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Krieg im Nahen OstenKeine Parteinahme

Gastkommentar von Zafer Şenocak und Zafer Senocak

Auf beiden Seiten des Nahostkonflikts gehören Fanatiker zu den Regierenden. Die Guten und die Bösen schlechthin gibt es hier nicht.

Ein palästinensisches Mädchen im Gazastreifen auf der Flucht Richtung Süden am Sonntag Foto: Ibraheem Abu Mustafa/reuters

N ein, dieses Mal ist es kein Krieg zwischen Israelis und Palästinensern. Jener Krieg wird seit fast hundert Jahren geführt. Er wurde immer wieder unterbrochen und auf beiden Seiten gab es den aufrichtigen Versuch, eine Friedenslösung zu finden und das Blutvergießen zu beenden. Nur Fanatiker glauben an eine andere Lösung dieses Konflikts als durch einen ausgleichenden Frieden.

Genau diese Fanatiker aber sind inzwischen keine Randgruppen mehr. Auf beiden Seiten des Konflikts gehören sie zu den Regierenden. Dieser Krieg ist ein Krieg, den jüdische und arabische Fanatiker kämpfen. Der Extremismus lebt vom blinden Glauben, und im Heiligen Land leben nun einmal viele Blindgläubige. Sonst wäre es ja auch nicht das Heilige Land. Es sind Glaubende, für die aufklärerisches Denken und Menschenleben wenig bedeuten.

Nein, diese Menschen teilen nicht humanistische Werte, weder auf der arabischen noch auf der jüdischen Seite. Sie denken in Freund-Feind-Schemata. Sie respektieren den anderen nicht. Sie verachten ihn und treten seine Würde ohne Wimpernzucken mit den Füßen. Ich habe nicht die geringste Sympathie für islamistische Bewegungen. Wer meine Bücher und Artikel kennt, weiß das.

Mir ist klar, dass solche Bewegungen nur ein Ziel haben: liberale Demokratien zu zerstören und die offene Gesellschaft nach den Regeln der Scharia zu ersetzen. Beispiele religiöser Diktaturen und die Zersetzung pluralistischer Systeme durch islamisch inspirierte Politiker gibt es genug. Jeder weiß, wie erbärmlich das Leben in solchen Ländern aussieht.

Zafer Senocak

ist 1961 in Ankara zur Welt gekommen. Er lebt seit 1989 in Berlin. Sein letztes Buch ist der Roman „Eurasia“, Babel Verlag, München 2023.

Opfer auf beiden Seiten

Doch diese Erkenntnis führt bei mir nicht dazu, Sympathien für eine nun schon sehr lange andauernde israelische Politik zu hegen, an der aufgrund der Äußerungen von regierenden Politikern rechtsextremistische, ultranationalistische und antidemokratische Kräfte wirken. Ist nicht die eigentliche Ursache des Konflikts, dass auf beiden Seiten Kräfte erstarkt sind, die gar keine Lösung wollen und jede Brutalität zu einer Ausweitung der Kampfzone und zum Zerschlagen des anderen und jeglichen Friedensansatzes nutzen?

Und was machen wir: Demokraten, Liberale, Humanisten aus West und Ost? Wir haben jahrelang zugeschaut und jetzt verpflichten wir uns dazu, Partei zu ergreifen. Jeder von uns weiß, dass der Konflikt nicht an diesem schrecklichen 7. Oktober begonnen hat und dass es brutalisierte Kräfte auf beiden Seiten gibt, die ihn schüren. Unsere Lebenslüge aber heißt: Israel ist das Opfer, Palästinenser sind Aggressoren, Terroristen.

Augenscheinlich ist die Vorstellung unmöglich, dass all diese nichtjüdischen Menschen zu Hause sind, wenn sie sich auf israelischem Territorium aufhalten. Es ist auch ihr Zuhause und wird ihr Zuhause bleiben. Nein, einen Dienst an Israel kann ich unter einer einseitigen Parteinahme für das Agieren dieser israelischen Regierung nicht erkennen. Und auch keinen Dienst, um die Lebenswirklichkeit der Palästinenser zu verbessern.

Eine Staatsräson im Sinne des Grundgesetzes und der historischen Verantwortung Deutschlands, die zweifellos nicht negiert werden kann, müsste indes beides formulieren: sowohl das Existenzrecht Israels und Schutz des jüdischen Lebens als auch ein Ende der Entrechtung der Palästinenser und der völkerrechtswidrigen Besatzung ihrer Heimat. Das aber ist heute nur noch ein Lippenbekenntnis.

Allianz der Aufgeklärten

Eine Allianz der Aufgeklärten, der humanistisch gesinnten Menschen tut not. Nur sie kann verhindern, dass sich die Gräben zwischen Nord und Süd, zwischen West und Ost, zwischen den Kulturen aus unterschiedlichen Traditionen weiter vertiefen. Eine Parteinahme für die Sichtweise des israelischen Staates reicht nicht aus und wirkt am Ende sogar kontraproduktiv.

Sollte irgendetwas Gutes der jetzigen Lage folgen, dann wäre es der Zusammenbruch extremistischer Positionen, sowohl in Israel als auch auf palästinensischer Seite, die Wiederaufnahme der gegenseitigen Anerkennung, angefangen mit der Wiederherstellung des verloren gegangenen gegenseitigen Respekts. Ich bin optimistisch und ich will versuchen zu erklären, warum. Israels Stärke liegt gar nicht in seiner Rüstung und seiner mobilisierbaren Bevölkerung.

Denn die militärische Stärke ist nur eine Bestätigung des Kriegszustands. Die eigentliche Stärke liegt in der kulturellen Dynamik des Landes, die in einem feindlichen Umfeld das Überleben einer demokratischen Struktur ermöglicht hat. In diesem Geist handelte Jitzchak Rabin. Nach dessen Mord durch einen jüdischen Extremisten wurde das säkulare, aufgeklärte Israel von den radikalen Siedlern immer weiter zurückgedrängt. Eine Parallele dazu gibt es auch auf der palästinensischen Seite.

Extremisten, egal wo, sind demografisch im Vorteil, doch sie sind nicht in der Lage, offene Gesellschaften hervorzubringen. Stattdessen zeichnen sie verantwortlich für Abschottung, Krieg und Zerstörung. Das macht sie auf lange Sicht selbstzerstörerisch und nicht überlebensfähig. Wir in Europa dürfen uns die Welt nicht schönreden, auch nicht jene, die uns nahegeht, die uns ans Herz gewachsen ist. Kolonialarchitektur ist schön, Kolonialismus war grausam.

Wir würden uns selbst Respekt damit verdienen, eigene Positionen und die dunklen Kapitel aus der eigenen Vergangenheit kritisch zu sichten. Kein noch so unverdaulicher Speiseplan im Nahen Osten kommt ohne europäische Zutaten aus. Eine Aufarbeitung des kolonialen Erbes und der hegemonialen Einmischung findet bislang nur zaghaft statt. Auch deshalb ist die Suche nach Verbündeten, mit denen keine Wertegemeinschaft gebildet werden kann, unverantwortlich.

Wenn Enklaven aus ihrer Isolation ausbrechen, andere ausgrenzen, sich untereinander endlos bekriegen und auf den Messias warten, sollten wir nicht applaudieren, weder für die eine noch für die andere Seite, und mitmachen schon gar nicht.

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70 Kommentare

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  • Sie sagen nichts Neues - "Klammergriff ausländischer Maechte" hin, "extrem wichtiges ethnisches Element" her -Tatsache ist, dass es in Gaza keine Opposition gibt. Durch die Erwaehnung der Vertreibungsnarrative - in der Tat festgekloppt durch Propaganda - bestätigen Sie sogar selbst, dass die Bevoelkerung von Gaza extrem indoktriniert ist - und von wem denn, wenn nicht von der Hamas, die als Einzige in Gaza Propaganda betreiben darf? Und was, bitteschön, soll eine "mindestens tendenzielle Gleichsetzung" sein?

  • "Enklaven", "Messias", "applaudieren", "mitmachen", für mich sind das sehr gruselige Worte an denen alles falsch ist. Das Töten mag etwas entfernt stattfinden, der Konflikt aber auch mitten in unserer Gesellschaft. Es ist notwendig, sich zu positionieren und sich einzumischen, notfalls gegen beide Parteien, oder für beide, es gibt aber nichts Falscheres als Passivität. Applaudieren ist schrecklich, aber Nicht- Applaudieren ist auch nichts wert. Und gemütliches postkolonialistisches Aufarbeiten ist nur die Beschäftigung mit sich selber. Dann sich besser die Hände schmutzig machen, dann lieber mit dem Teufel sprechen und dann sich den Messias andichten lassen, auf den aber übrigens überhaupt niemand wartet.

  • Zafer Senocak hat recht und unrecht zugleich: unmöglich erscheint mir das Bemühen, in diesem Konflikt so etwas wie politische Äquidistanz oder Neutralität gegenüber beiden Parteien zu bewahren, jedenfalls nicht aus deutscher Perspektive. Aus Sicht eines deutsch-türkischen Säkularen hingegen mag das vielleicht möglich erscheinen.



    Der Satz, den ich unterschreiben kann: die Staatsräson gegenüber dem Eintreten für das Existenzrecht Israels muss das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser einschließen. Nur so wird Deutschland seiner Verantwortung gerecht. Weder einseitige Parteinahme noch Raushalten wäre verantwortlich.

  • Wie praktisch doch, dass Israel grad so eine üble rechte Regierung hat, das vereinfacht doch so manche Argumentation erheblich. Dabei dürfte allen klar sein: auch eine linke Regierung würde jetzt die Hamas um jeden Preis militärisch vernichten wollen. Bzw: müssen. Dabei Zivilisten schonen kann die IDF, wie sie will, dif Hamas lässt es nicht zu.



    Oder wie waren nochmal die Alternativvorschläge des Autors?

    • @dites-mois:

      Leider wahr.

  • Es ist ja schön und gut, mit dem Ziel des Friedens die Tatsache zu benennen, dass Extremisten, die keine Lösung in Koexistenz wünschen, auf BEIDEN Seiten am Werk sind. Das rechtfertigt zwar immer noch keine Neutralität angesichts der Hamas-Massaker (unmöglich vom Autor, deren besondere Qualität nicht zu benennen!), aber immerhin ist es ein - nicht ganz neuer - Hinweis auf Lösungsansätze.

    Nur: Der aktuelle Konflikt hat in zumindest(!) einer Hinsicht zwei sehr unterschiedliche Seiten: Für Israel besteht die Hoffnung, dass die Hardliner, die aktuell in der Regierung sitzen, wieder abgewählt werden. Auch deren Macht existiert ja nicht im "luftleeren Raum": Der Grund, warum Netanjahu immer wieder rechte Mehrheiten im Knesset schmieden kann ist vielmehr, dass sich zu den radikalen Siedlern sich (Mit-)Wähler gesellen, die einfach nur Angst haben. Denn sie sehen auf der anderen Seite ERST RECHT keine Hoffnung auf eine friedliche Lösung, da dort wirklich niemand etwas gegen die Extremisten unternimmt - nicht mal notwendigerweise aus Unwillen sondern sicher zum Teil auch, weil Hamas und ihre Brüder im Geiste (und faktisch auch die Fatah) eben nicht anfecht- geschweige denn abwählbar SIND.

    Es heißt immer "Ja wie sollen denn die Leute in Gaza die Gewaltherrschaft der Hamas stürzen?" - schaffen sie nicht, richtig. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass mit der Hamas als faktischem Machtzentrum in Gaza NIE eine Koexistenz möglich sein wird (mal von der absoluten Unerträglichkeit ihrer Methoden ganz abgesehen). Das haben die letzten anderhalb Jahrzehnte gezeigt, die für den Gazastreifen ganz anders hätten laufen können, wenn die Hamas nur Frieden gewollt hätte. Also MUSS die Hamas entmachtet werden, damit es Frieden geben kann - und wenn das nicht von innen geht, dann ist eben die IDF die einzige Macht, das bewerkstelligen kann und/oder will.

    • @Normalo:

      Die Hoffnung, dass die Radikalen in Israel die Macht verlieren, ist wohl eher eine theoretische. Als Rabin



      sich damals an einer friedlichen Lösung des Problems versucht hat, wurde er bekanntlich von einem israelischen Siedler ermordet. Die Folgen waren seltsamerweise eine kontinuierliche Rechtsverschiebung der politischen Landschaft Israels.

    • @Normalo:

      „Für Israel besteht die Hoffnung, dass die Hardliner, die aktuell in der Regierung sitzen, wieder abgewählt werden.“



      Eine Hoffnung, die ich teile. Im Falle massiver äußerer Bedrohung hat sich die israelische Gesellschaft jedoch immer noch in ihre zionistische Wagenburg zurückgezogen. Das sage ich ohne Wertung in die eine oder andere Richtung. Leichte Anzeichen sehe ich - trotz der Zäsur, die der 7. Oktober bedeutete - , dass das gerade aufbricht, zu erkennen an der doch sehr starken Kritik, die Netanyahu nun im eigenen Land erfährt. So richtig gefährlich für ihn und die Regierungsparteien wiegt der Vorwurf, der Hamas-Überfall konnte auch deshalb gelingen, weil die Sicherheit des israelischen Kernlandes fahrlässig zugunsten ihres rechten Wählerkluentels in den Westbanks vernachlässigt wurde.

      • @Abdurchdiemitte:

        Ich bin vorsichtig, was schnelle Änderungen an der Position Israels betrifft. Eine Hoffnung auf ein Art israelischen Obama als nächsten Regierungschef könnte, selbst wenn sie sich bewahrheitet, wie beim Original in der Ernüchterung enden, dass auch der gewisse Grundparameter der bisherigen Politik seines Landes nicht antasten würde. In Israels Fall wäre das, niemals die Position der Stärke und eine robuste Verteidigungsbereitschsft aufzugeben, solange es die bekannten Todfeinde gibt, die nur darauf warten, dass Israel sich angreifbar macht. Eine etwa souveräne Westbank bleibt für diese Grundausrichtung aus rein geografischen Gründen ein Problem. Wer das nicht lösen kann, wird entweder wenig zu Beendigung des Konflikts beitragen oder nicht lange an der Macht bleiben, fürchte ich.

        Von daher ist es zwingend, dass die Todfeinde weniger werden. These: Der Iran allein kann Israel nicht wirklich gefährlich werden, wenn die sunnitischen Staaten und die Palästinenser das Existenzrecht Israels nachhaltig akzeptieren und glaubhaft eine Zwei-Staaten-Lösung auch im Sinne Israels stützen. Aber dafür muss erst die Hamas als politischer und militärischer Faktor verschwinden und der Weg für eine Annäherung freigemacht werden. DANN schwindet auch dauerhaft der Nährboden für die Hardliner in Israel.

        • @Normalo:

          Ich sehe langfristig für eine Konfliktlösung nur zwei Szenarien: entweder Israel zieht sich aus den besetzten Gebieten zurück, einschließlich der Räumung der israelischen Siedlungen im Westjordanland. Das muss natürlich in eine umfängliche Sicherheitsarchitektur eingebettet sein, die das Existenzrecht des israelischen Staates (in seinem Selbstverständnis als jüdischer Staat) garantiert. Es wäre die Rückkehr zur Formel “Land gegen Frieden” und zu der Möglichkeit einer Zweistaaten-Lösung.



          Oder aber Israel “integriert” Gaza und die Westbanks (oder nur das Westjordanland, Gaza könnte beispielsweise zu Ägypten oder längerfristig unter UN-Verwaltung kommen) in einem friedlichen Prozess der Übereinkunft mit seinen arabischen Nachbarn und der palästinensischen Bevölkerung dort. Das beinhaltet dann auch die volle rechtliche, politische und ökonomische Gleichberechtigung der Palästinenser in einem gemeinsamen Staat. Dieser Staat - wie immer man ihn nennen will - wäre dann zwangsläufig kein rein jüdischer Staat mehr. Warum sollte das so abwegig sein, sind doch jetzt 20% der israelischen Staatsbürger arabischer Abstammung?



          Welches Szenario halten Sie eigentlich für realistisch oder erstrebenswert? Sehen Sie möglicherweise noch andere Lösungen (damit meine ich jetzt nicht die Vertreibung der Palästinenser aus ihren Siedlungsgebieten und deren Einverleibung durch Israel)?



          Leider gehen Sie mit Ihren Überlegungen immer nur von einer Prämisse aus, nämlich dass die arabische/palästinensische Seite sich bewegen muss. Aber Israel wird nicht umhin kommen, selbst in den innergesellschaftlichen Konflikt um die Zukunft des Landes zu gehen. Wie mit 600.000 Siedlernationalisten verfahren, die nicht freiwillig ihre Bastionen räumen werden? Welches wird der zukünftige Charakter des Staates sein: säkular, jüdisch oder multiethnisch? Wie passt das alles noch mit der zionistischen Gründungsidee zusammen?

          • @Abdurchdiemitte:

            Zu Ihrer Frage: Ich persönlich halte eine Zwei-Staaten-Lösung für realistischer. Ein wirklich "gemeinsamer" Staat ist eine zu langfristige Perspektive, als dass sie angesichts der asymmetrischen Machtverteilung und der involvierten Temperamente und Ressentiments machbar erscheint. Auf dem Weg dahin würde es noch etliche Male krachen, und dann heißt es jedes Mal von null zu beginnen.Vielleicht eines Tages, wenn die zwei Staaten etabliert und friedlich miteinander sind und DANN erkennen, dass man ohne Streit dann auch zusammen besser fährt als getrennt, aber das ist aus meiner Sicht Zukunftsmusik.

            ...und zu Ihrem Einwand: JA, ich sehe den Bedarf zur ersten Bewegung auf arabisch/palästinensischer Seite, und dafür habe ich auch meine Gründe:

            1. Israel will niemanden vernichten, außer vielleicht Jenen, die ihrerseits Israel vernichten wollen. Solange es solche für sich handlungsfähige "Jene" wie die Hamas gibt, die ALLES in Kauf nehmen, um nur ja einen Frieden mit Israel zu verhindern, kann das die arabische/ palästinensische Seite so nicht für sich behaupten. Jede auf dem status quo basierende "Sicherheitsarchitektur" hätte daher einen fatalen statischen Geburtsfehler, den es ergo ERST auszuräumen gilt. Vorher kann Israel aus den erwähnten geografischen Gründen auch eine gemäßigt agierende Westbank nicht hergeben.

            2.In Israel FINDET bereits ein ergebnisoffener Diskurs statt, wie man mit dem Problem der besetzten Gebiete umgehen kann. Der schlägt nur aktuell ganz sicher nicht in die Richtung aus, dass es eine gute Idee wäre, die Besatzung einseitig aufzugeben. Der Grund dafür steht unter 1..

            Was Israel tun KÖNNTE, wäre ein Abbruch der aggressiven Siedlungspolitik (den ich SEHR begrüßen würde). Der würde nur Hamas, Iran & Co. auch nicht milder stimmen, weshalb ja auch die Siedlungsbefürworter nicht eingestehen, dass das jetzt als erster Schritt wirklich nötig ist. Das wäre also ein Ansatzpunkt für eine neue Regierung, guten Willen zu zeigen, aber noch KEINE Lösung.

  • Der Versuch, eine Äquidistanz aufzubauen, der schlecht funktioniert. Es ist gerade nicht so, dass einfach nur Extremisten gegeneinander kämpfen. Eine Terrororganisation hat Staatsbürger auf deren Territorium angeriffen, getötet, gefoltert - und dieser Staat und seine Gesellschaft wehren sich. EinTeil der Oposition ist in die israelische Regierung eingetreten, Reservisten, die ihren Dienst wegen der innerisraelische Auseinandersetzungen verweigert haben, haben ihren Dienst wieder aufgenommen. Und es findet eine politische Debatte in Israel statt, wie die Geiseln zurück geholt werden können, welches Maß die Kriegsführung haben darf, welche Schuld Netanjahu an dieser Situation trägt (und er wird dies politisch wohl nicht überleben). Auf der anderen Seite beschießt Hamas fliehende Zivilisten, ihre eigenen Leute, oder mißbraucht sie als menschliche Schutzschilder. Und nein, es gibt keine alternativen, moderate Kräfte in Palästina, vielleicht am ehesten noch in Israel selbst, wo sie die Möglichkeit haben, demokratisch zu agieren. Die korrupte PA hat keine Durchsetzungsmacht mehr, nur wenige Palästinenser wagen sich, die Hamas für ihre Verbrechen verantwortlich zu machen.



    Es ist eher patriachalisch (und kolonialistisch anmaßend) jetzt von außen schlicht beide Seiten als extremistisch zu charakterisieren und irgendwelche "Allianzen der Vernünftigen" zu gründen (die im Auge des Verfassers ja wohl im Nahen Osten nicht mehr zu finden sind).

  • "Eine Aufarbeitung des kolonialen Erbes und der hegemonialen Einmischung findet bislang nur zaghaft statt."

    Nun hat Deutschland bzw. das Deutsche Reich aber keine hegemoniale Einmischung in Palästina zu reflektieren.

    Die Türkei, Großbritannien und Frankreich, gut.

    Es wird wohl niemandem in Palästina weiterhelfen, wenn Deutsche das koloniale Erbe der Türkei oder Großbritanniens reflektieren.

    Wenn das jemand anders sehen sollte:

    Ich habe kein Problem damit, dass sich Baerbock für die lange Unterjochung der Araber im Osmanischen Reich und für das britische Protektorat als Mandat des Völkerbundes entschuldigt.

    • @rero:

      Palästina und Israel sind mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Völkermord an den Jüdinnen und Juden sehr stark verbunden. Das geht uns doch alle an, und es beschäftigt uns, sonst müssten auch Sie sich nicht zu Wort melden!

      • @gleicher als verschieden:

        Tut es definitiv.

        Gerade deshalb denke ich, dass die Argumentation, "wir" müssten erstmal "unser" koloniales Erbe aufarbeiten, am Konflikt vorbeigeht.

    • @rero:

      Nur zur Klarstellung: Die Araber wurden im osmanischen Reich nicht mehr unterdrückt als alle anderen Untertanen. Und das osmanische Reich hat seine Untertanen nicht mehr unterdrückt als die europäischen Feudalstaaten die ihren.

      • @Francesco:

        Nicht mehr als die Griechen/Orthodoxen. Weniger sogar.

        Aber zu behaupten, dass es keine rassistische Verachtung der türkischen Monarchie gegenüber Arabern - gerade im Nahen Osten - gegeben habe, ist nicht richtig.

        Wäre es nicht so gewesen, dass die türkische Hegemonie sich sowohl bei arabischen Muslimen als auch palästinensischen Juden mächtig unbeliebt gemacht hätte, wären die Karrieren von Richard Meinertzhagen einerseits und Thomas Lawrence andererseits deutlich anders verlaufen. (Selbst wenn man anerkennt, dass die beiden niemals ein griffiges Narrativ von der Realität versauen lassen mochten.)

      • @Francesco:

        Von wem haben Sie das?

      • @Francesco:

        Das ist jetzt aber kein Plädoyer dafür, das osmanische Reich wieder aufleben zu lassen? Damit wäre der Konflikt in Nahost nämlich auch „gelöst“.😉

      • 6G
        665119 (Profil gelöscht)
        @Francesco:

        Das kommt ganz darauf an, welchem "Millet" (Religionsgemeinschaft) sie angehörten. Bürgerrechte und Nationalismus war damals noch Hexenwerk des Westens. Die politische Verfassung des Reiches kam aus der Sharia. Und da hatten Dhimmis Schutzgeld zu zahlen, ihre Erstgeborenen als Sklaven abzuliefern und auf der Straße den Blick vor jedem Muslim zu senken.

      • @Francesco:

        Warum setzen Sie sich hier eigentlich mit solcher Energie dafür ein, die tiefen Kratzer und düsteren Täler aus der ruhmreichen türkischen Nationalgeschichte heraus zu polieren? Verfügen Sie über "alternative" Quellen hinsichtlich der türkischen Geschichte? Fällt schon auf, wie Sie hier versuchen für die Türkei in die Bresche zu springen.

  • Ein gut formulierter Gastbeitrag,der mir aus dem Herzen spricht.Auf beiden Seiten sind Leute am Drücker deren Agenda einfach nur häufchenmäßig ist.Solange das der Fall ist wird es keine friedliche Lösung geben.

  • "Unsere Lebenslüge aber heißt: Israel ist das Opfer, Palästinenser sind Aggressoren, Terroristen."

    Wer ist dieses "Wir"?

    Ich erlebe es nicht.

    Mir fällt niemand ein, der die Netanjahu-Regierung nicht für problemtaisch halten würde.

  • "Die Guten und die Bösen schlechthin gibt es hier nicht."

    Dass es an durch und durch "Guten" in diesem Konflikt mangelt, ist eine Binse. Für die Behauptung, die menschenverachtende Hamas gehöre nicht zu den "Bösen schlechthin", sollte man sich allerdings schämen.

    Und dann wird wieder die Schuld in Europa und Deutschland gesucht... Ich kann es langsam nicht mehr hören. Alles auf der Welt hat eine Vorgeschichte. Äußere Einflüsse gab es immer. Aber die sind nur Katalysatoren. Eine gewisse Eigenverantwortung für die Fanatiker, die nach islamischen Gottesstaaten und der Scharia schreien, muss man der arabischen Welt schon lassen.

    Und natürlich gibt es Fanatismus auf beiden Seiten. Aber die unterschiedlichen Qualitäten aus der Diskussion ausklammern zu wollen, während man sich als Stimme der Vernunft gibt, lässt mich kopfschüttelnd zurück.

    • @Fairchild670:

      Es ist in der Tat erstaunlich in welch faktenresistenter Weise erst Täter-Opfer-Umkehr betrieben wird, um dann die Großschuld am ganzen Schlamassel der europäischen Kolonialgeschichte zu geben. Dass z.B. muslimische Eroberer Teil der sich verschiebenden Großreiche waren, dass auch die Osmanen die nur eine weitere Imperialmacht waren, sich das "Heilige Land" wieder von den Briten haben abnehmen lassen, scheint nicht Teil des eurozentrischen Weltbildes zu sein. Ebenso kommt die für die Flüchtlingssituation ursächliche Rolle der israelischen Nachbarstaaten ebenso in diesen kruden Weltbildern nicht vor. Da gibt es nur ein Israel, welches von den linken Antisemiten als verlängerter Arm des verhassten kapitalistischen Amerikas gesehen wird und von den muslimischen Antisemiten als Sinnbild des verdorbenen und ungläubigen Westens betrachtet wird. So schließen sich die Reihen zwischen Antisemiten unterschiedlicher Couleur.

      • @Klaus Kuckuck:

        "Dass z.B. muslimische Eroberer Teil der sich verschiebenden Großreiche waren, dass auch die Osmanen die nur eine weitere Imperialmacht waren, sich das "Heilige Land" wieder von den Briten haben abnehmen lassen, scheint nicht Teil des eurozentrischen Weltbildes zu sein. "

        Sie könnten auch einmal recherchieren, inwiefern sich ein Großreich wie das osmanische von einem Kolonialreicht wie dem britischen unterschied.

        • @Francesco:

          Im Osmanischen Reich wurde die einzige Volksvertretung nach nur einem Jahr 1878 schon wieder geschlossen und nicht mehr aufgemacht. Über eine Verfassung stritten die Osmanen sogar bis zum Untergang des Reiches. Insofern gibt es natürlich einen Unterschied zu Großbritannien, wo wenigstens die Briten frei wählen durften und Grundrechte besaßen. Ansonsten wäre Ghandis friedlicher Protest ja auch sinnlos geblieben, weil er nur über Wähler in England wirken konnte. Aber wo alle gleich rechtlos sind wie im Osmanischen Reich, da gibt es natürlich auch kein Gefälle unter den Volksgruppen. Ob das allein schon postkolonial ist?

        • @Francesco:

          Wenn Sie es schon recherchiert haben, lassen Sie es uns bitte an Ihrem Wissen teilhaben - gern auch mit Quellenangaben...

        • @Francesco:

          Und was soll das bringen, außer einer gewissen Erweiterung des Horizonts? Natürlich gibt es da Unterschiede, aber es ändert doch nichts an der Tatsache, dass dieses Gebiert immer wieder von "ortsfremden" Eroberern unterworfen worden ist.



          Es ist ja schön, wenn wir Europäer unsere koloniale Vergangenheit kritischer sehen, aber dieses dauernde sich in den Staub werfen und alles Elend der Welt auf sich nehmen, ist ziemlich anstrengend zu ertragen.

          Beim letzten "Jahrestag" der Kreuzzüge" konnte man das schön beobachten. Selbstkritik bis zur Selbstverleugnung, aber dass das "Heilige Land" einmal Teil des christlichen Byzanz gewesen war, das die muslimischen Araber erobert hatten, kaum ein Wort.

          • @ PeWi:

            „Und was soll das bringen, außer einer gewissen Erweiterung des Horizonts?“



            Genau! Darum geht es. Sie haben es erfasst. Dann müssten wir hier nämlich nicht auf Klippschulniveau herumdiskutieren.



            Zum Einstieg würde ich in diesem Kontext die Lektüre von Edward Saids „Orientalismus“ empfehlen, also natürlich nicht ausschließlich Ihnen, sondern allen an dieser Debatte Beteiligten.



            de.m.wikipedia.org/wiki/Edward_Said



            Aber ein historisches „fun fact“ möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, weil Sie das Heilige Land und dessen Eroberung durch die Muslime ins Spiel brachten: nach Angaben eines arabischen Christen wurden bei der Eroberung Jerusalems durch das Kreuzfahrerheer im Juli 1099 70.000 Einwohner an einem einzigen Tag (!) in einem wahren Blutrausch ermordet und zwar Muslime, Juden. Christen unterschiedlos. Neben religiösem Fanatismus war wahrscheinlich reine Habgier das einzige Motiv für diese schreckliche Bluttat: es ging den Kreuzfahrern darum, die Besitztitel der ermordeten Bewohner Jerusalems an sich zu bringen.



            de.m.wikipedia.org...n_Jerusalem_(1099)

            • @Abdurchdiemitte:

              Edward Saids "Orientalism" gilt zwar als die Bibel der Postcolonial Studies, aber das sagt mehr über diese aus, als über die wissenschaftliche Qualität von Saids Opus.

              Wenn Sie Said empfehlen, sollten sie die grundsätzliche Kritik an ihm auch nicht unterschlagen. Knapp aufgeführt in seine Wiki-Artikel, wie üblich pointiert bei der Jungle World jungle.world/artik...e-mehrheitsmeinung

              Und wenn Sie sich etwas Wissenschaft zumuten wollen: Suzanne Marchand, German Orientalism in the Age of Empire: Religion, Race, and Scholarship

              • @Schalamow:

                Danke für die Literaturtipps. Das schätze ich grundsätzlich an diesem Forum: das man quasi kostenlos seinen intellektuellen Horizont erweitern kann. Wo hat man das sonst noch?



                Das meine ich ganz unironisch.

        • 6G
          665119 (Profil gelöscht)
          @Francesco:

          Das im Kolonialreich die Religionen gleichberechtigt waren.

        • @Francesco:

          Also Sie meinen, dass das Osmanische Reich ohne militärische Macht, ohne zahllose Schlachten und Unterwerfungen Schwächerer zu seiner Größe gekommen ist? Und der Sklavenhandel im osmanischen Reich wurde nicht auf Druck der Europäer verboten, sondern den hat es nach Ihrer Meinung wahrscheinlich gar nicht gegeben. Als nächstes erklären Sie, dass der osmanische Genozid an den Armeniern nur eine weitere Lüge der europäischen Kolonialmächte ist. Klingt nach Geschichtsunterricht in der Türkei, in der die Geschichte der Türken und Osmanen von Ruhm, Heldentum und Ehrenhaftigkeit nur so überschäumt.

          • @Klaus Kuckuck:

            Als die europäischen Mächte zu ihren kolonialen Raubzügen aufbrachen, war das osmanische Reich nur noch ein Schatten seiner selbst, 1683 wurde ihm vor Wien endgültig das Rückgrat gebrochen.



            Und was die Geschichte des Sklavenhandels betrifft: ganze Kolonialmächte verdankten ihm ihre wirtschaftliche, kulturelle und politische Prosperität, so etwa die Niederlande nach ihrer Unabhängigkeit von den spanischen Habsburgern.



            Hinsichtlich des Genozids an den Armeniern im WK1 empfehle ich die Lektüre von Franz Werfels Roman “Die vierzig Tage des Musa Dagh”. Dort hält der Agha Rifaat Bereket - Vorsteher eines mystischen Sufi-Ordens und väterlicher Freund des armenischen Romanprotagonisten Gabriel Bagradian - diesem vor, dass es das westliche Gift des Nihilismus und der Moderne (er meinte damit die jungtürkische Revolution) sei, die den Armenier das Verhängnis gebracht habe, nicht die religiösen Gegensätze.



            Am Ende war der europäische Kolonialismus des 19. Jhdts. gar noch ein Segen für die Länder Asiens und Afrikas, weil er u.a. mit der Abschaffung der Sklaverei legitimiert wurde?

            • @Abdurchdiemitte:

              Was in der Geschichte Segen oder Fluch war, lässt sich nicht immer nur schwarz oder weiß zuordnen. Auffällig ist bei Ihren Ansichten, dass Sie ein schwierigeres Verhältnis zu europäischen Imperatoren im Gegensatz zu nicht europäischen haben. Für Sie mag ein Sultan besser sein als ein Kaiser. Ein Montezuma besser ein Washington. Sie haben da eine starke persönliche Meinung, wodurch Ihre Bewertungen und Ansichten eben entsprechende Tendenzen aufweisen, die aus guten Gründen nicht von jedermann/frau geteilt werden.

              • @Klaus Kuckuck:

                Na, da interpretieren Sie aber einiges in meinen Kommentar hinein, was so nicht darin steht. Kaiser und Sultane, Montezuma und Washington kommen darin jedenfalls nicht vor.



                Aber ja, ich habe ein schwieriges Verhältnis zu europäischen Imperatoren - eigentlich zu allen Imperatoren dieser Welt - , zu vergangenen wie gegenwärtigen, z.B. zu solchen wie Putin oder Erdogan. Was finden Sie daran problematisch?



                Ich lese die Geschichte eben lieber „von unten“, nicht aus der Perspektive der Herrschenden.

  • ,,Eine Allianz der Aufgeklärten, der humanistisch gesinnten Menschen tut not. Nur sie kann verhindern, dass sich die Gräben zwischen Nord und Süd, zwischen West und Ost, zwischen den Kulturen aus unterschiedlichen Traditionen weiter vertiefen. Eine Parteinahme für die Sichtweise des israelischen Staates reicht nicht aus und wirkt am Ende sogar kontraproduktiv.

    Sollte irgendetwas Gutes der jetzigen Lage folgen, dann wäre es der Zusammenbruch extremistischer Positionen, sowohl in Israel als auch auf palästinensischer Seite, die Wiederaufnahme der gegenseitigen Anerkennung, angefangen mit der Wiederherstellung des verloren gegangenen gegenseitigen Respekts.''

    In Köln passiert gerade sowas Gutes!!

    Ein Allianz, die ohne Flaggen auskommt und stattdessen Brücken schlägt!

    www.instagram.com/...ns_jews_for_peace/

    Mehr dazu bei ,,Neugier genügt'' bzw. ,,Redezeit":

    www1.wdr.de/radio/...karaosman-100.html

    ,,Polarisierung zum Trotz



    Demo für den Frieden:

    Israel oder Palästina? Kristina Bublevskaya und Zeynep Karaosman warnen vor schwarz-weißen Sichtweisen. Sie haben die Gemeinschaft "Palästinenser und Juden für den Frieden" gegründet und rufen zur Solidarität mit den Opfern beider Seiten auf.

    "Keine Fahnen, nur Blumen und Kerzen zum Gedenken an die Opfer des Krieges." Mit diesem Appell veröffentlichten Kristina Bublevskaya und Zeynep Karaosman die Ankündigung der Demonstration auf ihrer neu gegründeten Instagram-Seite "Jews and Palestinians for Peace". [...]



    Am 19. Oktober versammelten sich bis zu 500 Gleichgesinnte in der Kölner Innenstadt.

    Die beiden jungen Frauen finden es gefährlich, dass in der Debatte in Deutschland die Solidarität mit der einen Seite die gleichen Gefühle für die andere Seite auszuschließen scheint. [...]

    Ermutigt durch den Erfolg ihrer ersten Demonstration wollen sie es weiter versuchen. Ihre nächste Demonstration findet am 19.11. in Köln statt.''

    Vormerken!

    • @gleicher als verschieden:

      Danke!

    • @gleicher als verschieden:

      Nur nützt diese Gruppe in Köln nichts.

      Selbst wenn bei der übernächsten Demo eine Million Teilnehmer zusammenkommen würden.

      Man wird den Palästinakonflikt nicht in Deutschland oder woanders in Europa lösen.

      • @rero:

        “Man wird den Palästinakonflikt nicht in Deutschland oder woanders in Europa lösen.”



        Das nicht. Aber es setzt ein mutiges Signal für den Umgang mit dem Konflikt in UNSERER Gesellschaft. Mein Dank geht an die Initiatorinnen!

  • Angesichts der Tatsache, dass die israelische Armee in ihrem Selbstverteidigungskampf die uneingeschränkte Solidarität der gesamten israelischen Gesellschaft genießt, erklärt der Autor mit seiner Behauptung "...diese Menschen teilen nicht humanistische Werte, weder auf der arabischen noch auf der jüdischen Seite..." alle Juden und Jüdinnen zu Menschen, die keine humanistischen Werte teilen.



    "Jeder von uns weiß, dass der Konflikt nicht an diesem schrecklichen 7. Oktober begonnen hat und dass es brutalisierte Kräfte auf beiden Seiten gibt, die ihn schüren. Unsere Lebenslüge aber heißt: Israel ist das Opfer, Palästinenser sind Aggressoren, Terroristen." Auch hier irrt der Autor komplett. Nicht nur, dass er die Massaker der Hamas in empathieloser Weise kontextualisiert, sondern auch darin, dass seine Behauptung darüber was "Jeder" wisse, anders als von ihm gewünscht, nur auf die antisemitischen Feinde Israels zutrifft. Schade, dass die Taz solch einseitigen und haltungslosen Meinungen Raum gibt.

  • Wohltuender Kommentar unter den TAZ- Kommentaren.

  • Zweierlei Zionismus?

    Zitat: „…auf beiden Seiten gab es den aufrichtigen Versuch, eine Friedenslösung zu finden und das Blutvergießen zu beenden. Nur Fanatiker glauben an eine andere Lösung dieses Konflikts als durch einen ausgleichenden Frieden.“

    Dies gilt auch für die zionistische Seite, woran Martin Buber schon 1948 erinnerte:

    „Es gibt von den Anfängen des modernen Zionismus an zwei Grundtendenzen in ihm, die zueinander in einem bis in die Tiefe der menschlichen Existenz reichenden Gegensatz stehen...

    Dem steht die andere Tendenz, die nach bloßer Sicherheit, eine einzige Forderung gegenüber: Souveränität. Diese Forderung wurde nacheinander in zwei verschiedenen Formen kundgetan und vertreten: Die erste kristallisierte sich um den „demokratischen“ Begriff der Majorität: es sollte eine jüdische Majoritäts in einem palästinensischen Gesamtstaat angestrebt werden. Daß dieses Programm offenen Kampf mit den Nachbarn und somit auch mit der arabischen Welt überhaupt bedeutetet, war offenbar: welches Mehrheitsvolk würde sich kampflos in den Status einer Minderheit niederdrücken lassen! Als das Programm sich als illusorisch herausgestellt hatte, wurde es durch ein separatistisches ersetzt: Losreißung, und im losgerissenen Teil wieder Majorität; das hieß „Judenstaat“. Man opferte so leichten Herzens die Ganzheit des Landes, das zu „erlösen“ der Zionismus einst ausgezogen war: wenn man nur einen Staat, eine Souveränität, bekam! Der Lebensbegriff „Selbständigkeit“ wurde durch den Machtbegriff „Souveränität“ ersetzt, die Friedensparole durch ein Kampfparole. Statt danach zu streben, die Initiativgemeinschaft im Rahmen eines vorderasiatischen Verbandes zu werden, setzte man sich ein Staatlein zum Ziel, das Gefahr lief, in einem steten Gegensatz zu seiner natürlichen geopolitischen Umgebung zu leben und seine besten Kräfte an militärische, statt an soziale und kulturelle Werte hergeben zu müssen. (Martin Buber, „Zweierlei Zionismus“, 1948)

  • Meine volle Zustimmung. Und volle Unterstützung für alle Menschen, die sich für eine nachhaltige, friedliche Lösung im Nahen Osten einsetzen.

  • Bitte nicht wieder zwischen den Zeilen das unsägliche „Free Palestine from German guilt“. Das wäre nichts anderes als zutiefst antisemitischer Unsinn. Und unwesentlich besser ist es, so zu tun, als sei der Konflikt zwischen einem Terrorregime und einer Demokratie eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Ist es nicht.

    • @Markus Wendt:

      Hat eine Demokratie gegenüber einem Terrorregime von Haus aus Recht? War also auch der Krieg der USA gegen den Irak berechtigt?

      • @Wondraschek:

        Nicht automatisch - hier aber offensichtlich. Die meisten Opfer der Hamas sind ja selbst Palästinenser, denen seit Jahren wichtige Güter vorenthalten werden, weil die hamas lieber Bomben, Raketen und Tunnel baute und natürlich in ihrem Gebiet keinerlei Protest duldet.

  • Kritik an Fanatikern auf beiden Seiten ist völlig angebracht. "Bibi" und seine fanatischen Siedler-Freunde haben Israel schlechte Politik beschert, daran gibt es keinen Zweifel. Was Hoffnung macht, ist dass er dabei auf den Widerstand der Zivilgesellschaft traf, die sich ihre Demokratie nicht kaputt machen lassen wollten. Da waren im Sommer Hunderttausende auf den Straßen.

    Was ich vermisse, ist eine ähnlich massive Bewegung der Zivilgesellschaft auf Seiten der Palästinenser. Wo sind diese Stimmen? Wie groß ist diese Minderheit, die Methoden von Terror und Gewalt a la Hamas ablehnt und endlich freiheitliche Demokratie leben will?

    • @Winnetaz:

      "Wie groß ist diese Minderheit, die Methoden von Terror und Gewalt a la Hamas ablehnt?"



      Das ist die Preisfrage.



      Und die Minderheit scheint kleiner zu sein als man hofft.



      Die Hamas wurde 2006 gewählt.



      Und 2021 hat Abbas nicht ohne Grund die angesetzten Wahlen lieber schnell gestoppt.

    • @Winnetaz:

      Ich sehe es anders: sich gegen die Hamas aufzulehnen ist lebensgefährlich, es aus der eigenen Sicherheit heraus zu fordern ist fast heuchlerisch; in Israel wird seit Jahrzehnten regelmäßig eine rechte bis rechtsextreme Regierung gewählt (Lieberman und Konsorten waren vor dem 07.10. gar nicht dabei, haben aber auch nichts "Nichtfanatisches" in petto wenn es um Frieden in der Region geht). Ich hätte mir also den Widerstand der israelischen Zivilgesellschaft zur Wahl gewünscht, nicht danach. Was ich sagen will: Ihre Darstellung der Lage ist eine brutale Karikatur: die, die in relativer Sicherheit sich hätten einsetzen können, für den Frieden, haben es nicht getan und werden für ihr zu spätes Handeln gelobt, während die, die a) unterdrückt werden bzw. b) in einem Arrangement mit den Verhältnissen unter der Hamas ihre einzige reale Chance auf ein Leben sehen, kritisiert werden.

      • @My Sharona:

        Haben Sie irgendwelche Belege dafuer, dass sich die Bevoelkerung von Gaza nur notgedrungen mit der Hamas arrangiert und nicht zum grösseren Teil deren Ziele unterstützt? Ihnen ist offenbar nicht klar, dass wenn sich nur eine Seite fuer den Frieden einsetzt - und das haben viele Israelis jahrelang getan - es nullkommanix nuetzt, wenn es die andere Seite nicht will. Und Sie wissen genau so gut wie ich, dass die Hamas niemals Frieden mit Israel schliessen wuerde. Ihr Ziel ist die Vertreibung oder Vernichtung aller Juden "from the river to the sea". Und natürlich haelt sich die Hamas deswegen, weil sie viel mehr Rueckhalt in der Bevoelkerung hat, als etwa das genauso brutale Mullah-Regime im Iran, das, im Gegensatz zur Hamas, immer wieder mit Protesten konfrontiert wird. Was ich sagen will: Ihre Darstellung der Lage ist eine brutale Karikatur, die besagt: Allein Israel (und zwar ganz explizit dessen Zivilgesellschaft) ist schuld!

        • @Volker Scheunert:

          "Ihnen ist offenbar nicht klar, dass wenn sich nur eine Seite fuer den Frieden einsetzt"



          Israel möchte Frieden, aber zu den eigenen Bedingungen, die den Palästinensern ihr Recht auf Selbstbestimmung absprechen. Frieden heißt für Israel, dass die Palästinenser sich mit ihrem Schicksal abfinden und sich weiterhin faktisch mit einer Autonomie unter israelischer Kontrolle zufrieden geben.

        • @Volker Scheunert:

          Ich habe gesagt: von denen, die es leicht haben (Kreuzchen auf dem Wahlzettel hätte gereicht) weniger zu verlangen als von denen, die mit brutaler Gewalt rechnen müssen, kommt mir nicht legitim vor. Als Leser der Haaretz weiß ich ganz gut Bescheid über das Engagement der israelischen Zivilgesellschaft, aber auch darüber, dass es ausweislich der Wahlergebnisse immer zu wenig war für eine Friedensperspektive. Und klar hat die Hamas Anhänger, manche Überzeugte, manche Opportunisten. Aber der Vergleich mit dem Iran hinkt schon ganz schön. Ich wüsste nicht, dass der Iran (sanktioniert wie er ist) so im Klammergriff ausländischer Mächte steckt, wie der Gaza-Streifen. Auch das extrem wichtige ethnische Element (Kurden als Herz des Widerstands) fehlt. Stattdessen gibt es die immer gleichen, weil immer gleich erlebten Vertreibungsnarrative (festgekloppt durch Propaganda, kein Zweifel). Schließlich die geographische Kleinräumigkeit. Für Ihre (mindestens tendenzielle) Gleichsetzung von Hamas und der Bevölkerung Gazas gibt es nur wenige Anhaltspunkte.

    • @Winnetaz:

      Man kann das schlecht verlangen, weil man dann in Gaza sehr schnell tot ist.



      Genau deshalb befremdet mich der Artikel allerdings auch, weil die Reaktionären (und die sind ja zum Teil noch rechts von "Bibi") auf israelischer Seite keine Vernichtungsfantasien in Bezug auf die Palästinenser haben (mit einer Ausnahme, der wohl eine Atombombe in Betracht zog).

      Dieser Unterschied ist wichtig. Ohne Angriffe aus Gaza oder dem sonstigen Umland wäre kein israelischer Soldat außerhab der eigenen Grenzen und die meisten wären darüber auch froh.

      • 6G
        655170 (Profil gelöscht)
        @Dr. McSchreck:

        Doch.



        Israelische Soldaten sind permanent außerhalb der eigene Grenzen.



        Im Westjordanland z.B.



        Und sie schützen Extremisten, sog. Siedler, die Land der Palästinenser rauben, Gewaltakte verüben und die Eigentümer verjagen.

  • Welche "Heimat" soll denn gemeint sein, die den Palästinensern "genommen" wurden und das bei gleichzeitigem "Exitenzrecht Israels". Verstehe ich nicht.

    Die Heimat nach dem UN-Teilungsplan? Oder doch mehr?

    • @Dr. McSchreck:

      Die Orte, wo sie lebten. Unabhängig davon, ob dieser Ort im Teilungsplan dem jüdischen oder dem arabischen Staat zugeschlagen wurde.

      • @Francesco:

        Also wird das Existenzrecht Israels doch verneint.

        Vielleicht hätten die Araber einfach auf ihre Angriffskriege verzichten sollen. In Israel leben weiterhin viele Palästinenser/Araber. Die Juden dagegen mussten aus den Nachbarländern fliehen, wenn sie überleben wollten. Das konnte man zuletzte mehrfach in Artikeln hier nachlesen, wenn man es noch nicht wusste.

        • @Dr. McSchreck:

          Wird das Existenzrecht Israels hier wirklich verneint?

          Ich stehe gerade in diesem aktuellen Krieg auf der Seite Israels, aber für Außenstehende wie mich ist es schon unlogisch, daß man einem Araber, der noch genau weiß und belegen kann, wo seine Vorfahren vor gut 80 Jahren in Jaffa gelebt haben, das Einwandern in die Heimat seiner Vorfahren verweigert.

          Aber z. B. einem amerikanischen Juden, der höchstens noch nachweisen kann, wann seine Vorfahren aus einem polnischen oder russichen Schtetl in die USA kamen, der kann sofort einreisen und dort bleiben.

          Das ist unter dem Gesichtspunkt, daß beide Seiten dieses Land als ihre "Heimat" beanspruchen, schlicht widersinnig.

          • @ PeWi:

            Schöne Geschichte mit dem Araber und seinen Vorfahren in Jaffa.

            Ebenso wie besagter Araber kann ich nicht mit Verweis auf meine Großeltern zurück nach Danzig gehen und eine Einbürgerung verlangen.

            In beiden Fällen gab es auch noch Kriege, die in einem Fall von den Arabern und im anderen Fall von den Deutschen begonnen und verloren wurden.

          • @ PeWi:

            Es leben doch Araber in Israel. Aber derjenige, dessen Ahnen vor 80 Jahren geflohen sind, kann natürlich nicht das frühere Haus beanspruchen. Immerhin haben die Araber ja auch zahllose Juden vertrieben, die Israel aufgenommen hat, nach einigen Artikeln zuletzt gleich viele, wie Araber auch dem heutigen Israel geflohen sind und zum Teil vertrieben wurden.

  • Ich weiß gar nicht, was mich an diesem Beitrag am meisten stört.

    First of all: Unser "Job" als "einfacher" Bürger in Deutschland ist es in der aktuellen Situation nicht, den Nahostkonflikt zu lösen!!!



    Unser Job ist es, in Deutschland etwas gegen die Welle des Antisemitismus zu unternehmen, die seit Wochen durch das Land schwappt. Etwas zu tun gegen Ausschreitungen gegenüber jüdischen Einrichtungen und jüdischen Menschen hier im Land.



    Dazu ... kaum ein Wort im Artikel.

    "Eine Aufarbeitung des kolonialen Erbes und der hegemonialen Einmischung findet bislang nur zaghaft statt."



    Es geht jetzt nicht um eine Analyse "hegemonialer Einmischung" (die postkoloniale Theorie lässt grüßen), sondern um die Erkenntnis, dass die Taten des 7.Oktober eine qualitativ neue Entwicklung sind ... die zum Umdenken führen muss.



    WO IST DIE GRENZE für die Linke, an der sie innehält und sagt: NICHTS rechtfertigt eine solche Anwendung von Gewalt und JEGLICHE Solidarität mit solchen Akteuren und Aktionen wird abgelehnt, stattdessen bekämpft.



    Stattdessen ist - analytisch - für den Autor die Hamas und "Israel" auf einer Stufe der Barbarei, was ein Armutszeugnis ist. "Israel" steht für eine (noch) demokratische Gesellschaft, in der vielfältige Kräfte - möglicherweise auch ähnlich fanatische wie die Hamas - miteinander um Hegemonie im Staat ringen.



    Die Hamas ist eine gleichgeschaltete islamistische Organisation. Ohne Möglichkeit, innerorganisatorisch zu diskutieren. Zudem noch maßgeblich beeinflusst von Akteuren außerhalb Palästinas, die eigene Interessen weit jenseits der Interessen der palästinensischen Bevölkerung verfolgen.

    • @Plewka Jürgen:

      "Unser Job ist es, in Deutschland etwas gegen die Welle des Antisemitismus zu unternehmen, die seit Wochen durch das Land schwappt. Etwas zu tun gegen Ausschreitungen gegenüber jüdischen Einrichtungen und jüdischen Menschen hier im Land."

      Vielen Dank.

    • @Plewka Jürgen:

      Danke für die klaren Worte. Senocaks Debattenbeitrag begann vielversprechend und anscheinend ausgewogen, aber dann kommen hinter den freundlichen Worten die üblichen Gleichsetzungen und Nivellierungen. Israel ist doch - immer noch - deutlich mehr und deutlich diverser und demokratischer als es rechtsextreme Siedler und andere Scharfmacher gern hätten.



      Die Kontextualisierung, so scheint es, entlässt diverse undemokratische und diktatorische, islamisch dominierte Anrainerstaaten aus ihrer realen Verantwortung - mit der impliziten Begründung, dass sie halt so seien. Nun denn... Wo sollen die ganzen vernünftigen Humanisten denn nun herkommen? Und wie könnte man denn Palästinenser so unterstützen, dass sie sich der Islamisten entledigen?

    • @Plewka Jürgen:

      Sehr sauber und (vielleicht sogar?) überzeugend argumentiert. Vielen Dank!

    • @Plewka Jürgen:

      Vielen Dank für Ihren Kommentar, den ich vollständig unterschreiben kann.

      "Eine Allianz der Aufgeklärten, der humanistisch gesinnten Menschen tut not."

      Da gehe ich bei Zafer Şenocak ja vollständig mit, und auf israelischer Seite fallen mir sofort jene Hundertausende ein, die gegen Nethanjahu und seine rechtsextremistischen Knallchargen auf die Straße gegangen sind.

      Aber auf palästinensischer Seite?

  • Super Beitrag!



    Es gibt immer noch israelisch-palästinensische Gemeinschaftsprojekte, mit dem gemeinsamen Willen zum Frieden!



    Kann die Weltgemeinschaft in irgendeiner Form dafür kämpfen, dass diese Kräfte in den Vordergrund rücken?



    Die anderen sorgen sonst für die Apokalypse!

    • @amigo:

      ...und ausgerechnet Mitarbeiter solcher Gemeinschaftsprojekte gehören zu den Getöteten und Enführten.

  • Danke für den Kommentar. Es ist richtig, mit Fanatikern auf beide Seiten wird das nichts mit dem Frieden. Und leider werden auch Versuche, wie das gemeinsame Friedensgebet in München, von Organisationen die auf Maximalforderungen bestehen boykottiert.