Aus für Erhöhung des Rundfunkbeitrags: Wie man einen Rundfunk bespart
Weil Sachsen-Anhalt sich querstellt, fehlen den öffentlich-rechtlichen Sendern ab Januar Milliarden. ARD und Deutschlandradio wollen klagen.
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Es müssten aber alle Länder zustimmen. Da Sachsen-Anhalt ausschert, bleibt der Rundfunkbeitrag bei 17,50 Euro. Vorerst. Das bedeutet, dass öffentlich-rechtlichen Sendern ab dem Jahreswechsel Einnahmen fehlen werden, mit denen sie zuletzt rechneten und die ihnen von der zuständigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) auch bescheinigt wurden. Nämlich 1,8 Milliarden Euro in vier Jahren, die zum Großteil aus dem Mehr an 86 Cent pro Haushalt eingesammelt werden sollten.
ARD und Deutschlandradio haben am Dienstagnachmittag bereits angekündigt, Verfassungsbeschwerde einzulegen, um eine bedarfsgerechte Ausstattung für ihren verfassungsrechtlichen Auftrag einzuklagen. Das taten sie schon einmal, im Jahr 2005. Damals hieß der Beitrag noch Gebühr und die Bundesländer hatten diese um 21 Cent weniger angehoben als von der KEF empfohlen. ARD, ZDF und Deutschlandradio bekamen damals recht. Das höchste Gericht gestand ihnen den von der KEF empfohlenden Beitrag zu und wies die von der Politik vorgelegte Begründung für die Absenkung zurück. Grundlage dafür ist, dass die Landesregierungen keinen Hebel haben sollen, um auf die Sender politisch einzuwirken. Deswegen haben sie nicht einfach so das letzte Wort beim Rundfunkbeitrag, sondern müssen normalerweise gut begründen, wenn sie von einer KEF-Empfehlung abweichen.
Eine solche Klage vor dem Verfassungsgericht klärt sich aber nicht mal eben in ein paar Tagen. Das Verfahren damals dauerte über zwei Jahre. Bis dahin würden den Sendern die Einnahmen fehlen, es könnte zu Liquiditätsengpässen kommen. Im Management einiger Sender wird jetzt schon teils der Finanznotstand ausgerufen. Die kleinen Anstalten bangen sogar um ihr Bestehen.
Not bei den Kleinen
Für Radio Bremen etwa, die kleinste Landesrundfunkanstalt in der ARD, attestierte Intendantin Yvette Gerner bereits im März dieses Jahres, dass es eng werden könnte, sollte die Erhöhung des Rundfunkbeitrags kippen. Ohne eine Beitragserhöhung würde Radio Bremen gleich doppelt verlieren. Zum einen wegen der fehlenden Einnahmen durch die Erhöhung selbst. Zum anderen wegen des ARD-Finanzausgleichs der großen Sender, von dem die strukturschwachen Anstalten, Radio Bremen und SR, abhängig sind. Denn auch diese Zahlungen sind eng die Höhe des Rundfunkbeitrags gekoppelt. In Bremen wird eine Beitragserhöhung deshalb besonders dringend benötigt. 86 Cent mehr sind gerade so viel, dass Radio Bremen weiter seine Aufgaben erfüllen könne. Ohne die würde es zwangsläufig zu Einschnitten im Programm kommen.
Gerade die kleinen Anstalten innerhalb der ARD sind immer beliebte Argumente für diejenigen, die einen kleineren Rundfunk wollen. Braucht es wirklich neun ARD-Anstalten? Kann Radio Bremen nicht im NDR und der Saarländische Rundfunk im SWR aufgehen? Die Frage ist nicht neu. Aber dabei bewegt man sich finanziell nicht annähernd in dem Bereich, der gerade verhandelt wird. Radio Bremen und SR geben pro Jahr zusammen etwas über 200 Millionen Euro aus, auf vier Jahre gerechnet knapp 1 Milliarde. Würde man beide Anstalten abschaffen, dann würde man aber nicht diesen kompletten Betrag einsparen, sondern nur den Teil für die eigene Verwaltungsstruktur. Denn eine Rundfunkversorgung für Bremen und das Saarland würde ja weiter gebraucht.
Ebenfalls gerne angesprochen werden die üppigen Gehälter der Intendant*innen. Die obersten Chef*innen der einzelnen Sender verdienen im Jahr zwischen 245.000 Euro (Thomas Kleist, SR) und 395.000 Euro (Tom Buhrow, WDR). Was für eine beitragsfinanzierte Institution gewiss schwer vermittelbar ist. Allerdings: Selbst wenn man die Gehälter senkte, sagen wir für ein Rechenbeispiel, halbierte, wären hier allenfalls 7 Millionen pro Beitragsperiode einzusparen. Viel Geld, aber nicht annähernd die Dimension, um die es sich aktuell dreht.
Das Einstellen der kleinen Sender und Senken der Intendantengehälter würden also nur bedingt etwas verändern. Ein wirkliches Schrumpfen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müsste viel radikaler ansetzen. Sparen so, dass der Beitrag tatsächlich merklich sinken könnte, würde bedeuten: Weniger öffentlich-rechtliche Hörfunksender, es gibt in Deutschland über 70. Oder: raus aus dem Sportgeschäft. Die Sport-Übertragungsrechte allein kosten über 1 Milliarde pro Beitragsperiode.
Solche Einschnitte sind weitaus unbeliebter als der abstrakte Verweis auf den „aufgeblasenen“ Rundfunk. Am Sport und an der Lokalwelle hängen Hörer*innen dann doch. Das politische Dilemma: Ein Schrumpfen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre mit vielen Widerständen verbunden. Zustimmung für Pauschalkritik am Rundfunk und am Beitrag gibt’s dagegen beinahe umsonst.
Sparen durch Stellenabbau
Dazu muss man auch sagen: Gespart wird bereits, auf Druck der Länder, die einen Eklat um den Beitrag, wie es ihn jetzt gibt, genau vermeiden wollten. Die ARD-Anstalten haben in den letzten Jahren 4.800 Stellen abgebaut, weitere 390 Stellen sollen bis 2024, also in der laufenden Beitragsperiode, wegfallen. Das ZDF hat 562 Stellen abgebaut. Bisher wurde so gespart, dass das Programm nicht direkt betroffen war.
Wenn jetzt über Jahre Gelder fehlen, dürfte sich das ändern. Es lässt sich zwar am Programm drehen, ohne dass es gleich auffällt. Radiomoderator*innen die Technik ihrer Livesendungen selbst fahren lassen spart eine zweite Stelle. Wortminuten durch Musikminuten ersetzen ebenfalls. Und für die weniger populären Uhrzeiten Programme zusammenlegen.
Langfristig dürfte es aber auch die Vielfalt des journalistischen Angebots verringern und den Spielraum für Innovation nehmen. Schon jetzt planen die Sender keinen Cent Mehrausgaben für den Bereich Digitalisierung. Die möglicherweise wichtigsten Ausgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nämlich die Modernisierung des Journalismus, werden querfinanziert.
Die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wäre eine über Schwerpunkte. Verfechter*innen eines geschrumpften Rundfunks auch außerhalb des rechten Lagers hoffen, dass die Anstalten so dazu bewegt werden, ihre Prioritäten stärker zu setzen und das Alte von Grund auf neu zu denken. Andere dürften befürchten, dass dieser Prozess bereits im Gange ist, eine positive Weiterentwicklung durch die jetzige Entwicklung aber gebremst wird.
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