Nach der FBI-Razzia bei Trump: Aus dem Autoritarismus-Handbuch
Die Reaktionen auf die Razzia bei Trump zeigen: Um die USA steht es schlecht. Systematisch zerstören die Republikaner das Vertrauen in den Rechtsstaat.
U m die USA steht es schlecht. Zwei Tage ist die FBI-Razzia im Anwesen des Ex-Präsidenten Donald Trump in Mar-a-Lago jetzt her. Noch sind keine wirklichen Details darüber bekannt geworden, welche Art von Beweismitteln die Bundespolizist*innen dort wirklich gesucht oder gefunden haben.
Juristische Expert*innen gehen davon aus, dass es um sehr Gravierendes gehen muss, wenn FBI-Führung und Justizministerium einen Bundesrichter dazu bewegen konnten, erstmals in der US-Geschichte einen Durchsuchungsbefehl für den Privatsitz eines Ex-Präsidenten zu unterschreiben. Aber statt erschrockene Bescheidenheit zu zeigen, springt ein Großteil der Führung der Republikanischen Partei Trump darin bei, die Durchsuchung als rein politisch motivierte Übergriffigkeit des „Regimes“ zu beschreiben.
Justizermittlungen gegen führende Vertreter*innen der eigenen Organisation kennt nahezu jede Partei der westlichen Welt. Die normalen Reaktionen passen in ein Bullshit-Bingo: Wir müssen die Ermittlungen abwarten. Wir vertrauen XY. Solle tatsächlich ein Fehlverhalten vorliegen, werden wir Konsequenzen ziehen. Die Vorwürfe sind schwerwiegend, aber es gilt die Unschuldsvermutung.
Und so weiter, 1.000-mal gehört. Verdichten sich die Vorwürfe, ist die betreffende Person meist gezwungen, die politische Bühne zu verlassen, oft gepaart mit der Unschuldsbekundung, aber mit dem Zusatz, man wolle das Amt oder die Partei oder die Familie oder alle drei nicht weiter belasten.
Nicht so in den USA. Es ist vollkommen offensichtlich, dass 2016 mit Donald Trump ein Mann zum Präsidenten gewählt wurde, der schon als Unternehmer ständig im Konflikt mit dem Gesetz stand – und sich meist durch kostspielige Vergleiche freikaufte –, und der seinen laxen Umgang mit gültigen Regeln auch im Weißen Haus und danach fortsetzte. Trump hat schon immer hinter allem Unbill mit Ermittlungsbehörden irgendwelche Feinde oder Neider am Werk gesehen.
Ewiger Opferstatus
Nur war er mit dieser Idee als Unternehmer in der Regel vollkommen allein. Jetzt folgen ihm darin Millionen von Anhänger*innen – und etliche der wichtigsten Vertreter*innen der Republikanischen Partei, die bei den Zwischenwahlen im November gern die Kontrolle über den Kongress zurückgewinnen will. Stärker kann man das Vertrauen in eine unabhängige Justiz und rechtsstaatlich agierende Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden nicht zerstören.
Schon rufen die gleichen Gruppen, auf deren Telegram-Kanälen der Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 vorbereitet worden war, recht unverhohlen zum bewaffneten Endkampf. Gleichzeitig zum Untersuchungsausschuss, der detailliert nachweist, wie Trump damals den Mob anstachelte und nichts tat, um die absehbare Gewalt, abzuwenden, machen führende Republikaner wie etwa deren Fraktionschef im Repräsentantenhaus heute exakt das Gleiche.
Kein Wunder, dass etliche wegen des Kapitolsturms angeklagte oder verurteilte Gewalttäter republikanische Vorwahlen gewinnen. Nicht obwohl, sondern gerade weil sie am Putschversuch teilgenommen haben. Im November werden einige von ihnen gewählt werden.
Was die USA erleben, ist quasi direkt aus dem Handbuch des Rechtsautoritarismus übernommen. Ewiger Opferstatus gegenüber dem zunächst noch stärkeren „Establishment“ bis zur Zerstörung der demokratischen Institutionalität nach Machtübernahme. Es ist eben kein Zufall, das der einzige erfolgreiche europäische Vertreter dieser Politik, Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, gerade in Texas bei der konservativen Jahresversammlung auftrat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit