CDU-Plan zu Migration: Merz und die Logik der Erpressung
Der Kanzlerkandidat der Union wirkt kopflos und affektgesteuert. Seine überschäumende Rhetorik spielt den Rechtsextremen in die Hände.
![Friedrich Merz spricht in ein Mikrofon Friedrich Merz spricht in ein Mikrofon](https://taz.de/picture/7494107/14/Merz-Migration-Asyl-1.jpeg)
N ach Deutschland sind in den letzten 15 Jahren netto rund fünf Millionen Menschen eingewandert. Das Gros waren Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und der Ukraine. Migration ist Stress für Kitas, Schulen, den Wohnungsmarkt. Zuwanderung zu begrenzen, ist keine unmoralische Forderung. Sie ist, im Rahmen des Rechts, legitim.
Was Friedrich Merz derzeit macht, ist etwas anderes. Er bedient eine faktenfreie, alarmistische Notstandsrhetorik. Deutschland erlebe die „größte Migrationskrise“ seiner Geschichte – dabei gehen die Asylanträge drastisch zurück. Zehntausende abgelehnter Asylbewerber in Deutschland seien „tickende Zeitbomben“. Wenn die politische Mitte solche Botschaften sendet, kommen die bei Rechtsextremen oft als Ermächtigung an, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Merz spielt mit dem Feuer.
Und er setzt, ähnlich wie Trump gegenüber Kolumbien, auf Erpressung. Genau das ist Merz’ Ansage an SPD und Grüne, dem europarechtlich gelinde gesagt problematischen Fünf-Punkte-Antrag der Union gefälligst zuzustimmen. Keine Kompromisse mehr. Das ist die Sprache der Entscheidungsschlacht.
In der Konsenslogik der alten Bundesrepublik ist dieses Manöver töricht, zumindest ein vermeidbares Risiko. SPD und Grüne sind angeschlagen, der Zeitgeist ist konservativ. Die Union könnte gemütlich am 23. Februar die Wahl gewinnen. Es würde reichen, keine Fehler zu machen. Jetzt klebt an der Union der Verdacht, gemeinsame Sache mit der AfD zu machen. Denn es ist möglich, dass Merz’ Fünf-Punkte-Plan mit Stimmen der AfD den Bundestag passiert. Das wäre die Implosion der politischen Mitte. Ein Geschenk mit Schleifchen an die rechtsextreme AfD. Von den Liberalen in der Union hört man derzeit kein Wort. Mut geht anders.
Merz wirkt kopflos, ungeduldig und affektgesteuert und ohne jeden Weitblick. Er erpresst SPD und Grüne – und wirkt doch wie einer, der sich von der AfD treiben lässt. Merz, der noch nie regiert hat, verstärkt gerade alle Vorbehalte gegen ihn. Kann jemand, der sich zu solcher Panikattacken-Rhetorik hinreißen lässt, als Kanzler mit Trump und Putin verhandeln?
In der Logik der politischen Kultur der alten Bundesrepublik hat der Kanzlerkandidat der Union einen grotesken Fehler gemacht. Aber leben wir noch in dieser Republik? Oder gelten bei uns die Gesetze des Populismus, die überschäumende Rhetorik honoriert, die auch vor Rassismus keinen Halt macht? SPD und Grüne können Merz’ Erpressung nicht nachgeben. Ob ihnen das am 23. Februar hilft, ist offen.
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