überhaupt geben kann. Für das Limit gibt es sowohl eine Mehrheit in der Bevölkerung als auch in der Bundesregierung. Wollen insbesondere die Grünen irgendeine Form von Glaubwürdigkeit behalten, müssen sie deshalb jetzt intervenieren – und so eine weitere Eskalation verhindern.
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