Kontroverse um Ehrung für Imam: Ein Brückenbauer unter Druck
Der Imam Benjamin Idriz ist weithin anerkannt. Doch eine Preisverleihung an ihn geriet nun in die Kritik. Grund sind seine Äußerungen zu Israel.
 
Benjamin Idriz ist so etwas wie ein Vorzeige-Imam. Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Ende 2019 seine Gemeinde im oberbairischen Penzberg besuchte, pries er diese sogar als „Modell“. Denn Idriz predigt regelmäßig auf Deutsch, im Vorstand seiner Moschee sitzen Frauen, und seine Gemeinde pflegt einen regen Austausch mit ihrer Umgebung.
Der 53-jährige Idriz, 1972 in Skopje im heutigen Mazedonien geboren und Spross einer traditionsreichen Familie von Theologen und Imamen, ist aber auch weit über die Kleinstadt südlich von München hinaus bekannt. In seinen Büchern versucht er, einem nichtmuslimischen Publikum seine Religion näherzubringen. Sein erstes, im Plauderton gehaltenes Buch trug den Titel „Grüß Gott, Herr Imam“. Sein letztes Buch, „Das schöne Wort“, stellte er erst im Februar in einer ehemaligen Kirche in München der dortigen Stadtgesellschaft vor.
Am Mittwochabend wurde Idriz für sein Wirken mit dem Thomas-Dehler-Preis ausgezeichnet – ein Preis, den die gleichnamige FDP-nahe Stiftung vergibt. Der Preisverleihung vorausgegangen war jedoch eine massive Kontroverse. Die Bild-Zeitung und die Jüdische Allgemeine hatten Idriz als „Israelhasser“ tituliert, und die FDP-Spitze distanzierte sich von ihm. Er hätte „anders entschieden“, erklärte FDP-Chef Christian Dürr, und auch die Parteigranden Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki übten Kritik. Doch Stiftungspräsident Thomas Hacker blieb standhaft und hielt an der Ehrung fest. Der Imam sei zweifellos ein „Brückenbauer“, auch wenn man nicht jede seiner Äußerungen teile.
Empörung und Misstrauen
Der Grund für die Empörung: Vor knapp drei Wochen hatte Idriz nicht nur die Freilassung der israelischen Geiseln durch die Hamas, sondern auch die Freilassung palästinensischer Häftlinge durch Israel begrüßt. Und in einem Facebook-Beitrag hatte er zuvor den Wunsch geäußert, dass sich jüdische Gemeinden in Deutschland stärker vom Vorgehen der israelischen Regierung distanzieren würden. Die Muslime hätten das auch getan, als der sogenannte „Islamische Staat“ unschuldige Menschen ermordete, so Idriz. Diese Parallele fanden manche unpassend. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, sieht darin eine Gleichsetzung des jüdischen Staats mit der Terrormiliz und findet die Ehrung von Idriz deshalb „schlicht unbegreiflich“.
Seit dem 7. Oktober 2023 spürt Idriz das Misstrauen, das vielen Muslimen entgegen schlägt, wieder stärker. Sein Versuch, im Dezember 2023 in München ein öffentliches Friedensgebet von Muslimen, Juden und Christen auf dem Marienplatz zu organisieren, scheiterte, nachdem unter anderem die Deutsch-Israelische Gesellschaft und ihr Vorsitzender, der Grünen-Politiker Volker Beck, dagegen Sturm gelaufen war. Dabei hat Idriz den Angriff der Hamas als „unislamisch“ verurteilt und an seinem Engagement gegen Antisemitismus nie einen Zweifel gelassen.
Die Stimmung sei heute sogar schlechter als nach den Anschlägen vom 11. September 2001, meint Idriz heute. Aber das Misstrauen war wohl nie weg. Von 2007 bis 2010 wurde seine Gemeinde vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet, bis sich die Vorbehalte in Luft auflösten. Und gegen seine ambitionierten Pläne, in München eine Begegnungsstätte mit Moschee und Museum zu errichten, machte noch vor zehn Jahren die rechtspopulistische Kleinpartei mit einem Bürgerbegehren mobil. All diesen Widerständen zum Trotz engagiert sich Idriz seit Jahrzehnten im interreligiösen Dialog und hat sich mit Beharrlichkeit seine heutige Anerkennung erkämpft. Doch die wird nun wieder in Frage gestellt.
Nach einer rechtsextremen Hetzkampagne der Partei „III. Weg“ im Januar 2025 solidarisierten sich noch Vertreter der Staatsregierung, der Stadt und der katholischen Kirche einhellig mit ihm und seiner Gemeinde. Dass er sich nun selbst einem solchen Shitstorm aus einer ganz anderen Richtung ausgesetzt sah, habe er nicht erwartet, sagte Idriz nun der taz. In seiner überwiegend versöhnlichen Rede kritisierte er die Anwürfe als „Ausdruck eines tief sitzenden antimuslimischen Rassismus“. Zugleich warb er jedoch unverdrossen für ein „Münchner Abkommen für jüdisch-muslimische Zusammenarbeit“.
Ob er damit auf offene Ohren stößt? Das liegt wohl in Gottes Hand.
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