Drohnenangriff der USA in Afghanistan: Ohne Prozess
Die Exekution des Al-Qaida-Chefs ist nach europäischer Auffassung staatlicher Mord. Für die USA gilt der Drohnenangriff hingegen als Kriegseinsatz.
D ie USA haben Aiman al-Sawahiri, den aktuellen Anführer des Terrornetzwerks Al-Qaida, mit zwei Raketen getötet, die von einer Drohne abgefeuert wurden. Die USA vollstreckte damit eine Art Todesstrafe ohne Gerichtsverhandlung – als Vergeltung für die Al-Qaida-Anschläge auf New York und Washington von 2001. Es war ein staatlicher Mord.
Diese Aussage ist weder abwegig noch ungewöhnlich. Sie entspricht der herrschenden Auffassung der europäischen Völkerrechtslehre, die den Kampf gegen den Terror klar als polizeiliche Aufgabe der Kriminalitätsverfolgung definiert und nicht als erlaubte staatliche Kriegsführung.
Hier klaffen die Auffassungen in Europa und den USA seit rund zwanzig Jahren weit auseinander. Die US-Regierungen führen den war on terror so, als sei es ein Krieg gegen einen staatlichen Angreifer. Für sie ist der Al-Qaida-Chef ein Kombattant, also ein Kriegsteilnehmer und damit ein völkerrechtlich zulässiges militärisches Ziel.
Nun kann sich die Bundesregierung nicht einfach zurücklehnen und auf einen interkontinentalen Streit unter Rechtswissenschaftlern verweisen, der sie nichts angehe. Denn viele US-Drohnen-Angriffe nutzen Einrichtungen auf der US-Airbase in Ramstein als Verbindungsstation für die Drohnensteuerung. Eine solche Relaisstation ist wegen der Erdkrümmung notwendig. Vermutlich war Ramstein auch beim Angriff auf al-Sawahiri involviert. Und natürlich ist die Bundesregierung dafür verantwortlich, was auf deutschem Boden geschieht.
Schon lange gibt es daher Forderungen aus der Friedensbewegung, Deutschland solle den USA die Nutzung der Air Base verbieten, zumindest für rechtswidrige Drohnenangriffe. Angesichts der Weltlage wird die Bundesregierung einen derartigen Affront gegen die USA natürlich weiter vermeiden. Dennoch wäre schon etwas gewonnen, wenn die Regierung wenigstens etwas Problembewusstsein zeigen würde.
Peinliches Negativbeispiel war 2011 Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Ausspruch: „Ich freue mich, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“