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Reform des BürgergeldsKommt jetzt Hartz IV zurück?

Die Bundesregierung hat ihre neue Grundsicherung vorgestellt. Wie ein Arbeitsmarktforscher die Vorschläge beurteilt.

Demonstrant:innen auf der Leipziger Montagsdemonstration gegen die geplante Arbeitsmarktreform Hartz IV am 30. August 2004 Foto: Seeliger/imago

Berlin taz | Der Kampf um die Deutungshoheit hat begonnen. Seit die Bundesregierung am Donnerstag ihre Reform des Bürgergelds vorgestellt hat, das nun Grundsicherung heißen soll, wird gestritten, wie tiefgreifend die Veränderungen tatsächlich sind. „Das Bürgergeld ist Geschichte“, frohlockte schon während der Pressekonferenz CSU-Chef Markus Söder.

Unionsfraktionschef Jens Spahn will sogar eine „neue Ära der Arbeitsmarktpolitik“ erkennen. SPD-Chefin Bärbel Bas dagegen verteidigte am Freitag den Kompromiss, auch gegen Kritik ihrer Jusos. Es würden lediglich die Mitwirkungspflichten durch neue Sanktionsmöglichkeiten „angeschärft“.

Experten sind mit ihrer Einschätzung zurückhaltender. „Für eine Bewertung ist es noch zu früh“, sagt etwa Joachim Wolff, der zum Bürgergeld und der Grundsicherung am Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) in Nürnberg forscht. Wie hart die angekündigten Sanktionen am Ende im Gesetzestext stehen und wie diese dann in der Praxis angewandt werden, ist im Konzept der Bundesregierung nicht ersichtlich.

Ungeklärt ist beispielsweise, wie die Regierung umsetzen will, dass bei mehrfachen Meldeversäumnissen auch die Kosten der Unterkunft nicht ausgezahlt werden. Werden die Zahlungen nur zeitweise gestoppt und zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend ausgezahlt – etwa wenn ein Leistungsberechtigter wieder zum Termin im Jobcenter erscheint? Vermutlich meint die Bundesregierung es so – und das wird von den Jobcentern in der Praxis schon jetzt regelmäßig so gehandhabt.

Zurück auf Hartz

Oder handelt es sich um eine echte Streichung der Kosten der Unterkunft? Das wäre rechtlich nur schwer umsetzbar, sagt Experte Wolff: „Hinter das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann man nicht zurück“. Das Gericht hatte 2019 geurteilt, dass es für Sanktionen, die an das Existenzminimum gehen, enge Grenzen gibt.

Die Antwort auf diese Frage entscheidet auch darüber, ob die Reform im schlimmsten Fall dazu führen könnte, dass mehr Menschen ihre Wohnung verlieren. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte in der ARD beschwichtigt: „Es wird in Deutschland niemand obdachlos.“

Ist die neue Grundsicherung nun das alte Hartz IV, wie die einen kritisieren und wie es sich die anderen erhoffen? Ganz so eindeutig ist es nicht. „Es ist schon ein Kompromiss erkennbar“, sagt Experte Wolff. Die strengeren Sanktionen, insbesondere für das Verpassen von Terminen, erinnerten teils an die ursprünglichen Hartz-Reformen.

Doch in einer anderen Frage könnten sich die SPD und Befürworter des Bürgergelds durchgesetzt haben: Weiterhin müssen Leistungsberechtigte Arbeit wohl nicht um jeden Preis annehmen. Kanzler Merz sagte bei der Vorstellung der Reform am Donnerstag, dass der „Vermittlungsvorrang zurück“ sei. Dementgegen gibt die Reform den Jobcentern auch in Zukunft die Möglichkeit, auf Berufsausbildung und Qualifizierung zu setzen, statt Menschen zur Aufnahme einer Arbeit zu zwingen.

Qualifizierung gegen Hilfsbedürftigkeit

„Qualifizierung kann im Einzelfall der bessere Weg sein, um nachhaltig aus der Hilfebedürftigkeit herauszukommen“, sagt Wolff, „weil qualifizierte Arbeit besser bezahlt wird.“ Hier bleibt also eine Errungenschaft aus dem Bürgergeld voraussichtlich weitgehend erhalten.

Eine weitere Änderung plant die Bundesregierung für Menschen, die mehrfach Arbeitsangebote ablehnen. Bereits heute können diese Menschen, die oft als "Totalverweigerer" diffamiert werden, unter Umständen ihren kompletten Regelsatz per Sanktion verlieren. In Zukunft soll das bereits nach dem ersten abgelehnten Jobangebot passieren.

Fraglich ist jedoch, ob das rechtlich umsetzbar ist. Denn um den Vorgaben des Verfassungsgerichts zu genügen, ist die aktuelle Regelung aus Zeiten der Ampel-Regierung so kompliziert, dass sie in der Praxis kaum Anwendung findet. Wolff hat erst vor kurzem eine Studie dazu vorgelegt und bundesweit nur eine „niedrige zweistellige Zahl“ von Fällen gefunden.

Sanktionen können helfen

Grundsätzlich zeigen Forschungsergebnisse allerdings, dass Sanktionen tatsächlich dazu führen können, dass Menschen schneller eine Arbeit aufnehmen, auch wenn sie gar nicht selbst von ihnen betroffen sind. Zu hohe Sanktionen könnten laut Experten des IAB allerdings kontraproduktiv wirken. Wer so stark sanktioniert werde, dass er in der Folge beispielsweise Probleme habe, seine Stromrechnung zu bezahlen, werde dadurch eher nicht dazu motiviert, nach Arbeit zu suchen.

Zuletzt hat die Bundesregierung angekündigt, Langzeitarbeitslose in Zukunft enger betreuen zu wollen, mit „hoher Kontaktdichte“. Wolff begrüßt dieses Vorhaben, stellt aber fest: „Dafür braucht es an den Jobcentern zusätzliches Personal und Mittel“. Ob die Bundesregierung, deren Chef gern behauptet, im Bürgergeld Milliarden sparen zu können, dafür Geld bereitstellt, ist ungewiss.

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46 Kommentare

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  • Ich verstehe die Aufregung nicht



    Wenn es nur extrem wenige Totalverweigerer gibt, dann treffen 99,x% aller Grundsicherungsempfänger doch die Sanktionen gar nicht. Wo ist jetzt das Problem?

  • Liebe Ministerin Bärbel Bas (SPD),

    im Frühjahr des Jahres trauten Sie sich was:



    „Alle sollen in die Rentenkasse einzahlen, Politiker und Beamte auch“. Sie gingen den Privilegierten an den Kragen.



    Für einige Wochen waren sie die Heldin der Sozialdemokratie.



    Im Herbst der Reformen kuschen sie vor den Privilegierten.



    Sie treten nach unten, nach Bürgergeldempfängern.

    • @KLaus Hartmann:

      Wie genau wird da jetzt getreten?

    • @KLaus Hartmann:

      Sie meinen also Beamte sind pauschal privilegiert?

  • komplett gaga von der spd, dieses spielchen der union bzgl. totalverweigerern mitzuspielen.



    das ist dermaßen absurd - aber es funktioniert, der bevölkerung eine glatte lüge vorzusetzen + sich darauf zu verlassen, daß diese blindlings ihrem eingefleischten preußischen arbeitsethos folgt.

    wie heiß es gleich noch im sog. 1000-jährigen reich: wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.

    das wurde keinesfalls auf die coupon-schneider bezogen.

    über den kz-toren war in gußeiserner schrift zu lesen: arbeit macht frei.



    wen macht sie frei? - die reichen + superreichen, aber keineswegs die eigene arbeit.



    zwischen 1933 und 1945 profitierten die reichen noch dazu von der unentgeltlichen arbeit von kz-häftlingen, zwischen 1939 und 1945 von kriegsgefangenen + zwangsarbeitenden.

  • Bundeskanzler Friedrich Merz hatte in der ARD beschwichtigt: „Es wird in Deutschland niemand obdachlos.“

    Alleine dieser eine Satz beweist, wie wenig Ahnung dieser alte Mann vom wirklichen Leben in Deutschland mitbekommt.

  • Das, was in unserer Gesellschaft passiert, könnte man psychologisch „Regression“ nennen. D.h. angesichts von Stress und Überforderung fällt man in alte Muster zurück, wie zum Beispiel ein älteres Kind, das wieder mit dem Daumenlutschen beginnt.



    Unsere Gesellschaft steht vor ungeheuren Herausforderungen. Insbesondere durch die sich beschleunigende Klimakatastrophe und vielleicht auch durch Technik, die so komplex wird, dass sie kaum noch jemand beherrschen kann.



    Doch statt sich den Problemen zu stellen, fallen wir in alte autokratische Muster und in schwarze Pädagogik des 19. Jahrhunderts zurück. Trotz 120 Jahre Psychologie, die mehrfach bewiesen hat, dass Bestrafung lediglich zu einem Teufelskreis der Gewalt führt.



    Die Regierung gibt nun per Ermessensspielraum einem Jobcentermitarbeiter die Macht, einem „Grundsicherungsempfänger“, den er nicht mag, oder aus eigener projizierter Minderwertigkeit, mit zwei bis drei Schreiben die existenzielle Lebensgrundlage zu entziehen. Kein Mensch sollte so viel Macht über einen anderen haben. Das ist ein Regime der Angst.



    Es wäre die Zeit für das bedingungslose Grundeinkommen. Der Ganze Macht-Kontroll-Wasserkopf kann dann endlich entfallen.

  • Ich finde die steuerfreien 2.000 Euro bei der Aktivrente ab dem 01.01.2026 sagen viel mehr über unsere Zukunft aus, als die Symbolpolitik um Bürgergeld/Hartz4.



    Für mich ist das ein klares Zeichen: Wir stehen am Anfang vom Ende der klassischen Rente.



    Was sich hier abzeichnet, ist nicht bloß ein Bonus für ein paar fitte Rentner:innen, sondern der langsame Umbau unseres gesamten Wirtschaftssystems – hin zu einer Realität, in der man im Alter weiterarbeiten muss, weil das Rentensystem schleichend abgeschafft wird.



    Parallel passt sich die Ökonomie an zwei tiefgreifende Trends an: die zunehmende Veralterung der Gesellschaft und eine strukturelle Massenarbeitslosigkeit, befeuert durch KI und Automatisierung.

    • @Eichhörnchen99:

      Schlüssige Aussage.

    • @Eichhörnchen99:

      Vor ein paar Tagen in vielen Zeitungen. Z.B. hier:

      www.handelsblatt.c...her/100161594.html

      Da liegt das Problem. Nicht im älter werden.

      Und KI und Automatisierung schaffen auch neue Arbeitsplätze. Strukturveränderungen sind normal. Schon als die Dampfmaschine eingeführt wurde, gab es düstere Vorhersagen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Das ist richtig. Die Nutzbarkeit von Stoffen, Elementen, Naturgesetzen (Psychologie u. Soziologie "inkel"), ist begrenzt. Zudem muss sie in - umweltverträgliche - Produkte umgesetzt werden. Aus meiner Sicht ging das früher schneller, insbesondere seitens deren Nützlichkeit. Ökonomische Verwerfungen durch Wandel werden heute - was ich als richtig empfinde - durch (arbeitslose Menschen) weniger hingenommen. Es fehlt mE am konsequenten Willen, abstrakt mag er vorhanden sein, die Folgen von Wandel deutlich! abzumildern.

  • Die SPD ist eine Schande.



    Und wenn sie so weiter macht ist sie bald Geschichte.

    • @Bolzkopf:

      Wenn die SPD tatsächlich glaubt, dass sie mit so einer neoliberalen Merz-Politik in den nächsten Jahren noch gewählt wird, dann soll sie ruhig so weitermachen. Eine Zukunft wird es für 'diese SPD' ohnehin nicht mehr geben.

      Was hätte Willy Brandt eigentlich dazu gesagt, dass seine Partei sich im 21. Jahrhundert zum Handlanger der Reichen und Mächtigen gemacht hat und jetzt auch noch für einen ehemaligen BlackRock-Lobbyisten den Steigbügelhalter macht?

      Und was für 'seltsame Leute' in der Union schon sind, das sieht man ja seit einiger Zeit. Wieso darf jemand wie Carsten Linnemann (CDU) überhaupt Politiker "spielen"? www.youtube.com/shorts/t8Y2S2NpfBo

      • @Ricky-13:

        Ich habe das Gefühl, dass die SPD in der Spitze auch früher bereits schamlos zum Kapital gehalten hat, es war seitens der Umstände nur einfacher und nicht so nachhaltig mit Aussicht auf eine ggf spätere wieder-Besserung (die Konservativen und Reichen gaben sich u.a. mit weniger zufrieden).

  • HartzIV--->Bürgergeld--->HartzV - Was ist anders? Dieses Mal sind die Grünen nicht dabei, zumindest bis jetzt nicht. Aber das kann sich schnell ändern.

  • Langzeitarbeitslose besser zu betreuen, ist grundsätzlich eine gute Idee. Aber dann braucht es eben, Heureka, mehr Milliarden für Personal und Betreuung.

    Überhaupt sollten wir uns im Land fragen, wofür wir unser Geld ausgeben wollen.

    Nur Militär, um dann einen Schrotthaufen zu verteidigen?

    Die SPD schafft es seit den Hartzreformen nicht mehr zu definieren, wie sinnvolle soziale Sicherung für die ganze Bevölkerung aussehen soll.

    Vor allem schafft sie es nicht, zu priorisieren und dann auch zu finanzieren. Die Partei bringt einfach nicht mehr die Kraft auf.

    Auch die hochgelobte Bärbel Bas, die es aufgrund ihrer Herkunft eigentlich besser wissen sollte, ist daran schon gescheitert.

    Deswegen prophezeie ich hier einfach mal überprüfbar:

    2026 bekommt Berlin eine linke Bürgermeisterin.

    Bei der nächsten Bundestagswahl werden die sich jetzt noch sicher fühlenden, dann in "Hartz 5" landenden Facharbeiter erkennen, dass die "Reformen" nicht in ihrem Interesse sind.

    Und die SPD wird marginalisiert hinter den Linken landen. (Vielleicht hat sie dann wieder Solidarität mit Marginalisierten.)

    Toll ist das nicht, denn die Erschütterungen werden immer schlimmer.

    • @Stavros:

      Ist es ist nicht eine Schande und ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft / Politik, wieviel ungenutzte potentielle Kreativität, durch falsche Prioritäten Setzung der Ausgaben unserer Steuergelder, ungenutzt bleiben ? Viele Menschen können aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten im Elternhaus, in jungen Jahren keine Entdeckung / Entwicklung / Förderung ihrer kreativen Fähigkeiten und Interessen erfahren. Mangelnds Entwicklung zu selbstständigen, kreativen, daraus auch kritisch in Frage stellendes Denken, wird vielen Menschen so [ gewollt ? ]ein autarkes Leben verweigert. Es bleibt dem Nachwuchs aus intellektuellen, finanzstarken Elternhäusern vorbehalten.



      Denn wer seine Kreativität und seine Fähigkeiten entwickeln durfte, wird in den seltensten Fällen zu einem Leistungsempfänger staatlicher Sozialleistungen. Bei kreativ entwickelten Menschen lässt sich die [ ihre ] Kreativität nicht so einfach unterdrücken .

    • @Stavros:

      Es wird weiter nach rechts gehen, denn mit Ressentiment fängt man auch arme Menschen.

      • @derzwerg:

        Ja, insgesamt ist die Tendenz schon sichtbar. Und dann werden Chaos und Instabilität den Rechtsruck weiter verstärken.

        Die SPD macht den Fehler, dass sie immer mitmachen will, egal wie.

  • Die allermeisten Leute gehen einer Beschäftigung mit 20, 30 oder 40 h pro Woche nach. Und schaffen es, ihr Leben auch formal (Rechnungen bezahlen, Amtstermine wahrnehmen...) zu bewerkstelligen. Andere können in dieser Zeit nicht mal 1 oder auch mehrere Termine pro Woche oder Monat unterbringen.



    Laut Frontal im ZDF haben mit dieser Tatsache 85 % der Wähler ein Problem. Das kann man jetzt akzeptieren und versuchen es zu verbessern.



    Mein Eindruck, ohne zu wissen was abschließend im Gesetztestext steht. Man versucht es zu wenig.

    • @Tom Farmer:

      Ich zitiere mal @Bernhard Dresbach:

      "Die Jobcenter haben letztes Jahr 10,7 Milliarden ausgegeben, davon allein 7,7 Milliarden für die Verwaltung und 3,8 Milliarden für Förderungen."

      Welcher Nutzen entsteht, wenn wir die Verwaltungskosten noch mehr in die Höhe treiben? Mehr wird nicht herauskommen. Das wissen wir, weil jetzt Dinge wieder eingeführt werden sollen, die es schon gab. Und diese Dinge wurden gelockert, weil die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen standen. Nicht aus humanitären Gründen.

      Leider erzählt die Politik der Bevölkerung Märchen zum Thema Hilfeempfänger, weil man damit so schön Gefühle statt Denken aktivieren kann. Das müsste sich ändern. Aber ich befürchte, dazu ist das aktuelle Personal völlig ungeeignet.

      Übrigens bin ich immer wieder erstaunt, wie viele Menschen glauben, dass auf Hilfe angewiesen sein, immer nur den anderen passieren kann. Dabei ist (fast) Niemand davor sicher, abzurutschen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Um was geht's Ihnen? Von mir aus kann man die Verwaltung auch auf nahezu 0 runternehmen und durch KI gestützte Modelle und Automatisierung ersetzen. Dann hätten wir auch objektive Voraussetzungen für alle die einen Job suchen.



        Natürlich müssten das funktionierende Systeme sein und nicht so ein Krampf wie bei vielen Hotlines beliebiger Großkonzerne.



        Was Sie mit "Märchen erzählen" meinen weiß ich auch nicht. Da müssten Sie mal klarer formulieren.

  • In letzter Konsequenz geht es hier um eine Frage des Menschenbildes.







    Jeder Mensch hat den grundlegenden Wunsch nach Teilhabe an der Gesellschaft..und das Bedürfnis seinen/ihren Beitrag am Gemeinwesen zu leisten. Es gibt allerdings zahlreiche verstörende oder traumatisierende Ereignisse, die dieses Grundbedürfnis blockieren oder gar ins revanchistische wenden können.







    Nun kann eine Gesellschaft auf zweierlei Weise damit umgehen:

    a) sie versucht Menschen zu motivieren und ihre Potenziale zu wecken. Was bei den meisten ohnehin gut klappt. Aber eben bei einigen durch Altlasten, psychische Probleme oder aktulle Einschränkungen nicht ohne weiteres funktioniert. Diese Menschen brauchen zu allererst jemanden zu dem sie Vertrauen aufbauen können, der sie "dort abholt wo sie gerade sind" und der ihnen Brücken baut..die schließlich in ein selbstbestimmtes Arbeitsleben führen..







    b) sie interessiert sich nicht für deren Befindlichkeiten, betrachtet sie als egoistische "Totalverweigerer"..setzt sie maximal unter Druck, zwingt sie de Facto zu irgendeiner Tätigkeit und verhindert damit eine *Teilhabe aus Überzeugung*..

    In welcher Gesellschaft..mit welchem Menschenbild wollen wir leben.??

    • @Wunderwelt:

      Das ist eine nette utopische Vorstellung. Hat mit der Realität da draußen nur halt gar nichts zu tun.

      Das hat mehr von dem denken. Was nicht sein darf, kann nicht sein.



      Wer schon Mal im Niedriglohnsektor und drumherum gearbeitet hat, kennt dutzende Beispiele...



      Das des eine Menschen Bild das angenehmere ist, will ich gar nicht bestreiten... Aber zu behaupten es gäbe keine egoistischen Menschen ist Lachhaft.

    • @Wunderwelt:

      Am Ende ist es eine Frage des Menschenbilds.



      Ich glaube, der Mensch ist faul, gierig und hörig. Deshalb wird Geld in Milliardenhöhe vererbt – und die Masse klatscht.



      Wenn wir mit der gleichen Leidenschaft, wie bei all den Scheindebatten, über reale Lösungsansätze wie der Erbschaftsteuer sprechen würden, käme vielleicht wirklich Veränderung in Gang.

      • @Eichhörnchen99:

        "Ich glaube, der Mensch ist faul, gierig und hörig."

        Diese Verallgemeinerung ist genau so falsch, wie das Idealbild von @Wunderwelt.

        "Den Menschen" gibt es nicht. Jeder ist individuell. Es gibt Exemplare, die ihrem Bild entsprechen und welche, die @Wunderwelts Bild entsprechen. Die Meisten liegen wohl irgendwo dazwischen...

    • @Wunderwelt:

      Das ist eine perfekte Zusammenfassung, danke!

  • Letztlich ist es wieder alter Wein in neuen Schläuchen.

    Um künftig die ständigen Umbenennungen zu vermeiden, die ja auch Geld kosten, schlage ich vor, die Leistung IWG (Irgendwelches Geld) zu nennen. Dann können wir uns wenigstens DEN Zirkus sparen.

  • Oh man, und bei all dem Quatsch ist immer die SPD dabei. Von Anfang an und jetzt sogar wie ein Ping Pong Ball der hin und her springt.



    In die letzte Regierung sind sie gegangen (und gekommen) um Harz abzuschaffen, treten dann aber mit ner totalen Versagertruppe an und schieben später dann ihr versagen auf die Harzer (und Asylanten und wer sich halt nicht wehren kann), gehen dann in die nächste Regierung um die bösen Harzer und Asylanten (und den Rest) dann an die Karre zu pinkeln. Das ganze allerdings wieder mit ner neuen Versagertruppe. Und es geht mit dem Land trotzdem weiter bergab, obwohl schon so vielen an die Karre gepinkelt wurde.



    Und was soll als nächstes kommen? Wem gibt man dann die Schuld?

    Da bleiben dann leider nicht mehr viele übrig denen man noch die Schuld geben können wird. Und dann? Was ist der Plan?

  • Zwei Beispiele für Jobs, die ich als "Hartzerin" machen musste: Über eine Zeitarbeitsfirma kam ich zu einem sehr großen Verlag. Die Mitarbeiter hatten so wenig Lust auf eine unqualifizierte Mitarbeiterin, dass sie nicht mit mir sprachen und statt mich in den anspruchsvollen Job einzuarbeiten, gaben sie mir falsche Infos. Nach ein paar Wochen Kampf konnte ich nicht mehr - das war dem Jobcenter aber egal... Sehr viel später bewarb ich mich in Eigeninitative für einen Job an einer Schule. Es stellte sich heraus, dass ich überfordert war, ohne Ausbildung in diesem Bereich, mit einer "Horde" Kinder klarzukommen. Ich konnte nicht die Sicherheit der Kinder gewährleisten - in einem Raum mit u.a. 5 Elektrosägen. Auch das war dem Jobcenter egal... So kann es aussehen, wenn man Jobangebote nicht ablehnen darf......

    • @Mits:

      In dem Posting ist doch die Problematik angesproch, fehlende Qualifikation und Selbstüberschätzung. Natürlich haben die Mitarbeiter keine Zeit und Lust jemanden in eine Job "einzuarbeiten", der offenbar keinerlei Qualifikation besitzt. Ich frage mich zudem welche Schule jemanden im Werkunterricht einsetzt, der keinerlei handwerkliche Ausbildung hat.

      • @Zven:

        Ein geht um die Mentalität. Hauptsache irgendwie untergebracht. Das ist gut für die Statistik und die persönliche Bilanz der Mitarbeiter der Jobcenter.

        Ob die Personen geeignet sind, spielt dabei kaum eine Rolle. Und die müssen ja annahmen, weil sie sonst "Verweigerer" sind und Sanktionen befürchten müssen.

        Auch viele Unternehmen sind von solchen Methoden nicht begeistert.

      • @Zven:

        Danke an die Originalposterin, ist sehr hilfreich, wenn sich hier im Forum auch mal Betroffene melden. Und ja/1, für die Arbeitsagentur ist die Vermittlung das Erfolgsmaß – was danach passiert, ist denen egal. Und ja/2, manche Schulen stehen personell mit dem Rücken zur Wand, die stellen auch Leute ohne relevante pädagogische Erfahrung als Quereinsteiger ein.

  • Die Jobcenter haben letztes Jahr 10,7 Milliarden ausgegeben, davon allein 7,7 Milliarden für die Verwaltung und 3,8 Milliarden für Förderungen.



    Wenn aber für die Verwaltung doppelt soviel ausgegeben wird als für die Förderung, versteht man wo die Prioritäten der Regierung liegen. Kontrolle! Jedoch nicht die Kontrolle derer, die Milliarden am Staatshaushalt vorbei schleusen, nein, es geht um die Kontrolle jener die 1,23 € nicht angegeben haben. Das ist aber auch verständlich, denn letztgenannte schmeissen am Wochenende keine Koksparty, laden nicht auf die Rennstrecke ein oder zu den Feierlichkeiten welcher Preisverleihung auch immer. Wieviel Steuerbetrüger sich bei diesen Gelegenheit einschleimen, dazu fehlt es leider an jeglicher Statistik.



    Die unteren 80% der Bevölkerung hat man einfach besser im Griff, von denen man 10% nach Belieben treten darf.

  • Die Union dreht das Rad zurück, Cannabislegalisierung, Einbürgerung, Bürgergeld, alles zurück auf 90er. Man negiert, dass es ein Problem in diesen Bereichen gab, eine überbordende Ignoranz als Politik, und die Probleme: bleiben natürlich, Hauptsache das bürgerliche Mütchen wird gekühlt.

  • Was ändert sich denn großartig? Es müssen Termine beim Jobcenter und Jobangebote wahrgenommen werden - wie schrecklich. Das sollt eigentlich selbsverständlich sein

    • @Zven:

      Tatsächlich halte ich die Aufregung um die Sanktionierung verpasster Termine auch für deutlich übertrieben. Dinge, die in der Debatte fast völlig untergehen, halte ich für sehr viel dramatischer. Zum Beispiel dass die Karenzfristen für die Senkung der Wohnkosten reduziert oder gar abgeschafft werden sollen. Was bedeutet: rutscht man in die Grundsicherung und die Wohnungsmiete liegt über dem Satz für die „angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung“, wird es sehr viel dramatischer, so schnell wie möglich auf einem völlig überhitzten Wohnungsmarkt eine günstigere, „angemessene“ Wohnung zu finden. Oder man muss halt von den Regelleistungen für den Lebensunterhalt ordentlich zuzahlen. Auch das sog. „Schonvermögen“ soll wieder stärker angetastet werden - also Tschüss private Altersvorsorge.

    • @Zven:

      Siehe oben - den Beitrag von Mits ☝🏽

  • "Zu hohe Sanktionen könnten laut Experten des IAB allerdings kontraproduktiv wirken. Wer so stark sanktioniert werde, dass er in der Folge beispielsweise Probleme habe, seine Stromrechnung zu bezahlen, werde dadurch eher nicht dazu motiviert, nach Arbeit zu suchen."

    Ich bin überhaupt kein Freund von mehr Sanktionen.

    Aber nur von der Logik her: wieso soll jemand, der seine Stromrechnung nicht bezahlen kann, dann nicht motiviert sein nach Arbeit zu suchen?

    • @Oliver Tiegel:

      Weil sie an einem Punk ankommen, an dem alles keinen Sinn mehr zu haben scheint.

    • @Oliver Tiegel:

      Weil Menschen keine Maschinen sind, und solche Situationen mit ständigen Bedrohung und Demütigung psychologische Folgen haben.

  • taz: *Unionsfraktionschef Jens Spahn will sogar eine „neue Ära der Arbeitsmarktpolitik“ erkennen.*

    Die erkennt nicht nur "Masken"-Spahn, die erkennt jeder, der noch denken kann. Bürgergeldempfänger (oder wie immer man die armen Menschen auch demnächst tituliert) werden wieder gedemütigt, in jeden Hilfsarbeiterjob gepresst und mit Obdachlosigkeit bedroht. Geht es da tatsächlich um die Bürgergeldempfänger? Wer das immer noch glaubt, der ist wohl sehr naiv. Um Hartz-IV-Empfänger oder Bürgergeldempfänger ging es noch nie, denn wir haben kaum noch Jobs von denen man auch leben kann. In Wahrheit geht es immer nur um die Arbeitnehmer, denn wenn man Hartz4/Bürgergeldbezieher schlecht behandelt, dann wird der kleine Arbeitnehmer es sich nicht wagen eine Lohnerhöhung oder bessere Arbeitsbedingungen zu fordern.

    Und wenn man demnächst wieder Angst erzeugt hat, dass der Arbeitnehmer eventuell auch in die 'Grundsicherung' gesteckt wird - wenn er nicht brav ist - dann kommt Teil 2 der merz'schen Arbeitsmarktpolitik (die "Masken"-Spahn sofort erkannt hat). Merz forderte nämlich im Mai 2025 "mehr Arbeit für den Wohlstand". Welchen Wohlstand der "ehemalige" BlackRock-Lobbyist da wohl gemeint hat?

    • @Ricky-13:

      Danke. auf den Punkt!

  • Bundeskanzler Friedrich Merz hatte in der ARD beschwichtigt: „Es wird in Deutschland niemand obdachlos.“

    Na dann bin ich ja beruhigt. Die hunderttausenden Obdachlosen in Deutschland sind offenbar nur eingebildet.

    • @pumble:

      Wie hieß eigentlich noch mal der SPD-Politiker, der in seiner Doktorarbeit über die Beseitigung von Obdachlosigkeit geschrieben hatte, aber es auch jetzt noch nicht hinbekommt, das endlich mal in die Realität umzusetzen? Ach ja, *Frank-Walter Steinmeier: Bürger ohne Obdach, zwischen Pflicht zur Unterkunft und Recht auf Wohnraum, Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit; Giessen, Univ., Dissertation, 1991, Bielefeld*

      Die Doktorarbeit von unserem Bundespräsidenten lesen die zig-Tausenden von Obdachlosen sicherlich jeden Tag draußen in ihrem Schlafsack. Hat ein Journalist Bundespräsident Steinmeier eigentlich schon einmal auf diese Dissertation angesprochen? Wer immer noch die SPD wählt, anstatt 'Die Linke', dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

      **Es sind 531.600 Menschen in Deutschland wohnungslos. Davon sind 439.500 im System der Wohnnotfallhilfe untergebracht, 47.300 sind obdachlos (im Bericht als wohnungslose Personen ohne Unterkunft bezeichnet) und 60.400 sind verdeckt wohnungslose Personen (z.B. Menschen, die bei Freunden übernachten).**[Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen)]

  • Arbeitswelt, die sich in tariflich geschützte Inseln, prekarisierte Zonen ufspaltet, bleibt Streikrecht für jene, die es am dringendsten bräuchten unerreichbar. Wer außerhalb Tarifgemeinschaften steht, Leiharbeiter:innen, Solo-Selbstständige, Minijobber, Arbeitslose ist nicht nur rechtlich entkoppelt, sondern dazu politisch entmachtet. Gewerkschaften, einst Bollwerk kollektiver Interessen, sind da schachmatt gestellt. Die Politik? Schweigt nickt ab.



    Figur „Totalverweigerers“, wie sie Studien inszenieren, wirkt wie Projektion politischer Wunschbilder disziplinierter Problemfall, der sich dem System entzieht. Doch was als Verweigerung gilt, ist oft Erschöpfung, Demütigung, struktureller Gewalt. Seit Hartz-IV-Gesetzen 2003 erleben viele Arbeitslose nicht nur ökonomischen Druck, auch psychisch demütigende Zermürbung durch Sanktionen, unterqualifizierte Jobs, erzwungene Preisgabe von Vermögen und Würde zugunsten privater kirchlicher staatlicher Arbeitgeber.



    Arbeitsagentur agiert soi oft als Vollstrecker politischer Mehrheitsmeinung: Anpassung statt Aufbegehren. Wer sich verweigert, wird medial vorgeführt nicht Mensch im Ausnahmezustand, als Störfall. Her mit Politischem Streikrecht!