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Berlins neuste A100-VerlängerungVorfahrt für die menschenfeindliche Stadt

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Die sinnloseste Autobahn der Bundesrepublik wird am Mittwoch in Berlin eröffnet. Sie ist ein Symbol für Stillstand und eine rückwärtsgewandte Politik.

Autobahnen schaffen neuen Verkehr, und das ist schlecht: Graffiti an der Baustelle der Verlängerung der A100 in Berlin-Treptow Foto: Paul Langrock

F ür Berlin ist es kein Grund zur Freude, sondern einer der Scham. Etwa siebzig Jahre nach den ersten Planungen und nach mehr als zwölf Jahren Bauzeit soll der 16. Abschnitt der A100 zwischen Neukölln und dem Treptower Park am kommenden Mittwoch eröffnet werden.

Mit 650.000 Kubikmeter Beton und 750.000 Tonnen Stahl ist hier eine Idee aus einem anderen Jahrtausend zementiert worden. Entstanden ist ein 3,2 Kilometer langes Mahnmal einer fehlgeleiteten Politik, die vor den Herausforderungen einer zukunfts- und klimagerechten Stadt kapituliert hat.

Die Welt schaut nach Paris, nach Kopenhagen, selbst nach New York und sieht, dass es möglich ist, sich von der Idee einer autozentrierten – ergo menschenfeindlichen – Stadt zu lösen, wenn auch oft noch viel zu zögerlich. Doch wer nach Berlin guckt, muss sich die Augen reiben. Im Herzen der Bundesrepublik werden noch immer Autobahnen gebaut, ganz so, als hätte sich seit den 1930er Jahren nichts verändert. Die Autobahn als Symbol für Stillstand.

Und das darf man sich dann auch ganz praktisch vorstellen. Autobahnen entlasten keinen Verkehr, sie schaffen neuen, wie jeder Verkehrsplaner weiß. „Nur noch eine Spur, Bro“ ist ein Internet-Meme, das verdeutlicht, wie selbst die vielspurigsten Autobahnen im Verkehrskollaps versinken. Auf dem neuen A100-Abschnitt wird mit 85.000 Fahrzeugen täglich gerechnet, die sich am neuen Ende Treptower Park wieder zurück in die Viertel ergießen. Und zwar über eine sich noch lange im Bau befindliche Elsenbrücke und dann weiter über einspurige Gassen nach Friedrichshain. Das Chaos ist vorprogrammiert.

Mehr als doppelt so teuer wie geplant

Schon der Bau war ein reines Fiasko. Ganze vier Jahre später als geplant ist die Autobahn fertig. Aus den ursprünglich veranschlagten Kosten von 312 Millionen Euro sind 720 Millionen geworden. Das ist eine Kostensteigerung von 230 Prozent. Für 225.000 Euro pro Meter hat Berlin damit nun die teuerste Autobahn der Republik erhalten. Es ist auch die sinnloseste. Ein noch sinnloserer Bau droht dann, wenn ernsthaft der Versuch gewagt wird, auch noch den 17. Abschnitt bis zur Storkower Straße durchzudrücken.

Der Trasse nach Treptow sind fünf Häuser mit mehr als 100 Wohnungen, 300 Kleingarten-Parzellen und etwa 450 Bäume zum Opfer gefallen. Bei einem Weiterbau droht die Zerstörung des subkulturellen Herzens der Stadt. Allein mehr als ein Dutzend Clubs würden niedergewalzt. Und dann ist da ja noch der irrsinnige Tunnelplan unter dem Ostkreuz, ein weiteres drohendes Milliardengrab. Möge irgendjemand verhüten, dass das jemals Wirklichkeit wird! Am besten tun das die Ber­li­ne­r:in­nen selbst.

Die Autobahnverlängerung war nie ein Mehrheitsprojekt aus der Stadt heraus, stattdessen wurde sie uns aus dem Bundesverkehrsministerium aufgezwungen. Proteste begleiten den A100-Bau inzwischen seit Jahrzehnten und richteten sich auch schon gegen die Vorgängerabschnitte bis zur Buschkrugallee und der Anschlussstelle Neukölln, die 2000 und 2004 freigegeben wurden.

Um die nun geplante Eröffnung herum – auf eine öffentliche Feier wird aus gutem Grund verzichtet – wird es erneut zahlreiche Protestaktionen geben. Sie sind aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Berlin erwartet, wenn der Wahnsinn nicht endlich gestoppt wird.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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11 Kommentare

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  • Ich glaube euch sind die Umfragewerte durcheinandergekommen - eine klare 'Mehrheit' von 30% der Berliner ist gegen die neue Autobahn und eine klare 'Minderheit' von 70% dafür...



    Anscheinend haben die Berliner ein Faible "für die menschenfeindliche Stadt" so wie Restdeutschland auch 🤷‍♂️



    Quelle:



    "Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Civey“ im Auftrag des Tagesspiegel zeigt: Eine deutliche Mehrheit der Berliner:innen unterstützt den Ausbau der A100.



    Die Frage, ob der laufende Bauabschnitt vom Dreieck Neukölln bis zum Treptower Park wie geplant fertiggestellt werden soll, beantworteten 59,2 Prozent der 1001 Befragten mit „Ja, auf jeden Fall“.



    Weitere zehn Prozent antworteten mit „Eher ja“. Eindeutig gegen den Abschluss des laufenden Bauabschnitts sprachen sich lediglich 18,2 Prozent der Befragten und damit eine deutliche Minderheit aus. 4,5 Prozent der Befragten lehnten den Abschluss des laufenden Bauabschnitts eher ab, acht Prozent der Umfrageteilnehmer:innen äußerten sich unentschieden."



    www.ghb-online.de/...rbau-der-a100.html

  • Peinlich, teuer und eben nicht zuendegedacht. Was passiert, wenn mensch Umlandautos den großen roten Teppich ausrollt und die dann in die weiteren Straßen drängen, hätte aus u.a. Stuttgart bekannt sein können.



    Autosucht ist eigentlich heilbar.

  • Das ist kein Journalismus, sondern eine Tirade. Nichts an diesem Artikel kann überzeugen. Was ist an 3,2km Stadtautobahn nicht "klimagerecht"? Autofahrer sind keine Menschen? Müssen sie mit Staus bestraft oder umerzogen werden? Autobahnen sind in Deutschland kein Symbol für Stillstand, sondern eher für Freiheit, Wohlstand und Fortschritt. Rückwärtsgewand ist vielmehr das abstruse Narrativ von einer sog. Klimagerechtigkeit – eine nicht nur unwissenschaftliche, sondern antiwissenschaftliche Erzählung!



    Gerade eine 3,2 km lange Stadtautobahn entlastet Wohnquartiere und schafft natürlich keinen neuen Verkehr.



    Egal auf welcher Ebene der föderalen Demokratie: der Souverän hat es nun einmal so entschieden, dessen Willen Sie vielleicht doch etwas mehr Respekt entgegenbringen sollten. Halbwegs moderne Autos auf diesem kleinen Abschnitt der Stadtautobahn haben sicher keinen relevant größeren CO2-Fußabdruck als die edlen "subkulturellen" Club-Benutzer ihrer politischen Couleur.



    Mich jedenfalls hat ihr Artikel überzeugter gemacht von den Vernunft und Richtigkeit der Verlängerung der Stadtautobahn. Ein halbwegs ausgewogener Artikel hätte den Meinungsbildungsprozess vielleicht bereichert.

    • @Tobias Gall:

      Natürlich ist das eine Tirade, auch Kommentar genannt. Zurecht. Und natürlich schafft das mehr Autoverkehr, wenn man nun schneller mit dem Auto als mit Öffis oder dem rad ans Ziel kommt.



      ich wohne hinter dem Ende des neuen Autobahnendes. Ich bin froh, dass Sie mir versichern, dass die Autobahn die Wohnquartiere entlastet. Allein ich glaube nicht dran.

  • In Paris gibt es schon lange einen kompletten Stadtautobahn-Ring. Um endlich zu Paris aufzuschließen, müssen wir also über den Lückenschluss zwischen den Autobahnenden in Treptow und Seestraße reden. Dann fährt keiner mehr durch irgendwelche "Gassen", wie es der Autor nennt.

    Das Argument, daß eine neue Autobahn mehr Verkehr anzieht, ist nicht nachvollziehbar. Von 2009-2023 sind lt. UBA der PKW Bestand um 19.2%, die Autobahn-km aber nur um 3,2% gestiegen. In keinem Jahr wuchsen die Autobahnen schneller als der PKW Bestand, ein Aufholeffekt ist nicht erkennbar.

    Die Zahlen zu den Kosten stimmen leider auch nicht. Eine Kostensteigerung von 408 Millionen entspricht nicht "230%" der 312 Millionen Plankosten, denn 408/312 = 1,307 oder 130,7%.

    • @Fahrvergnügen:

      Lückenschluss am besten quer über den Kollwitzplatz. das ist, was Berlin nun braucht, oder?

  • "Autobahnen entlasten keinen Verkehr, sie schaffen neuen, wie jeder Verkehrsplaner weiß"

    Nein, Autobahnen verlagern Verkehr. Es kauft sich Niemand ein Auto wegen einer 3,2 km laengeren Autobahn.



    Wo der Verkehr ohne die Autobahn landet, kann man bei Stau auf der A8 in den angrenzenden Doerfern beobachten [1].

    [1] www.adac.de/der-ad...abfahrtsverbot-a8/

    • @elektrozwerg:

      Nein, die Autobahn schafft an dieser Stelle Verkehr. Natürlich nutzen nun mehr Personen das Auto anstatt umweltfreundliche Verkehrsmittel. Für den einen oder anderen mag die Autobahn auch ein Grund sein, ein Auto zu kaufen, anstatt ein ebike mit dem man die neue Strasse leider nicht nutzen kann. Mit der Situation auf dem Dorf ist das kaum zu vergleichen, da gibt´s schliesslich meistens keine BVG als Konkurrenz zum Auto.

  • "Bei einem Weiterbau droht die Zerstörung des subkulturellen Herzens der Stadt. Allein mehr als ein Dutzend Clubs würden niedergewalzt."

    Fairerweise muss man dazu sagen, dass diese Clubs nur dort sind, weil dort die Autobahn gebaut werden soll und die Mieten entsprechend sind.

    • @Suryo:

      fairer weise muss man sagen, dass das auch nicht für den bau der autobahn spricht.

    • @Suryo:

      Da es noch nicht klar ist, wo genau die A 100 lang läuft, nö.