Rassismusstreit um Martin Sonneborn: Nicht mehr witzig
Nico Semsrott verlässt „Die Partei“. Anlass: der Umgang des Parteichefs mit Rassismus-Vorwürfen. Sonneborn reagiert selbstkritisch.
Anlass für die Kritik an Sonneborn war ein Foto, das Sonneborn in der vergangenen Woche getwittert hatte. Auf dem Bild trägt er ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Au Widelsehern, Amlerika! (...) Plinted in China für Die PALTEI“. Das sollte eine Anspielung auf Donald-Trump-Fanartikel sein, die trotz dessen anti-chinesischer Politik in China hergestellt wurden – aber auch auf vermeintliche Sprachfehler chinesischer Menschen.
Auf den Vorwurf des anti-asiatischen Rassismus, den daraufhin unter anderem Betroffene erhoben, reagierte Sonneborn pampig. Seinen Tweet löschte er zwar. Inhaltlich kommentierte er die Kritik aber nur mit schnippischen Kommentaren wie „Satire setzt Denkanreize“, „Ich gehe jetzt Schlitten fahren“ und „Tschaui“.
Semsrott kritisierte in seiner Austrittserklärung, die er am Mittwoch veröffentlichte, in erster Linie Sonneborns „ignoranten Umgang mit Feedback“. Er schrieb: „Wenn sich Menschen von seinen Postings rassistisch angegriffen fühlen, muss er nicht viel tun. Es reichen Mitgefühl und der Respekt vor den Betroffenen, um das eigene Verhalten zu korrigieren.“ Und weiter: „Ich finde seine Reaktion auf die Kritik falsch und inakzeptabel. Das ging mir in der Vergangenheit schon in anderen Fällen so. Daraus ziehe ich jetzt meine Konsequenzen.“
Keine Diskussion
Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass Sonneborn rassistische Klischees bedient und Kritik daran abblockt. Auf einem Wahlplakat war er im Jahr 2011 mit einem schwarz geschminkten Gesicht und dem Spruch „Ick bin ein Obama“ zu sehen. Der Berliner Zeitung sagte er im vergangenen Jahr in einem Interview: „Auch wenn ich das heute nicht wiederholen würde, finde ich die Aktion immer noch in Ordnung. Ich bin kein Rassist.“ Über entsprechende Vorwürfe diskutiere er nicht.
Am Mittwoch Abend reagierte er selbstkritischer. In einer Stellungnahme schrieb er zwar, er hätte nicht gedacht, dass sich von seinem Tweet jemand „rassistisch diskriminiert fühlen“ könnte. Aber: „Wenn ein Witz zu rassistischer Verletzung führt, statt Reflexionsansätze zu geben oder zumindest ein befreiendes Lachen nach sich zu ziehen, dann ist es ein misslungener Witz.“ Es tue ihm leid, dass Menschen „durch die Reproduktion dieser Stereotype verletzt wurden“.
Keine Stellungnahme gab es auf Anfrage zunächst von Marco Bülow. Der Bundestagsabgeordnete war 2018 wegen inhaltlicher Differenzen aus der SPD ausgetreten und im November 2020 in „Die Partei“ eingetreten. Der Dortmunder möchte bei der Bundestagswahl in diesem Jahr erneut als Direktkandidat antreten.
Dabei wollte er eigentlich auf die Unterstützung und den Rückenwind der Satirepartei setzen. Diese hatte ihre Wahlergebnisse zuletzt auf niedrigem Niveau ausbauen können und erzielte bei der letzten Europawahl 2,4 Prozent der Stimmen. Besonders stark schneidet „Die Partei“ unter jungen, männlichen und großstädtischen Wählern ab. Inhaltliche Schwerpunkte der Partei sind neben Witzen eigentlich Themen wie der Kampf gegen Lobbyismus, gegen Autokraten und gegen Rechts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben