SUV überfährt Passantinnen in Nürtingen: Tödliches Recht auf Tempo
Wieder sind Menschen durch ein SUV ums Leben gekommen. Technisch wäre es längst möglich, tödliche Unfälle wie diesen zu verhindern.
Z wei junge Frauen werden brutal aus ihrem Leben gerissen. Man muss das genau so formulieren, nach einem Unfall wie diesem in Nürtingen in Baden-Württemberg. Ein SUV-Fahrer ist mit seinem übermotorisierten Kastenauto ungebremst rund 35 Meter über einen Bürgersteig gerast. Und es stellt sich wie immer nach solchen Unglücken die Frage der Trauernden: Warum?
In diesem Fall ist die Antwort einfach – brutal einfach. Weil es geht. Weil die Autoindustrie kantige Kisten mit extrahoher Front bauen darf, damit sich die Fahrer:innen darin noch sicherer fühlen. Auf Kosten der Passant:innen. Weil es für die Käufer:innen ein erhebendes Gefühl ist, in einem SUV über den Dingen zu schweben. Weil es die Werbung vermag, diese Sprit schluckenden Monster als egoaufpustendes Sportgefährt für die ganze Familie zu vermarkten. Weil die Käufer:innen genau deshalb Zehntausende Euro auf den Tisch legen. Vor allem aber, weil sie alle in diesem Wahnsinn niemand bremst.
Dabei wäre es technisch längst möglich, Autofahrer:innen automatisch auszubremsen, die sich – gewollt oder ungewollt – nicht an ein Tempolimit halten. Die sogenannten Speed Limiter, die ab Juli endlich bei jedem neuen Fahrzeug Pflicht sein werden, könnten das locker erledigen. Sie könnten dafür sorgen, dass Autos von ganz allein innerorts nie schneller fahren als die erlaubten 50 km/h. Auch wenn der Fahrer (ja, das „innen“ kann man hier in den meisten Fällen weglassen), sei es nach einem epileptischen Anfall oder einem Anfall von tempoberauschter Egomanie, das Gaspedal gedrückt hält. Dumm nur, dass die Autoindustrie auf EU-Ebene so stark lobbyiert hat, dass die Speed Limiter einfach per Druck aufs Gaspedal umgangen werden können.
Eigentlich wäre das ein wunderbares Kampagnenthema für Ordnungsfanatiker von rechts. Weil hier massenhaft Regeln gebrochen werden. Weil überwiegend „unsere“ Frauen, Kinder und Alten getötet werden. Weil es eine einfache technische Lösung gäbe, um die notorischen Gesetzesbrecher zu stoppen. Aber so sieht man das halt nur, wenn man nicht immer hinterm Lenkrad sitzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut