Drohende Abschiebung in Sachsen: CDU will trotz Petition abschieben

35 Jahre lebt Pham Phi Son in Sachsen. Nun droht seiner Familie die Abschiebung. Eine Petition dagegen mit 81.000 Unterschriften kratzt die CDU nicht.

Vietnamesischer Familie, die von Abschiebung bedroht ist

80.000 Menschen haben eine Petition gegen ihre Abschiebung unterzeichnet: Familie Son

BERLIN taz | Die CDU im Sächsischen Landtag verweigert dem ehemaligen vietnamesischen DDR-Vertragsarbeiter Pham Phi Son und seiner Familie ein Aufenthaltsrecht. Das erklärten alle Mitglieder der CDU-Fraktion einzeln und schriftlich gegenüber dem Petitionsbetreiber „Open Petition“. Dort hatte die Petition für ein Bleiberecht der Familie 81.000 Unterstützerunterschriften bekommen, fast jede fünfte Unterschrift kam aus Sachsen.

Der Bescheid der Stadt Chemnitz zur Abschiebung sei bestandskräftig, hieß es in der Antwort der CDUler. „Ebenso wurde der Fall im Jahr 2019 von der sächsischen Härtefallkommission behandelt“, die das Ersuchen abgelehnt hatte. „Die CDU-Fraktion hat immer betont, dass sie für eine konsequente Asylpolitik steht. Dazu gehört die Integration derjenigen, die einen Anspruch auf Schutz und eine klare Bleibeperspektive haben genauso wie die konsequente Abschiebung von vollziehbar Ausreisepflichtigen, denen jeglicher Anspruch auf Asyl verwehrt ist“, argumentiert die CDU in dem Schreiben.

Wie die taz berichtet hatte, ist der 65-jährige Vietnamese von Abschiebung bedroht, weil er 2016 während einer Urlaubsreise in Vietnam erkrankte und deshalb erst nach über sechs Monaten nach Deutschland zurückkehrte. Nach sechs Monaten erlischt aber in der Regel die Niederlassungserlaubnis. Er lebt seit 1987 in Chemnitz – also seit 35 Jahren.

Das Votum der CDU ist entscheidend, denn im Petitionsausschuss des Sächsischen Landtags, wo das Thema demnächst auf die Tagesordnung kommt, hat die CDU zusammen mit der AfD eine rechnerische Mehrheit. Dass die AfD für ein Bleiberecht einer vietnamesischen Familie votiert, ist kaum vorstellbar.

Integrationsbeauftragte Kobuß schockiert

Der SPD-Abgeordnete Frank Richter hält dagegen: „Es geht bei Herrn Pham nicht um einen Schutzsuchenden. Es geht um einen Menschen, der seit über 35 Jahren in Deutschland lebt, arbeitet, Steuern zahlt, sich keiner Straftat schuldig gemacht hat, der von vielen Mitmenschen geschätzt wird“, sagte er der taz. Der Entzug der Niederlassungserlaubnis „wegen eines vergleichsweise geringen Fehlers“ war unverhältnismäßig und könne durch den Petitionsausschuss des Landtages korrigiert werden. „Wenn sich Bürgerinnen und Bürger mit einer Petition an den Landtag wenden, ist das zuerst ein Ausdruck des Vertrauens ins Parlament. Dieses darf nicht enttäuscht werden.“

Regelrecht „schockiert“ zeigte sich Chemnitz Integrationsbeauftragte Etelka Kobuß von der Stellungnahme der CDU. „Niemals habe ich gedacht, dass diese überwältigende Unterstützung für Herr Pham Phi Son und seiner Familie mit so wenig Beachtung bestraft werden kann. Eine Petition ist die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger, ihren Willen gegenüber politischen Vertretern zu äußern.“ 80.000 Unterschriften zu ignorieren, „finde ich nicht in Ordnung. Insbesondere, weil es sich hier um die Christlich Demokratische Union handelt – eine Partei, die sich als christlich bezeichnet und damit eigentlich für Nächstenliebe und Barmherzigkeit stehen sollte.“

Kobuß fordert die CDU nun auf, neben dem menschlichen Aspekt auch zu überdenken, welche Signale sie mit der Ablehnung an die Gesellschaft sendet. Sachsen sei auf die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland angewiesen und konkurriere mit anderen Standorten um Arbeitskräfte. „Sich jemandes nach so vielen Jahren in diesem doch schon hohen Alter so zu entledigen ist kein positives Signal. Vielmehr zeigt eine solche Entscheidung, dass Integrationsbemühungen nicht wirklich eine Rolle spielen und dass niemand seines Aufenthaltes auf Dauer sicher sein kann“, sagte sie.

Sachsen wirbt derzeit auch aus Vietnam viele Arbeitskräfte an für die Altenpflege, Gastronomie und die Hotelbranche. Es kostet viel Mühe, diese oft aus unterentwickelten ländlichen Regionen stammenden Arbeitskräfte in der deutschen Sprache auszubilden und sie an die deutsche Kultur heranzuführen. Pham Phi Son hingegen hat jahrelang in der Gastronomie gearbeitet und möchte das bis zum Ruhestand gern wieder tun.

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