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Konflikt um Dannenröder WaldKeine Adventspause

Am Wochenende gab es keine Rodungen, aber die Polizei setzte Räumungen fort. Auch der Grünen-Nachwuchs beteiligte sich am Protest.

Sonntagmorgen im Dannenröder Wald: mehrere hundert Aktivist*innen auf dem Weg zur Blockade Foto: Boris Roessler/dpa

Im Dannenröder Wald trommeln und tanzen am Sonntag Aktivist*innen, hinter der Polizeiabsperrung drohen zwei Wasserwerfer. Als Protestierende die Absperrung durchbrechen wollen, um eine Baumhausräumung zu verhindern, kommt es zu aggressivem Gerangel, wie sich auf Videos im Internet beobachten lässt. Die Polizei setzt Pfefferspray ein.

Ab 8.30 Uhr blockierten laut der Gruppe Aktion Schlagloch 400 Aktivist*innen das Gebiet um die Baumhaussiedlung „Morgen“. Es handelt sich um ein neues Bündnis, sagte eine Sprecherin der taz. „Wir leisten Widerstand gegen die zerstörerische Politik von Grünen und CDU, die mit dem Bau der A 49 Wasserschutzrecht brechen“. Um die Erderhitzung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, sei ein sofortiger Rodungsstopp sowie eine sozial-gerechte Verkehrswende nötig.

Die Rodungsarbeiten wurden am Wochenende ausgesetzt. „Wir sorgen jedoch auch heute dafür, dass offensichtliche Gefahrenstellen, beispielsweise Konstruktionen, Barrikaden oder Gräben, beseitigt werden“, teilte die Polizei Mittelhessen am Sonntag der taz mit.

Am Samstag hatten sich erstmals auch Aktivist*innen der Grünen Jugend und mehrere grüne Bundestagskanditat*innen, darunter Kathrin Henneberger und Jakob Blasel, den Polizisten physisch in den Weg gestellt. “Wir können nicht länger von Zuhause aus zusehen, wenn das Leben und die Gesundheit von Klimaaktivist*innen auf dem Spiel stehen“ erklärte Anna Peters, Bundessprecherin der Grünen Jugend. “Wir appellieren dringend an die Landesregierung und den Innenminister in Hessen: Es braucht einen sofortigen Räumungs- und Rodungsstopp, um die Spirale der Eskalation zu durchbrechen“, so Blasel.

Gefährliche Räumung

Für den Bau der A 49 zwischen Kassel und Gießen sollen Bäume abgeholzt werden. Verschiedenste Umwelt- und Klimaschützer*innen versuchen das zu verhindern. Der Dannenröder Wald als Zentrum der Proteste ist seit mehr als einem Jahr besetzt. Die Aktivist*innen haben dort Baumhauscamps sowie zahlreiche Barrikaden errichtet, die von der Polizei seit dem 10. November Schritt für Schritt geräumt werden. Dabei kam es immer wieder zu teils gefährlichen Zwischenfällen.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hat am ersten Advent angesichts der Auseinandersetzungen alle Seiten zu Gewaltfreiheit aufgerufen. Den Demonstrierenden könne man nur zurufen: „Keine Drohungen und keine Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten“, sagte Jung am Sonntag in einem Gottesdienst in der Frankfurter Katharinenkirche. „Den Polizistinnen und Polizisten: Bleiben Sie achtsam! Wahren Sie die Verhältnismäßigkeit! Den politisch Verantwortlichen: Überlegt, was ihr tun könnt, damit die Menschen wieder zueinander finden können.“

Hessens grüner Verkehrsminister Tarek Al-Wazir sagt, alle juristischen Möglichkeiten seien ausgeschöpft. Einzig die Bundesregierung könne das Projekt noch stoppen. Der Umweltverband BUND widerspricht und verlangt ein Planänderungsverfahren. Die Grünen stehen wegen dem „Danni“ bundesweit in der Kritik.

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9 Kommentare

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  • Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse haben wir zurzeit einen Lockdown.



    Warum zählen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht für einen Rodungsstopp? Sind sich nicht Wissenschaftler einig, dass wir dringend gegen die Klimakrise handeln müssen?



    Demokratisch? Die Menschen, die diese sinnlose Autobahn vor Jahrzehnten beschlossen haben, leben zum Teil heute nicht mehr, und diejenigen, die in Zukunft die katastrophalen Folgen ausbaden müssen haben nicht mitentschieden!

    • @Jim Biehm:

      Wie sähe denn ein Verfahren aus, dass ihren Vorstellungen entspricht? Und wie genau wollen sie die Transformation wissenschaftlicher Erkenntnisse in politische Entscheidungen gestalten wenn nicht durch einen demokratischen Prozess?



      Dass bei so einem Projekt Jahre und teils Jahrezehnte zwischen Beschluss und Realisierung stehen ist ja im Wesentlichen Planfeststellungsverfahren, Prüfungen, Gutachten, Einwendungen, Widersprüchen und Gerichtsverfahren geschuldet. Also alles Dinge die der genauen Abwägung und Berücksichtigung widerstreitender Interessen dienen. Von daher wirkt es schon etwas befremdlich, dass all diese demokratischen und rechtlichen Kontrollmechanismen durchlaufen wurden und sie dann den Vorwurf bringen das sei nicht demokratisch weil der Beschluss so lange zurück liegt.

      • @Ingo Bernable:

        Entscheidend ist, was am Ende dabei herauskommt!



        Wenn die Politik nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, auf aktuelle Herausforderungen und Bedrohungen wie die Klimakrise zu reagieren und die Angst und den Lebenswillen einer jungen Generation ignoriert, verliert diese das Vertrauen in den Staat. Wenn die Polizei nicht mehr die Bevölkerung schützt, sondern die Interessen der Autoindustrie mit Gewalt durchsetzt, dann wenden sich die jungen Menschen von unserer Gesellschaftsform ab. Politiker haben eine große Verantwortung: Nehmen Sie diese jungen Menschen erst!

        • @Jim Biehm:

          "Entscheidend ist, was am Ende dabei herauskommt!"



          Der Spruch mit dem Kohl ursprünglich Kritik an seinem Regierungsstil abbügelte, will letztlich heißen demokratische Standards sind mir egal, solange das Ergebnis in meinem Sinne ist.



          "Wenn die Politik nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, auf aktuelle Herausforderungen und Bedrohungen wie die Klimakrise zu reagieren und die Angst und den Lebenswillen einer jungen Generation ignoriert, verliert diese das Vertrauen in den Staat." Das ist leider genau die gleiche Denke die so viele 'besorgte Bürger' an den Tag legen: Die Politik beachtet meine Interessen nicht genug also verabschiede ich mich aus dem demokratischen Prozess. Demokratie bedeutet aber immer auch Kompromiss und Interessenausgleich. Und ja, sogar mit der Autoindustrie, die Leute die dort arbeiten sind nämlich auch Bürger mit berechtigten Intressen.



          "Wenn die Polizei nicht mehr die Bevölkerung schützt, sondern die Interessen der Autoindustrie mit Gewalt durchsetzt, dann wenden sich die jungen Menschen von unserer Gesellschaftsform ab." Was wäre wenn die Polizei genauso agieren würde wie von ihnen gewünscht, sich auf die Seite der Besetzenden schlagen und den Bau blockieren würde? Ich denke dann hätten wir ein echtes Problem, einerseits weil damit genau das eintreten würden was sie als Vorwurf erheben: die Parteilichkeit von Exekutive und Gewaltmonopol, andererseits weil sie keine Garantie haben, das eine Polizei die sich nicht dem Gesetz, sondern dem eigenen Gewissen verplichtet sieht für den 'Danni' Partei ergreift und nicht etwa für Pegida und Co.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Ich war neulich auf der Durchfahrt dort. Straßenränder und Wiesen mit geschätzt hunderten Autos zugeparkt. Bundesweite Kennzeichenherkunft. Auf die Frage, was zu Corona Zeiten hier los sei, hieß es, dass seien die Autos der angereisten Demonstraten gegen den A49 Ausbau. Mein Humor!

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Beib mal brei den Fakten, du hast ein Video gesehen, auf denen diese Autos ware. Wie kommt man nach Dannenrod ohne Auto, da gibt es am Wochenende keine Busse. Also mach dich nicht weiter laecherlich. Uebrigens hat der Ort eine gute Anbindung an die A5, was die A49 noch absurder macht, aber das koennen Ortsfremde ja nicht wissen

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Ferenc22:

        Nee, kein Video. Sorry.

  • "Für den Bau der A 49 zwischen Kassel und Gießen sollen Bäume abgeholzt werden" - es geht nicht um das Abholzen von ein paar Bäumen. Ein jahrhunderte alter Wald, teilweise als Dauerwald bewirtschaftet, soll einer unsinnigen Autobahn geopfert werden, damit u.a. Ferrero seine Küsschen ein paar Minuten schneller ausliefern kann. Während der Bauphase diverser Brücken werden Brunnen für die Trinkwasserversorgung von mind. 130.000 Menschen "vom Netz" genommen. Wie dieser Ausfall ausgeglichen werden soll ist nicht geklärt. Wahrscheinlich muss das Wasser aus jetzt schon überlasteten Brunnen gefördert werden, was ein weiteres Absinken der Grundwasserspiegel zur Folge haben wird. Der Lebensraumverlust von vom Aussterben bedrohten Arten scheint nebensächlich.... kleiner Hoffnungsschimmer: Die Herstellung des Betons für die Autobahn ist noch nicht sichergestellt! Evtl. springen ortsansässige Discounnter bei der Wasserversorgung ein. ....

  • Weshalb sollte es eine Adventspause geben? Die Schneise muss bis zum Beginn der Vegetationsperiode fertig gerodet sein.