Nach Kritik an Muslimrat: Friedensgebet in München abgesagt
Nach Kritik am Muslimrat wird ein Friedensgebet von Muslimen, Juden und Christen abgesagt. Imam Idriz beklagt die „bittere Erfahrung“.
München/Berlin taz | Am Montagabend wollten sich auf dem Marienplatz in München der katholische Dompfarrer Monsignore Klaus Peter Franzl, der evangelische Landesbischof Christian Kopp, der Rabbiner Jan Guggenheim und der Imam Benjamin Idriz zu einem öffentlichen Friedensgebet treffen. Das Schlusswort sollte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sprechen. Doch in letzter Minute wurde die Veranstaltung abgesagt.
Als Grund nannte das Münchner Forum für Islam (MFI) am Montag die Absagen von jüdischer, evangelischer und katholischer Seite. Der Muslimrat als Veranstalter des Friedensgebets habe „gehofft, dass alle verantwortlichen Kräfte in unserer Stadt die ausgestreckte Hand ergreifen und deutliche Zeichen für das Miteinander setzen wollten“. Dass dies in München nicht möglich sein solle, bleibe „eine sehr bittere Erfahrung, nicht nur für Muslime“, erklärte Imam Benjamin Idriz vom MFI im Namen des Muslimrats.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter erklärte, er habe seine Schirmherrschaft zurückgezogen, nachdem ein Vertreter der jüdischen Glaubensgemeinschaft seine Teilnahme abgesagt habe. „Unabhängig davon appelliere ich an alle Münchnerinnen und Münchner, weiterhin friedlich zu bleiben und sich nicht dem Hass und der Hetze hinzugeben.“
Scharfe Kritik der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Zuvor hatte die Deutsch-Israelische Gesellschaft die Absage des Friedensgebets gefordert. Mit scharfen Worten hatte deren Vorsitzender Volker Beck (Grüne) der Veranstaltung vorgeworfen, diese diene nur dazu, „Hamas-verharmlosende und islamistische Positionen zu hofieren und zu schützen“. Als Beispiel führte er die Presseerklärung des Muslimrats an, in der diese „den Terror gegen die Zivilbevölkerung in Israel durch die Hamas“ sowie die israelische Reaktion darauf verurteilte. Damit werde beides „auf eine Stufe gestellt“, so Beck. Einzelnen Mitgliedern des Muslimrates warf er zudem eine Nähe zur Muslimbruderschaft vor.
Dem Imam Benjamin Idriz wurden in der Vergangenheit ähnliche Vorwürfe gemacht, inzwischen gilt er in Bayern als respektiertes Mitglied der Gesellschaft. Erst im Dezember 2021 hatten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender gemeinsam mit Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Idriz’ Moscheegemeinde in Penzberg besucht. Steinmeier lobte damals dessen Arbeit: So viel Offenheit und Respekt bräuchte das Land, um der Polarisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Leser*innenkommentare
Peter Gloystein
Schlimm finde ich nicht nur die Ansichten des Herrn Beck. Bedauernswert ist vielmehr, dass alle Beteiligten ausser den Muslimen vor ihm einknicken und ein gemeinsames FRIEDENSGEBET (!) absagen.. es scheint mir derzeit sehr schlecht bestellt zu sein um die Diskussionskultur und Meinungsfreiheit in diesem Land. Sehr bedenklich!
655170 (Profil gelöscht)
Gast
Volker Beck driftet (ebenso wie sein hessischer Kollege Uwe Becker, der Slavoj Zizek bei einer sehr differenzierten Rede niederbrüllen wollte) immer mehr in's Sektierertum ab.
Wenn man nicht mal mehr einem gemeinsamen Friedensgebet, also einer kontemplativ-meditativen Hinwendung zu einem furchtbaren (hier) Thema, zustimmt, und diese Ablehnung auch noch mit mehr als skurrilen "Begründungen" garniert, dann kann man seine (eigentlich mehr als wichtige) Funktion nicht mehr adäquat vertreten.
Andreas J
Schon eine schäbige Entscheidung, die alle gemäßigten Muslime die in der Mehrzahl sind und den Terror der Hamas ablehnen vor den Kopf stößt. Kollektivschuld spielt nur jenen in die Karten die die Hamas und islamistischen Terror abfeiern. Antiislamischer Rassismus wird die Fronten nur verhärten, den Dialog erschweren und somit jene Kräfte schwächen die eine friedliche Lösung suchen.
Jörg Levin
Es reicht hierzulande also nicht mehr, Empathie für die Opfer der Hamas UND die der Bomben auf Gaza zu empfinden, weil das ein "auf eine Stufe stellen" darstelle? Die einen Opfer sind beachtenswert und die anderen nicht? Es heißt aber "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und nicht "...gegen die jüdische/israelische/palästinensische Menschlichkeit". Das sagte übrigens ein Bosnier, der auch die serbischen oder kroatischen Opfer des Bosnienkrieges bedauert. Wenn wir die Fähigkeit verlieren, Empathie für die Opfer der anderen Seite (was ist das schon???) zu empfinden, haben wir unsere Menschlichkeit verloren. Wofür stehen wir dann noch ein?
Perkele
Volker Beck entwickelt sich zu einem Scharfmacher. Wenn Terror benannt wird, dann muss man ihn bei allen benennen, die ihn begehen - auch wenn das nicht allen gelegen kommt. Es ist eine Blamage und ein Zeugnis für Unwilligkeit die grundlegenden Probleme dieses Komplexes fair, neutral anzupacken. Das gilt auch für Volker Beck.
tomás zerolo
Schade. Ich kann Herrn Becks Position nicht nachvollziehen.
waigelghost
Volker Beck hat schon viel Kritikwürdiges von sich gegeben, aber dieses spalterische Reingrätschen in eine so wichtige Geste in dieser Situation ist unverzeihlich.
Es gibt nicht nur antisemitischen Hass, es gibt auch antimuslimischen.
Frankenjunge
Schade. Schade, dass einzelne die ausgestreckte Hand nicht ergreifen wollen. So wird es nie zum friedlichen Miteinander beitragen.
Andreas J
Eine sehr enttäuschende Reaktion. Wie sollen sich nun jene Muslime fühlen die die Gewalt der Hamas ablehnen? das ist die Mehrheit. Die ganze Zeit wird gefordert das Muslime sich öffentlich von der Hamas distanzieren und nun das weil sie auch die Reaktion Israels kritisieren. Ganz bitter.
humusaufbau
Was ist denn in diesem Zusammenhang gemeint mit "auf eine Stufe stellen"?
Worin unterscheidenn sich die zu unterscheidenden Stufen?
Wieso kann man nicht beides verurteilen, ohne es damit implizit oder explizit auf eine = gleiche Stufe zu stellen.
Zumal das eine als Terror und das andere als Reaktion darauf bezeichnet wurde. Verurteilt wurde damit bei dem Zweiten nicht das Reagieren an sich, sondern die Art und Weise, die aber nicht als Terror bezeichnet wurde.
Ich brauche dazu mal eine genaue Erläuterung.
Winnetaz
@humusaufbau Die Aussage ist problematisch, weil sie Israel das völkerrechtlich verbriefte Recht auf Selbstverteidigung abspricht. Nach dem Motto: Reagiert nicht darauf, wenn ihr abgeschlachtet werdet!
Vergessen Sie nicht: Für Israel geht es um die Existenz. Die angreifenden Araber haben schon etliche Kriege gegen Israel verloren und existieren immer noch - weil es bei ihnen nie um die Existenz ging. Israel hat seine Nachbarn nie mit kompletter Vernichtung gedroht und sie nie von sich aus angegriffen, sondern immer nur verteidigt, so wie jetzt auch wieder.
Sollte Israel einmal einen Krieg verlieren, dann hört es auf zu existieren.
Jörg Levin
@Winnetaz Die Politik Israels - nicht erst, aber besonders unter der jetzigen Netanyahu-Administration - ist darauf ausgerichtet, die arabische Bevölkerung v. a. im sog. Westjordanland durch stetige Repression zu vertreiben. Diese Bevölkerung - gemeinhin "Palästinenser" genannt - soll verschwinden, zumindest von dem Land, das diese Regierung beansprucht.
Und das Recht auf Selbstverteidigung ist nicht grenzenlos verbrieft!
Ulrich Haussmann
@humusaufbau Der 7.10 . (Hamas-Angriff) war ein systematisches Massaker gegen Kinder, Alte und andere. Uber 1000 Menschen wurden als Zivilisten mutwillig grausamst abgeschlachtet und es wurden Geiseln genommen. Hingegen: Die legitime Verteidigung Israels zielt nicht auf das Abschlachten von Zivilisten ab, sondern auf die militärische Zerstörung der militärischen Infrastruktur der Hamas-Schlächter und die Ausschaltung der mutwilligen Kinderschlächter. Da die Hamas die palästinensischen Zivilisten als Schutzschilde missbraucht, während die Hamas-Bosse im Ausland ungeniert dem Luxus frönen, gibt es leider auch palästinensische zivile Kriegsopfer. Israel warnt ja sogar sogar die Zivilisten, allerdings leider nicht ausreichend genug. Gleichwohl feuert die Hamas bis heute auch Raketen von Gaza ab.
Libuzzi
@humusaufbau Frage ich mich auch.
Aber offenbar will man auch hier bedingungslose Gefolgschaft haben. Und da stören Muslime, die auch ihre eigenen Toten betrauern, nur.