Gewalt in der Silvesternacht: Respekt vor und von dem Staat
Die jungen Randalierer sollten Staat und Sicherheitskräften gegenüber Respekt zollen. Aber auch umgekehrt steht ihnen ein respektvoller Umgang zu.
S ilvester hat dem Land mal wieder eine Integrationsdebatte beschert. Denn noch bevor überhaupt Genaueres über diejenigen, die Einsatzkräfte attackiert haben, bekannt werden konnte, melden sich zahlreiche Stimmen – auch aus der Bundespolitik – und fordern letztlich: stärkeres Durchgreifen „gegen Ausländer“. Grund für die massive und gefährliche Böllerei soll also irgendwie auch eine fehlgelaufene Integration sein.
Solche Wortmeldungen helfen wenig, sondern sie entlarven erneut, wie tief Rassismus im Denken verankert ist. Für Berlin hat die Polizei am Mittwoch Zahlen herausgegeben: Unter den 145 Tatverdächtigen, die sie in der Silvesternacht festgenommen hatte, seien 45 deutscher Herkunft. Unter den 100 anderen seien 18 Nationalitäten, unter anderem 27 Afghanen, 21 Syrer und neun Menschen aus dem Irak.
Noch vor dieser Veröffentlichung beklagte etwa Jens Spahn (CDU) den „fehlenden Respekt vor dem Staat“ und Neuköllns Stadtrat für Soziales Falko Liecke (CDU) sprach von einer Parallelgesellschaft, die mit „unseren Staatsorganen“ nichts zu tun habe und Repräsentanten des Staats „verachte“. Der Ruf nach „Respekt vor dem Staat“ mag sogar einleuchten, wenn Menschen auf der Straße Einsatzkräfte attackieren.
Entlarvend ist, dass er vor allem dann kommt, wenn als Täter Menschen identifiziert werden, die in irgendeiner Weise als nichtdeutsch wahrgenommen werden. Da ist es auch egal, ob sie einen sogenannten Migrationshintergrund und die deutsche Staatsbürgerschaft haben, ob sie hier regulär und dauerhaft mit unsicherem Aufenthaltsstatus leben oder sich auf dem Weg zur baldigen Einbürgerung befinden.
Viele Jugendliche sind traumatisiert
Wie aber könnte Respekt vor dem Staat erreicht werden? Redlich wäre es, das zu beantworten und nicht nur nach Repressionen zu rufen. Im Grunde ist das charmant einfach: Respekt kann ein Staat einfordern, der denjenigen respektvoll begegnet, die staatlicher Gewalt unterworfen sind. Gerade geflüchtete Jugendliche haben auf dem Weg nach Europa oft auf traumatisierende Art zu spüren bekommen, wie wenig ihre Rechte zählen, insbesondere wenn sie aus Afghanistan kommen.
Diese Erfahrung könnte durch großzügige und unterstützende Aufenthaltsregelungen und Hilfe beim Ankommen aufgefangen werden – doch allzu oft legen die Behörden ihnen Steine in den Weg und begegnen ihnen mit Misstrauen. Jeder Gang zur Ausländerbehörde ist mit Angst behaftet und Begegnungen mit Polizist*innen auf der Straße allzu oft von Kontrolle und Willkür geprägt.
Initiativen wie etwa „Kein Generalverdacht“ in Neukölln prangern regelmäßig unverhältnismäßige Polizeieinsätze in Shisha-Bars an und machen auf Stigmatisierung von Familien als „arabische Clans“ aufmerksam. Gewalt darf das nicht entschuldigen. Doch es differenziert den Blick. Und es darf nicht übersehen werden, dass hier dem Staat teils Heranwachsende gegenüberstehen. Beide Seiten müssen für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden.
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