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Baerbock bei der UN-VollversammlungForsch, aber nicht unfeministisch

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Die geplante Nominierung zur Präsidentin der UN-Vollversammlung bringt Baerbock Kritik ein. Der Vorwurf, sie sei unfeministisch, ist jedoch falsch.

Annalena Baerbock beim G7-Treffen in Kanada. Ihr Griff nach dem Posten der Prädidentin der UN-Vollversammlung gilt als unfeminstisch Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

A nnalena Baerbock hat sich selbst im Rennen um ein hohes Amt bei den Vereinten Nationen in die erste Reihe gestellt. Für dieses eher forsche Vorgehen erntet sie nun Unmut. Wollte sich die scheidende Außenministerin nicht gerade noch mit Verweis auf ihre Töchter und das Privatleben, das in den letzten Jahren „auf Highspeed“ gelitten habe, aus dem Rennen nehmen? Nun denn. Mag sein, dass die Familie als etwas fadenscheinige Exit-Strategie nach dem verlorenen Kampf um den Fraktionsvorsitz der Grünen herhalten musste.

Mag auch sein, wie einige Stimmen behaupten, dass es mit der ehemaligen OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid, die eigentlich schon als gesetzt galt, für das Amt der Präsident der Uno-Generalversammlung eine bessere, erfahrenere Kandidatin gab. Dennoch ist es ganz erstaunlich, wie sehr sich Baerbock auch als Frau verteidigen muss, dass sie so forsch ihre weitere Karriere organisiert hat. Ob das etwa feministische Außenpolitik sei?, fragte der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen spitz.

Natürlich ist diese Frage eine einzige Attacke: Weil sie die feministische Außenpolitik, die Baerbock ja tatsächlich bei ihrem Amtsantritt 2021 zu ihrem Programm erklärt hatte, verzwergt auf die Frage, ob eine Frau eine andere Frau aus dem Amt drängen darf. Was mit Außenpolitik zum einen überhaupt nichts zu tun hat. Zum anderen ist es der Versuch, die Idee einer feministischen Außenpolitik ins Lächerliche zu ziehen. Dass Baerbock tatsächlich nur wenig erfolgreich mit ihrem Ansatz war, dass sie es nie geschafft hat, eine Worthülse wirklich mit Leben zu füllen – geschenkt, darum geht es hier nicht.

Interessant bleibt, dass es offenbar als unfeministisch gilt, was Baerbock da macht. Natürlich darf eine Frau eine andere Frau von der Spitze verdrängen. Männer nehmen sich schließlich auch ständig gegenseitig die Posten weg. Dass Baerbocks Verhalten als „unweiblich“ markiert wird, lässt tatsächlich eine Notwendigkeit für mehr feministische (Außen-)Politik erkennen. Falls jemand mit der Idee noch etwas anfangen kann.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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2 Kommentare

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  • Ich würde so eine Mitnahmementalität ohne jedes Eingeständnis des eigenen Scheiterns oder sonstigen Reflexionsvermögens nicht als unfeministisch sondern ganz genderneutral als kackendreist bezeichnen.

  • "Falls jemand mit der Idee noch etwas anfangen kann." Feministische Außenpolitik ist keine "Idee" sondern eine Notwendigkeit. Baerbock wurde von Anfang an dafür kritisiert und diese Kritik kam deutlich auch von Frauen, vor allem solchen, die Feminismus bis heute nicht verstanden haben. Vor aalen Dingen kam sie nicht dazu, daran zu arbeiten, denn:



    Womit haben wir heutzutage zu kämpfen? Mit offensichtlich mental-retardierten Männern, die glauben, sie befänden sich im Zaren- oder Kaiserreich oder im Wilden Westen um 1850. "There is a new Sheriff in town" , so die Einleitung der Rede von J.D. Vance bei der Münchener Sicherheitskonferenz.



    Die Politik der Patriarchen ist anachronistisch und autokratisch, dumm und nutzlos.