Hoffnung und Klimakrise: Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Wer sich mit dem Klima beschäftigt, hat keinen Grund für Optimismus? Von wegen! Woran sich taz-Autor:innen festhalten, die über die Krise berichten.
Meine Hoffnung ist harte Arbeit
„Wie kannst du über Klima schreiben und nicht verrückt werden?“, fragen FreundInnen, oft nach einer wieder mal frustrierenden Klimakonferenz. Meine Antworten darauf? Erstens: Keine Ahnung. Zweitens: Andere Themen sind noch schlimmer – schaut mal auf den Nahen Osten. Und drittens: Beim Klima noch irgendeine Hoffnung zu haben, ist harte Arbeit. Jeden Tag.
In 20 Jahren Klimaberichterstattung habe ich eine Menge Phasen durchlaufen: Begeisterung, Verstehen, Erschrecken, Verzweiflung, Ignoranz, noch mehr Verstehen, noch mehr Verzweiflung. Splitter von Hoffnung, Unglaube, Wut, Resignation. Aber vor allem: stur weitermachen!
Denn es gibt sie durchaus, die Hoffnungszeichen. In den Industrieländern sinken seit Jahrzehnten die Emissionen. Es gibt lichte Momente, wie auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris, wo die Gelegenheiten günstig sind und Fortschritte möglich werden. Die Erneuerbaren und ihre Speicher werden so rasant billiger, dass die Zukunft ganz sicher ihnen gehört. Immer mehr Menschen auf der Welt begreifen oder spüren am eigenen Leib, dass es so nicht weitergehen kann, und suchen nach neuen Wegen. Und es gibt im globalen Klimazirkus viele beeindruckende Menschen, die für echten Klimaschutz alles geben und noch ein bisschen mehr.
Zur Hoffnung gehört aber auch Realismus, sonst ist das nur Ignoranz. Und selbstverständlich ist das alles insgesamt zu wenig und es ändert sich alles viel zu langsam. Da ist es eine bewusste Entscheidung, Hoffnung zu haben, beziehungsweise: die Hoffnung nicht aufzugeben.
Zu resignieren ist nämlich genau das, was alle wollen, die nichts wollen beim Klimaschutz. Dass jeder Ehrgeiz erstickt wird, dass keine Fragen und keine Forderungen mehr gestellt werden, dass sie mit ihrer unverantwortlichen Klientelpolitik für die Reichen und Ewiggestrigen durchkommen. Dass die himmelschreiende Ungerechtigkeit der Klimakrise einfach leise hingenommen wird.
Das darf nicht sein. Und wenn es für den Kampf gegen diese Blindheit und diese Aggression Hoffnung braucht, dann treibe ich sie irgendwo auf. Keine blinde Hoffnung darauf, dass irgendwie schon alles gut wird. Nicht auf eine „technologieoffene Lösung“, die uns durch Magie rettet. Nicht darauf, dass die Einsicht bei den fossilen Konzernen und Lobbyisten irgendwann von selbst kommt – also bei denen, die sehr gut davon leben, dass sie selbst die Augen verschließen und anderen die Hand vor die Augen halten.
Meine Hoffnung ist kein Zustand, sondern eine Tätigkeit. Sie bedeutet, daran zu arbeiten, dass sich die Wahrheit gegenüber den Lügen durchsetzt. Zu wissen, dass die Wissenschaft und sehr viele Menschen dahinterstehen – und davon abhängig sind, dass die Fakten benannt werden. Sich aktiv zu erinnern, dass Zustände zu ändern sind – auch den Mauerfall hat niemand kommen sehen.
Es gibt eine Verpflichtung, als privilegierter Mensch in einem Land, das zu den reichsten, freiesten und demokratischsten der Welt zählt, diejenigen nicht im Stich zu lassen, die weniger Macht und viel mehr Probleme mit der Klimakrise haben. Die Hoffnung aufzugeben ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können.
Bernhard Pötter
Meine Hoffnung ist eine veränderte Kultur
Ich saß in Santa Cruz, Kalifornien, auf einer Bierbank inmitten einer gemeinnützigen Biofarm, und der große amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen sagte mir lächelnd, dass das 2-Grad-Ziel verloren sei. So begann im Sommer 2023 die Stunde, in der ich Hoffnung bekam.
Der Mensch wird das Problem der steigenden Erderwärmung nicht lösen können – das ist Franzens Erkenntnis, nachdem er sich intensiv mit der Lage beschäftigt hat. Und dies nicht nur aus ökonomischen Gründen oder als Folge des „Kapitalismus“, sondern auch aus kognitiven Gründen: Die Komplexität und Globalität des Problems mit all seinen Auswirkungen auf andere Bereiche und die Überwindung der Gegenwartsfixierung überfordern uns.
Das sehe ich nicht so absolut, aber gebe zu, dass es derzeit nur eine geringe Perspektive für Global Governance, also eine gemeinsame, multilaterale Klimapolitik gibt. Die Interessen sind zu verschieden und das Fressen kommt verständlicherweise vor der Moral.
Wo ist denn nun die Hoffnung, wird man berechtigterweise fragen? Sie gründet sich in einem neuen Ansatz. Ich habe verstanden, dass Franzen ein abstraktes Ziel aufgegeben hat. Aber eben nicht, um zu sagen, jetzt ist eh alles scheißegal, jetzt mache ich erst mal eine Kreuzfahrt. Sondern um handlungsfähig zu werden. Er sagt, wir sollten nicht rumheulen, sondern uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können.
Für ihn ist das eine Nahbereichs-Community, die aktiv wird, um „die Vision eines besseren Ortes zu leben“. Das kann eine Stadt sein, ein Stadtteil, eine Straße, eine Hausgemeinschaft, ein Unternehmen, eine Schule, eine Kita, ein Medienhaus – jedenfalls ein Ort, an dem man engagiert und respektvoll streitend daran arbeitet, dass morgen etwas besser ist als heute. So denke ich inzwischen auch.
Jetzt wird sicher gleich jemand rufen, das sei doch „alles viel zu wenig“. Richtig: Um die Erderwärmung und ihre Folgen sowie das Artensterben zu begrenzen und später zu reduzieren, um den Übergang zu einer postfossilen Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen, braucht es Politik. Es braucht Mehrheiten. Aber eben auch eine weiterentwickelte Kultur.
Die fossile Kultur ist aus physikalischen Gründen am Ende, aber die linke Ökokultur mit ihren großen Gesten, ihrer Apokalyptik, ihrer religiös grundierten Sünden- und Schuldrhetorik und dem logischen Unfug, dass „weniger mehr sei“ und „wir keine Zeit“ mehr hätten, eben auch. Sie hat sich als untauglich erwiesen. Wer sich radikal menschenignorant auf der Straße festklebt und rumplärrt wie ein Kleinkind, wird doch nicht ernsthaft erwarten, dass andere seine Probleme lösen. Die ganze Demo- und Anschreifolklore ist komplett untauglich für die Notwendigkeit des Konstruktiven.
Das Dagegensein- und Weltuntergangs-Business haben andere übernommen, illiberale, fossile Antidemokraten. Wer dagegen etwas erreichen will, ist dem Konstruktiven verpflichtet, dem Can-do-Spirit. Er muss seine Hoffnung mit dieser neuen Methode begründen: Handeln statt hadern. Das beginnt mit dem Balkonkraftwerk und einem Gemeinschaftsgarten, wo früher Parkplätze waren. Und dann kommt eins zum anderen. Hoffentlich.
Peter Unfried
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Meine Hoffnung ist mein Urvertrauen
Meine Hoffnung ist unpolitisch. In politischer Hinsicht habe ich keine mehr. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Irgendwie hoffe ich natürlich schon, dass die Menschen ihre Restvernunft entdecken, bevor die Inselstaaten absaufen, Afrika komplett austrocknet und die restliche Welt sich im Abwehrkampf gegen Klimaflüchtlinge zerlegt. Aber diese Hoffnung speist sich nicht aus politischen Analysen, historischen Beispielen oder dem Blick in andere Gesellschaften.
Klar gibt es hier und da Fortschritt. Aber immer ist irgendwas! Die Kurd*innen leben ein fortschrittliches Gesellschaftsmodell, dafür werden sie permanent massakriert und keinen interessiert’s. Die skandinavischen Länder haben fortschrittliche Sozial- und Gesundheitssysteme, dafür schotten sie sich rigoros gegen Geflüchtete ab. Überall auf der Welt setzen mutige Aktivist*innen ihre Freiheit oder ihr Leben aufs Spiel, um das Klima zu retten oder für Gleichberechtigung einzutreten. Aber immer öfter werden sie dafür mit Repressionen überzogen. Das macht mich eher wütend als hoffnungsvoll.
Meine Hoffnung ist eher ein Urvertrauen, das sich weniger aus politischen Analysen speist als aus frühen Kindheitserfahrungen von emotionaler Geborgenheit. Letztlich hat es also auch mit Privilegien zu tun. Es ist das Gefühl, dass man selbst irgendwie davonkommen wird, auch wenn die Situation dramatisch ist – weil bisher ja auch alles glimpflich verlief. Ich weiß, die Klimakrise ist anders. Deshalb sage ich ja: kein Grund zur Hoffnung. Eher das kindliche – und zugegeben naive – Urvertrauen, dass es irgendwie gehen wird.
Außerdem habe ich einen heimlichen Fluchtplan. Wenn hier alles richtig scheiße wird, wenn in Europa überall Faschisten regieren, Deutschland einen offenen Krieg gegen Klimaflüchtlinge führt und Hamburg unter Wasser steht, gehe ich nach Uruguay. In dem kleinen Land, in dem mehr Kühe leben als Menschen, passiert alles etwas langsamer und später. Was erneuerbare Energien betrifft, ist Uruguay hingegen Vorreiter. Fossile Brennstoffe spielen im Energiemix kaum eine Rolle, Atomkraft gar keine. Gut, der Fleischkonsum ist natürlich ein Riesenproblem. Aber wie gesagt, irgendwas ist ja immer.
Auch für kommende Pandemien, mit denen wir es immer öfter zu tun haben werden, ist das Land besser aufgestellt. Drei Millionen Menschen lassen sich einfach besser verwalten als 84 Millionen, von denen einige hunderttausend so irre sind, dass sie an Mikrochips in Impfstoffen glauben. In Uruguay sind die Gemüter ruhiger und die Menschen handelt oft besonnener: Erstmal einen Matetee aufbrühen, dann kann man weiter gucken.
Natürlich darf man sich nicht täuschen. Wenn die Klimakatastrophe in Europa und der restlichen Welt voll reinballert, ist auch Uruguay verloren. Die Dürre in Montevideo und anderen Teilen des Landes im vergangenen Sommer war hart, die Überschwemmung ein paar Jahre davor ebenso. Aber wenn wir bei durchschnittlich zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau sind, helfen ohnehin keine realen Fluchtpunkte mehr. Es sei denn, man will sich mit Elon Musk in eine Spacekapsel quetschen. Dann würde ich doch lieber einen Matetee trinken und in Ruhe zugrunde gehen.
Katharina Schipkowski
Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.
Meine Hoffnung ist eine solidarische Gesellschaft
Vor Kurzem hatten wir Weihnachtsfeier bei der taz. Ein toller Abend. Es wurde viel gegessen, getrunken, getanzt, mehrere tazler*innen legten auf. Es wurde spät. Und natürlich auch viel gequatscht. „Hast du noch Hoffnung, dass das was wird mit dem Klima?“, fragte mich irgendwann ein Kollege.
Mir wurde diese Frage schon häufig gestellt. Oft steht mein Gegenüber dann mit sehnsüchtigem Blick da. Vielleicht könnte die Antwort ja beinhalten, dass doch alles nicht so schlimm ist? Dass das bisschen Fliegen gar kein Problem ist? Und das bisschen Fleisch essen auch nicht?
Schließlich will niemand das Arschloch sein, das das Klima kaputt macht. Obwohl die meisten von uns es auf die eine oder andere Art sind. Ich natürlich auch. Wir ringen mit uns selbst, handeln aus. Manchmal sind wir vorbildlich, ist ja auch gar nicht immer unspaßig oder nachteilig, ganz im Gegenteil. Manchmal schieben wir das Problem vom Vorder- in den Hinterkopf, wo es sich besser ignorieren lässt. Manchmal befinden wir, dass jetzt wirklich erst mal die Politik tätig werden müsste.
Auf jeden Fall ist alles ganz schön stressig. Wäre es da nicht schön, wenn es für diese Fälle, in denen wir uns wissentlich für die objektiv schlechtere Variante entscheiden, eine Absolution gäbe?
Die will man dann vielleicht einfach raushören, wenn auf die Frage nach der Hoffnung eine Erklärung der Lage folgt. Früher hab ich das so gemacht, vielleicht von den Berichten des Weltklimarats erzählt. Wenn wir das 1,5-Grad-Limit einhalten wollen, mit dem die Erderhitzung zwar schlimmer als jetzt, aber wahrscheinlich noch einigermaßen zu händeln wäre, müssten sich die weltweiten CO₂-Emissionen bis 2030 halbieren.
Ich finde, das ist ein gruseliger Satz. Schließlich steigen die Emissionen immer noch. Auch dieses Jahr tun sie das wieder, hat vor Kurzem das Global Carbon Project ermittelt. Die Welt verbraucht fossile Energie wie nie zuvor. Dieses Halbieren der Emissionen in den nächsten fünf Jahren ist illusorisch. Laut UN-Umweltprogramm steuern wir auf 3,1 Grad Erderwärmung zu. Ein Todesurteil für viele Menschen. Ein Fluchtgrund für viele weitere. Ein viel schlechteres Leben für alle.
Im Gesicht meines Gegenübers sehe ich als Reaktion auf solche Ausführungen oft eher Erleichterung. Darüber, dass die Menschheit Wissen hat. Dass es einen Plan zu geben scheint. Dass da irgendwie noch fünf Jahre Zeit sind. Deshalb antworte ich mittlerweile anders. Denn für diesen Plan sind fünf Jahre so gut wie gar nichts. Und im Großen und Ganzen folgen wir diesem Plan gar nicht. Auch wenn es natürlich gewisse Fortschritte gibt, beim weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien zum Beispiel – aber eben kaum beim Ausstieg aus den Fossilen.
Ist die Lage deshalb hoffnungslos? So würde ich es nicht sehen. Ich habe Hoffnung. Darauf, dass wir als Menschheit uns doch noch Zehntelgrade ersparen. 2 Grad sind besser als 2,1 Grad, selbst 3 Grad sind besser als 3,1 Grad und so weiter. Und außerdem lassen sich auch in der schlimmsten Lage noch Sachen schlechter oder eben besser machen. Bei gefährlichen Wetterextremen, Lebensmittelknappheit, Verlust von Lebensraum macht es einen Unterschied, wie Gesellschaften sind: Ungleich, abschirmend, egoistisch oder gerecht, empathisch und solidarisch. Es wird nicht alles gut. Aber es lohnt sich, nicht aufzugeben.
Susanne Schwarz
Meine Hoffnung ist erzwungen
Schon lange kann ich der Klimakrise nicht mehr entkommen. In Deutschland lebe ich zwar noch verhältnismäßig friedlich, doch die Krise ist zu einer Art Dauerbeschallung geworden. Auch ihren Weg in die Kultur hat sie längst gefunden. Aber wenn ich in Büchern und Filmen von den grauenhaften Auswirkungen der Klimakrise lese oder sehe, dann sind es meistens Erzählungen aus der Zukunft. Schreckliche Szenarien, die uns erwarten.
Dabei braucht es längst keine Dystopien mehr, um das Grauen vorstellbar zu machen. Wälder brennen, Städte und Landschaften sind überflutet, Menschen verhungern, Zehntausende sterben schon jetzt jedes Jahr an den Folgen der Klimakrise.
Die Nachrichten sind voll von diesen Bildern. Doch nicht sie sind es, die mich zum Verzweifeln bringen. Es ist unser aller Untätigkeit, die mich wahnsinnig macht. Denn Macht, Geld, Faulheit und Resignation halten uns – und vor allem die Politik – vom Handeln ab. Längst wissen wir, wie wir die Klimakrise bekämpfen können, und tun es trotzdem nicht.
Dieses „Wissen und-trotzdem nicht handeln“ zieht sich durch alle Bereiche, in denen es um Gerechtigkeit geht. Sei es im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder, Queerfeindlichkeit, Rassismus oder die Verarmung der Gesellschaft.
Wir könnten schon längst in einer Welt leben, in der es nicht Alltag ist, dass jeden Tag Hunderte Frauen von Männern getötet werden oder die Erde sich weiter erhitzt. Doch stattdessen leben wir Tag für Tag weiter, als wäre alles okay. Dabei ist gar nichts okay.
Immer mehr Menschen verfallen deswegen in sogenannte Climate Anxiety – eine Angst vor Klimafolgen, die so groß werden kann, dass sie lähmt. Angesichts des Zustands der Welt ist es vielleicht die plausibelste Reaktion. Doch es ist nicht meine.
Hoffnungslosigkeit erlaube ich mir nicht, ich lasse sie schlicht nicht zu. Auch wenn es wenig Positives gibt, an das ich mich gerade halten kann, muss ich daran glauben, dass es besser wird. Einfach, weil ich es in dieser Welt sonst nicht aushalten würde.
So leicht es ist, von der Hoffnung zu schreiben, so schwer ist es, nach meinem eigenen Mantra zu leben. Doch über die Jahre habe ich mir Strategien überlegt, wie ich hoffnungsvoll bleibe. Anderen hilft der Kampf für kleine Reformen, die Vorbereitung auf die große Revolution oder das Verschließen der Augen vor der Realität.
Mir hilft es, Worte dafür zu suchen, dass sich der Kampf gegen die Klimakrise und alle anderen Menschenrechtsverletzungen lohnt. Dass er zwar anstrengend und teuer wird, doch dass das, was uns am Ende erwarten könnte, etwas Besseres ist. Etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt, weil wir letztlich alle davon profitieren.
Wenn mir manchmal die Kraft fehlt, nach Worten zu suchen, dann mache ich Pause. Schöpfe Kraft daraus, dass so viele andere durchhalten und kämpfen. Und wenn ich denke, dass nichts mehr hilft, hilft eines eigentlich immer: Humor. Nicht weil er mich hoffen, sondern weil er mich durchhalten lässt. Und sollte am Ende doch die Hoffnungslosigkeit siegen, dann habe ich wenigstens dabei gelacht.
Carolina Schwarz
Meine Hoffnung sind alle, die handeln
Keine Atempause / Geschichte wird gemacht / Es geht voran! … / Keine Atempause / Geschichte wird gemacht / Es geht voran! …“
In diesen Lyrics von Fehlfarben drückt sich meine Hoffnung aus. Der Song stammt noch aus den 1980er Jahren. Die Neue Deutsche Welle rollte durch die westdeutsche Musik und war alles in allem unpolitischer als ihr schwer erziehbarer Bruder, der Punk.
Auch Fehlfarben wollte damals wohl kein explizit politisches Statement hinterlassen und komponierte mit Zeilen wie „Berge explodieren / Schuld hat der Präsident“ oder „Graue B-Film-Helden / Regieren bald die Welt“ auch kein besonders hoffnungsfrohes Lied. Nur höre ich aus der Zeile „Geschichte wird gemacht“ ganz eigenmächtig eine andere Botschaft: Zur Geschichte gehören auch diejenigen, die sie schreiben.
Geschichte ist, noch genauer, die Summe aller vergangenen und künftigen Handlungen. Von allen. Deshalb ist für mich Handeln Hoffnung.
Gerade habe ich den Film „ANTIFA – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte“ gesehen. Dieser Film erzählt vom organisierten Widerstand gegen die militante Neonazi-Bewegung und deren Überfälle auf Flüchtlinge und Linke in den frühen 1990er Jahren. Einer der Protagonisten fragt sich darin rückblickend, ob es etwas gebracht hat, was sie damals getan, nein, gelebt haben. Ob es richtig war.
Was daran alles richtig war, sollen andere beurteilen. Aber die Vorstellung, niemand hätte sich in dieser Zeit den Hosenträgerglatzen in Springerstiefeln entgegengestellt, ist für mich kaum erträglich. Handeln ist besser als nichts tun, selbst wenn man dabei wagt, auch Fehler zu machen.
2024 wird in die Geschichte der Welt vermutlich nicht als Jahr der Hoffnung eingehen. Erstmals wurden die +1,5 Grad im globalen Schnitt überschritten. Donald Trump wurde ins Weiße Haus gewählt, Milliardäre versammeln sich in seiner Regierung, um die große libertäre Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu organisieren und jegliche Fesseln durch Regularien, nicht zuletzt klimabezogene, zu sprengen.
Und in Europa machen sich Rechtsextreme und Russlandtrolle breit. Um meine Gleichung namens Geschichte, könnte man mit einigem Recht sagen, ist es nicht gut bestellt. Aber würde man damit nicht einen relevanten Teil übersehen?
Antifaschist:innen führen in Deutschland auch 2024 wieder einen Abwehrkampf gegen den immer stolzer auftretenden Nazismus. Ich bin froh um alle, die selbst aktiv werden. Und immerhin verabscheut eine übergroße Mehrheit hierzulande die AfD und andere Formen des Rechtsextremismus.
Ja, klima-engagierte Bewegungen und Parteien sind derzeit in einer ganz grundsätzlichen Defensive. Doch jenseits der Halstuch-Hoodie-Habeck-Fraktion schreiben auch noch viele andere an unserer Geschichte. An Universitäten, in internationalen Organisationen und durchaus auch Menschen mit Geld. Seit vielen Jahren gründen sie Stiftungen, finanzieren Forschung, bauen Firmen um oder leiten globales Geld in die richtige Richtung. Denn der klügere Teil des Kapitals hat ja längst verstanden, dass der Raubbau an der Natur das Ertragsmodell des Kapitalismus selbst gefährdet.
Ich kann schlecht versprechen, dass diese bunte Koalition die Welt retten wird. Aber ich kann versprechen, dass die Rettung auf keinen Fall von jenen kommen wird, die selbst untätig bleiben. Und erst recht nicht von jenen, die mit Angst hantieren. Das ist für mich gerade das Gegenteil von Hoffnung.
Oder, um mit einem Zitat von Erich Kästner zu schließen: „Es gibt nicht Gutes. Außer man tut es.“
Barbara Junge
Meine Hoffnung schöpfe ich mir selbst
Ich bin nicht so gut im Auswendiglernen. Aber drei Gedichte kann ich aufsagen. Eines davon ist „Die Wahrheit“ von Bertolt Brecht. Es endet so: „Brüder, mit dieser Frage / Will ich gleich beginnen: / Hier aus unsrer schweren Lage / Gibt es kein Entrinnen. / Freunde, ein kräftiges Eingeständnis / Und ein kräftiges WENN NICHT!“
Wenn nicht! – das meine ich, wenn ich Hoffnung sage. Mag sein, dass es aus unsrer schweren Lage kein Entrinnen gibt: Donald Trump wird erneut US-Präsident. Keiner der Kanzlerkandidaten geht das Klimathema mutig an. Die Emissionen steigen immer weiter, wir steuern auf 3 Grad Erderhitzung zu.
Wenn nicht mutige Menschen in den USA, in Deutschland, in China für Klimaschutz kämpfen. Wenn nicht Denkfabriken herausfinden, wie sich Klimaschutz finanzieren lässt und die Politik ihnen das abkauft. Wenn nicht Leute ihren Ortschaftsrat von einem Windrad überzeugen, oder ihre Nachbar*innen auf eine Demonstration gegen Flüssiggas mitnehmen.
Aber genau das tun sie.
Zur Hoffnung gehört das „kräftige Eingeständnis“, dass Trump erneut US-Präsident wird und die Dekarbonisierung verzögern wird. Aber eben auch das „Wenn nicht!“, also all die Menschen, die dafür sorgen, dass es weniger schlimm wird. Oder vielleicht sogar besser.
Jonas Waack
Als George W. Bush 2004 wiedergewählt wurde, hat die Schriftstellerin Rebecca Solnit ein Buch geschrieben, das „Hope in the Dark“ heißt, also Hoffnung in der Dunkelheit. Solnit schöpft Hoffnung daraus, dass es in der Menschheitsgeschichte tausendfach hätte schlimmer kommen können. Kriege, die später enden. Unschuldige, die länger in Gefängnissen ausharren müssen. Kunstwerke, die niemals wiedergefunden werden. Wenn da nicht diejenigen gewesen wären, die das verhindert haben.
Solnit schreibt von zwei Engeln: „Der Engel der Geschichte sagt, es ist schlimm. Der Engel der alternativen Geschichte sagt, es könnte schlimmer sein.“ Ich mag dieses Bild, nur die Engel stören mich. Hoffnung ist kein Engel. Hoffnung ist eine Kanalratte, getreten und gejagt, die sich immer wieder aufrafft, die nicht totzukriegen ist.
Denn Hoffnung schwebt nicht von oben zu uns herab. Wir müssen sie uns selbst schaffen, Hoffnung schöpfen. Aus der Ukrainerin nahe der Front, die sich um den Hund ihrer geflohenen Nachbarin kümmert. Aus der wahnsinnigen Geschwindigkeit, mit der China Solaranlagen produziert. Aus den südkoreanischen Abgeordneten, die Anfang Dezember gegen die Verhängung des Kriegsrechts stimmten, obwohl Soldaten auf Anweisung des Präsidenten das Parlament umstellt hatten.
Hoffnung zu schöpfen ist nicht leicht. Aber auch wenn sie sich versteckt, können wir nach ihr suchen.
Jonas Waack
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert