Spitzentreffen zur Migration: Kein Mittel gegen Rechtsruck
Es ist ein Irrglaube, mit Härte in der Asylpolitik die AfD schwächen zu können. Stattdessen gilt es, veränderte Strategien voranzutreiben.
![Zwei Demonstrantinnen in Solingen fordern direkte Demokratie und Remigration Zwei Demonstrantinnen in Solingen fordern direkte Demokratie und Remigration](https://taz.de/picture/7222869/14/36261008-1.jpeg)
H ört man denen zu, die dieser Tage die politische Debatte beherrschen, ist die Welt schön einfach. Egal, ob es um islamistischen Terror geht, um die Bedrohung von rechts oder um seit Jahren kaputtgesparte soziale Infrastruktur quer durch das Land – schuld sind die Geflüchteten. Und entsprechend ist die Welt wieder in Ordnung, wenn man Menschen auf der Flucht nur möglichst rigoros den Schutz versagt und jenen, die schon hier sind, das Leben zur Hölle macht.
Ein erster Gipfel im Bundesinnenministerium (BMI) mit Vertreter*innen von Ampelkoalition, Ländern und Union blieb vorerst ohne konkrete Ergebnisse. Es seien „offene und konstruktive Beratungen“ gewesen, heißt es aus dem BMI. Man wolle nun Dinge „rechtlich prüfen“. Doch schon vorab war die Liste der Schikanen, die nicht nur die Union fordert, lang – und die Innenministerin signalisierte „maximale Offenheit für alle Vorschläge“.
So einiges hat die Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach dem islamistischen Anschlag von Solingen ohnehin schon umgesetzt. Etwa den ersten Abschiebeflug nach Afghanistan, seit der frühere CSU-Innenminister Horst Seehofer diese wegen der Sicherheitslage im Land 2021 aussetzte. Oder dass es keine Leistungen mehr geben soll für Menschen, deren Asylverfahren eigentlich anderswo bearbeitet werden sollen.
Die Union will mehr: einen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan und Zurückweisungen an der Grenze, ohne den Fall eines Menschen überhaupt zu prüfen. Der Deutsche Landkreistag hat noch mehr Ideen, etwa: Kein Asylrecht für jene, die sich nicht ausweisen können – Pech für jene, die auf der Flucht vor Bomben und Terror ihren Pass verlieren.
Es ist wie ein Rausch: Politiker*innen versuchen, realen Problemen mit noch und noch mehr Scheinlösungen zu begegnen. Im August sollte die Härte in der Asylpolitik der Bekämpfung von Islamismus dienen. Gleichzeitig sollte sie Menschen davon abhalten, in Sachsen und Thüringen die AfD zu wählen. Trotzdem taten genau das über 30 Prozent der Wähler*innen in beiden Bundesländern. Es wäre der längst überfällige Moment gewesen, um innezuhalten und sich zu fragen: Geht diese Strategie auf? Aber nein, Ampel und Union sind sich einig: Der Kurs war bloß noch nicht hart genug.
Weit über 20 Asylrechtsverschärfungen gab es in Deutschland seit 2014. Statt rechtsextreme Positionen zu marginalisieren, sind sie so normalisiert wie lange nicht mehr. Es ist eine Politik, die den gesellschaftlichen Diskurs im Land vergiftet – und Menschenleben gefährdet. Während das Land über Menschen aus Afghanistan und Syrien pauschal als Bedrohung für die innere Sicherheit spricht, schlagen vier Unbekannte in Sachsen-Anhalt auf eine Frau aus Afghanistan ein.
Es sei „wieder Zeit“ für einen Asylkompromiss wie den von 1993, fordert die Union. Damals schaffte eine breite politische Mehrheit das Grundrecht auf Asyl durch Grundgesetzänderung faktisch ab. Auch damals glaubte man, dem Rechtsruck durch Rechtsruck begegnen zu können. Kurz vor der Abstimmung tobte und brandschatzte der rassistische Mob vor dem Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen. Kurz nach der Abstimmung wurden fünf türkischstämmige Frauen und Mädchen bei einem Brandanschlag ermordet. In Solingen.
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