Rolle der Grünen im Dannenröder Wald: Mitverantwortung für Polizeigewalt
Hessens Grüne stehen unter Druck: Die Klimabewegung sieht sie wegen der Rodung des Dannenröder Walds in der Pflicht.
„Die hessische Landesregierung muss Einfluss auf die Bundesregierung nehmen, um zu einem Moratorium zu kommen“, meint Wolfgang Dennhöfer vom hessischen Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Seit dem vergangenen Donnerstag laufen die Rodungen.
Um die Arbeiten zu verhindern, besetzen einige Klimaaktivist*innen den Wald seit einem Jahr. Am Wochenende protestierten Tausende Aktivist*innen mehrerer Umweltorganisationen vor Ort. Am Freitag besetzten Aktivist*innen die hessische Landesvertretung in Berlin.
Hessens grüner Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir verwies darauf, dass die Entscheidung gar nicht dem Land obliege. „Solche Entscheidungen können wehtun, aber die A 49 ist eine Bundesautobahn und wurde von allen drei Gewalten auf Bundesebene beschlossen – und ein Landesminister kann sich eben nicht aussuchen, welche Gesetze er umsetzt“, sagt er.
„So dürfen Polizeieinsätze nirgendwo laufen“
Das sehen die Klimaschützer:innen im „Danni“ anders. Auch wenn der Bau der Autobahn keine Entscheidung von Hessen ist, wünschen sie sich, dass die schwarz-grüne Landesregierung politischen Druck aufbaut.
Dennhöfer argumentiert, dass die Lage sich verändert habe seit dem Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2012 und auch seit Beschluss des Bundesverkehrswegeplans von 2016. Es habe entscheidende neue Erkenntnisse dazu gegeben, „wie prekär die Situation bei Klimawandel, Trinkwasserversorgung und Artenschwund tatsächlich ist“, sagt er. „Da muss es möglich sein, dass frühere Entscheidungen noch mal auf den Prüfstand gestellt werden.“
Auf Bundesebene haben die Grünen einen entsprechenden Versuch gestartet: Parteichefin Annalena Baerbock und Fraktionschef Anton Hofreiter fordern ein Moratorium.
Was aber zweifelsfrei im Einflussbereich der grünen Landesregierung liegt, ist die Räumung des besetzten Waldes durch die Polizei. Seit am Donnerstag vergangener Woche die ersten Räumfahrzeuge angerückt sind, dokumentieren Journalist*innen vor Ort teils gewaltvolle Polizeieinsätze sowie die massive Einschränkung der Pressefreiheit.
Reporter*innen und Parlamentarische Beobachter*innen wurden von den Beamt*innen nicht in den Wald gelassen oder mussten sich in abgesperrten Bereichen drängeln.
„So dürfen Polizeieinsätze nirgendwo laufen, schon gar nicht unter grüner Regierungsbeteiligung“, sagt der Bundessprecher der Grünen Jugend, Georg Kurz. Er kritisiert nicht nur die Polizeigewalt und die Verstöße gegen die Pressefreiheit: „Der Polizeieinsatz insgesamt ist falsch, die Räumung muss gestoppt werden“, sagt er. „Da sind die hessischen Grünen in der Verantwortung, dieses unverhältnismäßige Vorgehen zu verhindern.“
Auch am Montag berichteten Journalist*innen auf Twitter wieder, dass die Polizei sie daran hindere, zu einer angemeldeten Mahnwache und zu einer Räumung im Wald zu gelangen. Die mittelhessische Polizei zog derweil ein positives Fazit: „Wir haben sowohl die Versammlungsfreiheit gewährleistet als auch die Räumungsmaßnahmen gesichert“, sagte ein Sprecher. Die „Zusammenarbeit mit den Medien“ habe sehr gut geklappt.
Dass niemand verletzt worden sei, sei „ein ganz toller Erfolg.“ Man habe aber die Wünsche und Hinweise der Pressevertreter*innen aufgenommen und werde in den folgenden Tagen ein noch besseres Konzept präsentieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles