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Kontroverse um Ehrung für ImamEin Brückenbauer unter Druck

Der Imam Benjamin Idriz ist weithin anerkannt. Doch eine Preisverleihung an ihn geriet nun in die Kritik. Grund sind seine Äußerungen zu Israel.

Imam Benjamin Idriz in der Moschee im oberbayerischen Penzberg, am 23.10.2023 Foto: Friedrich Stark/imago

Benjamin Idriz ist so etwas wie ein Vorzeige-Imam. Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Ende 2019 seine Gemeinde im oberbairischen Penzberg besuchte, pries er diese sogar als „Modell“. Denn Idriz predigt regelmäßig auf Deutsch, im Vorstand seiner Moschee sitzen Frauen, und seine Gemeinde pflegt einen regen Austausch mit ihrer Umgebung.

Der 53-jährige Idriz, 1972 in Skopje im heutigen Mazedonien geboren und Spross einer traditionsreichen Familie von Theologen und Imamen, ist aber auch weit über die Kleinstadt südlich von München hinaus bekannt. In seinen Büchern versucht er, einem nichtmuslimischen Publikum seine Religion näherzubringen. Sein erstes, im Plauderton gehaltenes Buch trug den Titel „Grüß Gott, Herr Imam“. Sein letztes Buch, „Das schöne Wort“, stellte er erst im Februar in einer ehemaligen Kirche in München der dortigen Stadtgesellschaft vor.

Am Mittwochabend wurde Idriz für sein Wirken mit dem Thomas-Dehler-Preis ausgezeichnet – ein Preis, den die gleichnamige FDP-nahe Stiftung vergibt. Der Preisverleihung vorausgegangen war jedoch eine massive Kontroverse. Die Bild-Zeitung und die Jüdische Allgemeine hatten Idriz als „Israelhasser“ tituliert, und die FDP-Spitze distanzierte sich von ihm. Er hätte „anders entschieden“, erklärte FDP-Chef Christian Dürr, und auch die Parteigranden Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki übten Kritik. Doch Stiftungspräsident Thomas Hacker blieb standhaft und hielt an der Ehrung fest. Der Imam sei zweifellos ein „Brückenbauer“, auch wenn man nicht jede seiner Äußerungen teile.

Empörung und Misstrauen

Der Grund für die Empörung: Vor knapp drei Wochen hatte Idriz nicht nur die Freilassung der israelischen Geiseln durch die Hamas, sondern auch die Freilassung palästinensischer Häftlinge durch Israel begrüßt. Und in einem Facebook-Beitrag hatte er zuvor den Wunsch geäußert, dass sich jüdische Gemeinden in Deutschland stärker vom Vorgehen der israelischen Regierung distanzieren würden. Die Muslime hätten das auch getan, als der sogenannte „Islamische Staat“ unschuldige Menschen ermordete, so Idriz. Diese Parallele fanden manche unpassend. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, sieht darin eine Gleichsetzung des jüdischen Staats mit der Terrormiliz und findet die Ehrung von Idriz deshalb „schlicht unbegreiflich“.

Seit dem 7. Oktober 2023 spürt Idriz das Misstrauen, das vielen Muslimen entgegen schlägt, wieder stärker. Sein Versuch, im Dezember 2023 in München ein öffentliches Friedensgebet von Muslimen, Juden und Christen auf dem Marienplatz zu organisieren, scheiterte, nachdem unter anderem die Deutsch-Israelische Gesellschaft und ihr Vorsitzender, der Grünen-Politiker Volker Beck, dagegen Sturm gelaufen war. Dabei hat Idriz den Angriff der Hamas als „unislamisch“ verurteilt und an seinem Engagement gegen Antisemitismus nie einen Zweifel gelassen.

Die Stimmung sei heute sogar schlechter als nach den Anschlägen vom 11. September 2001, meint Idriz heute. Aber das Misstrauen war wohl nie weg. Von 2007 bis 2010 wurde seine Gemeinde vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet, bis sich die Vorbehalte in Luft auflösten. Und gegen seine ambitionierten Pläne, in München eine Begegnungsstätte mit Moschee und Museum zu errichten, machte noch vor zehn Jahren die rechtspopulistische Kleinpartei mit einem Bürgerbegehren mobil. All diesen Widerständen zum Trotz engagiert sich Idriz seit Jahrzehnten im interreligiösen Dialog und hat sich mit Beharrlichkeit seine heutige Anerkennung erkämpft. Doch die wird nun wieder in Frage gestellt.

Dass er sich nun selbst einem solchen Shitstorm aus einer ganz anderen Richtung ausgesetzt sah, habe er nicht erwartet, sagte Idriz nun der taz.

Nach einer rechtsextremen Hetzkampagne der Partei „III. Weg“ im Januar 2025 solidarisierten sich noch Vertreter der Staatsregierung, der Stadt und der katholischen Kirche einhellig mit ihm und seiner Gemeinde. Dass er sich nun selbst einem solchen Shitstorm aus einer ganz anderen Richtung ausgesetzt sah, habe er nicht erwartet, sagte Idriz nun der taz. In seiner überwiegend versöhnlichen Rede kritisierte er die Anwürfe als „Ausdruck eines tief sitzenden antimuslimischen Rassismus“. Zugleich warb er jedoch unverdrossen für ein „Münchner Abkommen für jüdisch-muslimische Zusammenarbeit“.

Ob er damit auf offene Ohren stößt? Das liegt wohl in Gottes Hand.

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8 Kommentare

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  • 》Dabei hat Idriz [...] an seinem Engagement gegen Antisemitismus nie einen Zweifel gelassen《 - aus dem Artikel hier geht hervor, dass das nicht stimmt: über die Kritik an seinen Äußerungen, die als antisemitisch aufgefasst werden, wird ja oben berichtet, den Zweifel gibt es also.



    .



    Es kann sich also nur um die Ansicht des Autors handeln - och, Herr Bax, Ihre Einschätzung zu diesem Punkt als maßgeblich?



    .



    Da verlass ich mich - sicherheitshalber - doch lieber auf die der Jüdischen Allgemeinen oder die des Zentralrats. Und meine eigene: falsche Wahl für diesen Preis!

    • @ke1ner:

      Ich würde dazu raten, sich erst einmal auf den eigenen Verstand zu verlassen und selbst über das Wirken von Idriz zu urteilen. Der gute Mann hat sich seit Jahren gegen Antisemitismus auch unter Muslimen und für den jüdisch-muslimischen Dialog engagiert. Ihm Antisemitismus abzudichten, weil er das Agieren der gegenwärtigen rechtsextremen Regierung in Israel kritisiert und von jüdischen Verbänden in Deutschland dasselbe erwartet, wie von muslimischen, nämlich den Mund aufzumachen, wenn Extremisten im ihrem Namen Verbrechen begehen, ist billig und selbst ein Zeichen ideologischer Verhärtung.

  • Gab es eigentlich schon mal irgend eine positive Aussage von Idris zur Notwendigkeit von Israel als sicheren Staat für Juden? Wäre mir zumindest nicht bekannt. Wäre vielleicht mal ein Anfang, um seine Positionen zu klären.

  • Nordmazedonien, mit Verlaub...

  • "als „Ausdruck eines tief sitzenden antimuslimischen Rassismus“.

    Ich weiß nicht, ob das eine konstruktive Weise ist, mit Kritik umzugehen.

    Dem anderen erstmal die Legitimation seiner Perspektive moralisch abzusprechen, führt selten weit.

    "Versöhnlich" klingt für mich anders.

    Mag sein, dass das an der hier verkürzten Darstellung liegt.

  • Idriz hat Recht. Der Zentralrat der Juden und einige jüdische Gemeinden sind zum unkritischen Sprachrohr der israelischen Regierung verkommen.



    Anstatt mal zu reflektieren kommt bei Kritik der Beißreflex.



    Schlimmer ist es mit FDP und Union. Verbündeten gehen denen schon immer über gleiches Recht für alle.



    Und über die BILD und andere Springer Erzeugnisse, FAZ oder auch den Focus braucht man eigentlich gar nicht mehr reden/schreiben. Die haben sich in Sachen Nahost längst aus jeglicher objektiver Berichterstattung verabschiedet. Negative Seiten Israels werden konsequent ausgeblendet und jegliche Kritik dämonisiert.



    So sucht man Berichte über das Vorgehen Israels im Westjordanland bei diesen ehemaligen Qualitätsmedien vergeblich, genauso wie Gutachten bzw. offizielle Berichte zur Besatzung oder der Annexion.



    Selbst die dpa berichtet nur noch verkürzt oder verharmlosend.

    • @Barnie:

      Naja, ein "Qualitätsmedium" war "Bild" ja wohl nie...

      Davon abgesehen haben Sie natürlich weitgehend Recht. Der Imageschaden für Israel durch das Vorgehen der Regierung Netanjahu ist weltweit so immens, dass weder Maulkörbe noch der reflexhafte Vorwurf des Antisemitismus viel helfen. Da muss einiges geleistet werden, um das zu reparieren. Vor allem viel ehrliche Selbstkritik, anstatt immer nur auf die anderen Kritiker einzudreschen.

  • Geschichtsbewusste werden die Forderung nach einem "Münchner Abkommen" eher peinlich finden. Zustimmen kann ich der Idee der Schaffung einer Begegnungsstätte. Gab es hier im Ort auch schonmal von einem muslimischen OB-Kandidat, um ein jahrzehntelang leerstehendes schickes Kinogebäude der Renovierung für sinnvolle Nutzung zuzuführen. Nun wurde von der Stadt eine andere Nutzung beschlossen.