Debatte um eine „grüne RAF“: Klimakrise nicht verstanden
Warnungen vor einer „grünen RAF“ wurden von rechts bereitwillig aufgenommen. Ökoterrorismus ist Fiktion – die Klimakrise aber ist real.
S tellen Sie sich vor, Fliegen wäre gefährlich. Eigentlich ist dafür nicht viel Fantasie nötig. Schließlich ist der Luftverkehr für deutlich mehr klimaschädliche Emissionen im Jahr verantwortlich als ganz Deutschland. Damit ist Fliegen gefährlich. Fliegen tötet. Nur eben in der Regel nicht unmittelbar. Aber wenn das plötzlich anders wäre?
Es ist ein Szenario, das der Science-Fiction-Autor Kim Stanley Robinson in seinem Klimakrisen-Roman „Das Ministerium für die Zukunft“ zeichnet. Das Buch hat viel Aufmerksamkeit bekommen, nachdem der ehemalige US-Präsident Barack Obama es auf die Liste seiner Buchempfehlungen im Jahr 2020 gesetzt hatte. Darin gehen die Emissionen des Luftverkehrs irgendwann zurück. Der Grund: Die breite Öffentlichkeit ist zu verängstigt, um noch ins Flugzeug zu steigen, denn Ökoterrorist:innen schießen diese im Roman regelmäßig mit Drohnen ab.
Als der frühere Klimaaktivist Tadzio Müller im vergangenen Jahr im Spiegel Klimaschutz einforderte, um eine „grüne RAF“ zu verhindern, hatte er wohl solche Szenen im Kopf. Nun hat er in einem Folge-Interview eingeräumt: Die Aussage damals war ein Fehler. Im rechten politischen Spektrum ist die „grüne RAF“ zum Kampfbegriff geworden. Dort bezieht man sich auf Aktivist:innen wie die der Letzten Generation, obwohl die ja Autos friedlich blockieren. Darüber kann man sich als Autofahrer:in ärgern. Mit Terrorismus hat es aber absolut nichts zu tun.
Dass Müllers Aussage nach hinten losgegangen ist, hat viele Gründe. Nicht zuletzt vielleicht den, dass er für eine gewisse Freude an provokanten Aussagen und viel Reichweite bekannt ist. Aber es ist auch ein Symptom dafür, dass die Tragweite der Klimakrise und des nötigen Klimaschutzes kaum verstanden sind. Viele scheinen sich kaum vorstellen zu können, dass die Erderhitzung zu ernsten, auch gewaltvollen Auseinandersetzungen um Ressourcen führen könnte. Dass das ein Irrtum ist, zeigen nicht nur Sci-Fi-Romane. Ein Blick in die Berichte des Weltklimarats IPCC genügt.
Die Welt ist aktuell schon um 1,2 Grad aufgeheizt. 2022 sind die weltweiten CO2-Emissionen weiter angestiegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen