Drohende CDU-SPD-Koalition in Berlin: Giffeys gefährlicher Vorstoß
Die Berliner SPD will offenbar als Juniorpartnerin in eine Koalition mit der CDU. Das könnte die Partei zerreißen – und die gepeinigte Stadt lähmen.
F ranziska Giffeys SPD steht vor einem Dilemma. Obwohl sie als klare Wahlverliererin gilt, hängt es vor allem von ihr ab, wer Berlin künftig regiert. Aus einer Position der Schwäche eine Entscheidung über die Verteilung von Macht zu treffen – das geht selten gut.
Offenbar will Giffey ihre Partei nach der Wahlniederlage vom 12. Februar nun nicht mehr als Regierungschefin in eine Neuauflage der rot-grün-roten Koalition führen. Vielmehr strebt sie eine Zweierpartnerschaft mit der CDU an, allerdings nur noch als Juniorpartnerin, darauf deuten Medienberichte von Dienstagabend hin. An diesem Mittwochabend soll die finale Entscheidung darüber fallen.
Der klare Wahlsieger CDU könnte dann mit der auf 18 Prozent zusammengeschnurrten SPD die Geschicke der Stadt lenken. Giffey will damit die ungeliebte Zusammenarbeit vor allem mit den Grünen beenden und wohl gleichzeitig ein Senatorinnenamt für sich retten, vielleicht sogar eines mit besonders vielen Kompetenzen, etwa im Bereich Bauen und Verkehr.
Doch dieses Spiel ist gefährlich. Fraglich ist schon, ob die eher linke SPD ihrer Parteichefin auf diesem Weg nach rechts folgt. Denn Giffey und die Berliner SPD – das ist kein Dreamteam. Nicht vergessen ist, dass sie bei ihrer Wiederwahl als Vorsitzende im Sommer vergangenen Jahres gerade mal 60 Prozent erhielt.
Noch fraglicher ist, ob die Partei ihr überhaupt einen Senatorinnenposten zubilligt. Immerhin ist sie es, die die Wahlniederlage zu verantworten hat. Der Wahlkampf war komplett auf die Regierende Bürgermeisterin zugeschnitten. Er endete damit, dass die SPD drei Prozentpunkte einbüßte und nur noch hauchdünn vor den Grünen landete. Diese Niederlage und ihren Schwenk nach rechts nun auch noch mit einem Posten vergolden? Das muss Giffey erst mal zu verkaufen wissen – zumal es in der bundesdeutschen Geschichte bisher so gut wie nie vorgekommen ist, dass eine Regierungschefin nach der Wahl wieder „nur“ Ministerin wurde.
Schließlich bleibt die Frage nach der Verantwortung für die Stadt. Die Wahl am 12. Februar war auch Ausdruck des Protests, dass vieles in Berlin nicht wirklich funktioniert, etwa wenn es um Termine auf den Bürgerämtern geht. Berlin wieder zum Laufen zu bringen ist daher die allererste Aufgabe der nächsten Regierung. Doch die CDU bringt dafür keine guten Voraussetzungen mit: Weder hat sie verwaltungserfahrenes Personal noch überzeugte sie im Wahlkampf mit besonders guten Ideen. Dazu kommt: Die Zeit bis zur nächsten Wahl ist mit knapp dreieinhalb Jahren denkbar kurz – doch eine neue Regierung bräuchte erst mal eine längere Einarbeitungszeit.
Das weckt Erinnerungen an die rot-schwarze Koalition von 2011 bis 2016, als SPD und CDU weniger mit- als vor allem gegeneinander arbeiteten und sich vor allem gegenseitig nicht in die Parade fuhren. Das lähmte die Stadt, anstatt sie voranzubringen und schon damals nötige Reformen etwa beim Verkehr oder der Wohnungspolitik einzuleiten. Darunter leidet Berlin bis heute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe