Prioritäten einer Ampel-Koalition: Ein Herz für die Finanzeliten

Die mögliche Ampel-Koalition ignoriert die Spaltung von Arm und Reich. Damit wird das Vertrauen in die Demokratie weiter erodieren.

Eine Frau im Pelzmantel steht vor der Auslage eines Juweliers

Luxus in der Briennerstraße in München: Die Ampel hat ein Herz für Finanz- und Vermögenseliten Foto: Plusphoto/imago

Viel ist von dem „neuen Aufbruch“ die Rede, den die Ampelkoalition organisieren will. Aber schon jetzt ist klar, dass dieses Bündnis ein demokratiegefährdendes Problem ignoriert: die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich. Die Vermögensteuer, die SPD und Grüne vor der Wahl bewarben, starb in den Sondierungen einen schnellen Tod. Eine gerechtere Erbschaftsteuer wird es mit der Ampel nicht geben, auch beim Spitzensteuersatz ändert sich nichts.

Anders gesagt: Die Ampel hat ein Herz für die Finanz- und Vermögens­eliten. Nun könnte man diese Tatsache achselzuckend hinnehmen – machtpolitisch ist sie leicht erklärbar, weil sie die Bedingung der FDP für dieses Bündnis war. Aber man sollte schon darüber reden, wie grundfalsch und folgenschwer diese Setzung ist. Olaf Scholz hat im Wahlkampf die Idee vertreten, die wenigen Topverdiener etwas stärker zu belasten, um 96 Prozent der SteuerzahlerInnen zu entlasten. Was ist daran plötzlich falsch? Man weiß es nicht.

Dass dieses Versprechen schon vor dem offiziellen Start der Koalitionsverhandlungen im Papierkorb landet, ist auch eine Botschaft an die NormalverdienerInnen. Und sie hat mit Respekt, den Scholz an anderer Stelle gerne betont, eher wenig zu tun. Und der Wegfall der Vermögensteuer? Ist realitätsfremd. Die Vermögensungleichheit ist in Deutschland grotesk hoch. Die reichsten 10 Prozent besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens, also Immobilien, Aktien und so weiter. Die ärmere Hälfte besitzt fast nichts.

Diese Unwucht zu akzeptieren ist fahrlässig. Erstens braucht die Koalition dringend Geld, sie verzichtet ohne Not auf eine Einnahmequelle. Zweitens sind Gesellschaften, in denen die Spaltung weniger krass ist, glücklicher. Studien zeigen, dass die Menschen gesünder sind, älter werden und weniger oft kriminell. Und drittens macht es etwas mit einem Land, wenn wenige über unglaublich viel Geld, viel Macht und viele Privilegien verfügen, während eine Armee von Habenichtsen nicht weiß, wie sie eine Autoreparatur bezahlen soll. Das Vertrauen in die Demokratie erodiert. Ein echter Aufbruch wäre es, Ungleichheit endlich zu bekämpfen.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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