Erfolg der Grundgesetzänderung: Ein wahres Husarenstück
Der Bundestag hat die Gesetzesänderung zur Schuldenbremse beschlossen. Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD werden dennoch nicht leicht.

A ls Husarenstück bezeichnet der Duden ein waghalsiges Unterfangen, das am Ende erfolgreich ausgeht. Es ist ein solches Husarenstück, das Friedrich Merz da in den vergangenen Wochen hingelegt hat – und kurzfristig kann er es als Erfolg verbuchen. Der Bundestag hat am Dienstag mit einer Zweidrittelmehrheit eine Grundgesetzänderung beschlossen, die ein riesiges Schuldenpaket für Investition und Verteidigung möglich macht. Und weil die Freien Wähler in Bayern beigedreht sind, wird das Ganze am Freitag wohl auch den Bundesrat passieren.
Das ist grundsätzlich richtig und gut, auch wenn es am Verfahren und den Details durchaus einiges zu kritisieren gibt. Das Land braucht angesichts von Putin und Trump, vom Krieg in der Ukraine, von Wirtschaftskrise und kaputtgesparter Infrastruktur mehr Geld für Investitionen. An Merz’ Geschick aber lag es nicht, dass das Ganze gelungen ist. Vielmehr ist der Christdemokrat, dem jede Regierungserfahrung und eine große Portion Fingerspitzengefühl fehlt, so durch das Verfahren gestolpert, dass sich die Frage aufdrängte, ob er das nötige Zeug zum Kanzler überhaupt hat.
Erst hat Merz die Wähler*innen belogen. Dann hat er die Gunst der Stunde genutzt, als Trump Selenskyj im Weißen Haus demütigte. Er hat seine Absage an neue Schulden abgeräumt und damit einen Teil der eigenen Partei und seiner Wähler*innen gegen sich aufgebracht. Von den Grünen musste er sich zuletzt – ausgesprochen sinnvolle – Zugeständnisse abtrotzen lassen.
Doch jetzt hat er, was die Union der Ampelregierung verweigert hat: zig Milliarden, die dringend notwendige Handlungsspielräume eröffnen. Dass ausgerechnet die Grünen, die eine Reform der Schuldenbremse lange gefordert hatten und für ihre Vorschläge von der Union zerrissen worden sind, Merz aus der Patsche geholfen haben, das kann man fast schon als tragisch bezeichnen. In ein paar Wochen sind die Grünen in der Opposition und niemand wird sich mehr darum scheren.
Bleiben angesichts des frischen Geldes also die von Merz angekündigten Reformen – sprich Kürzungen – bei den Sozialleistungen aus? Mitnichten. Es entspricht nicht nur Merz’ Grundüberzeugung, dass der Staat hier nur das Nötigste leisten soll. Er braucht die Kürzungen auch, um die eigene Klientel zu beruhigen. Merz hat auch hier vor der Wahl einen Politikwechsel versprochen, ein weiteres Umkippen kann er sich kaum leisten. Für die Sozialdemokrat*innen werden das keine leichten Koalitionsverhandlungen. Geben sie klein bei, könnte Merz mit seinen Husarenstücken auch langfristig durchkommen.
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