Verschärfungen beim Bürgergeld: Bald wieder wie Hartz IV?
Nach der Haushaltseinigung: Die Linke kritisiert die Ampel-Pläne zum Bürgergeld, die längere Arbeitswege und mehr Sanktionen vorsehen.
![Politikerin Heidi Reichinnek bei einer Rede. Politikerin Heidi Reichinnek bei einer Rede.](/picture/7107238/624/35763965-1.jpeg)
Heidi Reichinnek, Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag, bei einer Rede Foto:
dts Nachrichtenagentur/imago
BERLIN taz | Nach der Ankündigung der Ampelkoalition, die Regeln für das Bürgergeld zu verschärfen, kommt Kritik unter anderem aus der Linkspartei. Heidi Reichinnek, Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag, bemängelte die Sanktionspläne der Regierung. „Die Ampel suggeriert, dass Menschen, die Bürgergeld beziehen, durchweg faul sind oder schwarzarbeiten und den Staat betrügen. Das ist es, was immer wieder mitschwingt“, sagte sie am Montag.
Am Freitag hatte sich die Bundesregierung auf die Grundzüge des Haushalts für das kommende Jahr geeinigt. Als Teil der sogenannten „Wachstumsinitiative“, mit der die Regierung die Wirtschaft ankurbeln will, kündigte sie auch die Verschärfungen beim Bürgergeld an. So sollen Bürgergeldempfänger:innen künftig auch Jobs annehmen, wenn sie für den Arbeitsweg insgesamt drei Stunden brauchen.
Lehnen sie wiederholt „zumutbare“ Arbeit ohne triftigen Grund ab, kann ihnen schon seit diesem Jahr für bis zu zwei Monate der komplette Regelsatz gestrichen werden. Die Ampel hatte die Strafe verschärft, obwohl eine Auswertung der Bundesagentur für Arbeit zeigte, dass zwischen Februar und Dezember 2023 von etwa vier Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldbezieher:innen nur knapp 16.000 sanktioniert wurden, weil sie Arbeit verweigerten.
Bei anderen Pflichtverletzungen müssen Betroffene laut der Einigung vom Freitag auch wieder mit stärkeren Sanktionen rechnen: Die Bundesregierung plant, Kürzungen von 30 Prozent für drei Monate schon für die ersten Regelverstöße zu ermöglichen. Bislang sind stufenweise zu Beginn nur 10 beziehungsweise 20 Prozent möglich. Auch für Bürgergeldempfänger:innen, die schwarzarbeiten, sieht die Einigung vom Freitag Kürzungen des Bürgergelds um 30 Prozent vor.
Vermögen sollen schneller angetastet werden
Der Vorschlag der Ampel sieht zudem vor, dass Bürgergeldempfänger:innen künftig schneller ihr Vermögen ausgeben müssen, bevor sie weiter Bürgergeld beziehen. Bislang müssen sie ihr Vermögen erst nach einem Jahr antasten. Mit dem Vorschlag der Bundesregierung müssten sie alles oberhalb eines „Schonvermögen“ von 15.000 Euro bereits nach 6 Monaten nutzen. Die Altersvorsorge zählt aber nicht dazu.
Helena Steinhaus ist Aktivistin und Gründerin von Sanktionsfrei. Ihr Verein engagiert sich für Menschen, die Bürgergeld beziehen, und gegen Sanktionen. Steinhaus erklärt, die Ersparnisse antasten zu wollen, sei zu kurz gedacht: „Die meisten Bürgergeldempfänger:innen haben keine 15.000 Euro. Und die, die Vermögen haben, haben lange gearbeitet, um etwas zurückzulegen. Ihnen dieses Geld wegzunehmen, bevor sie weiter Bürgergeld bekommen, ist Hohn.“
Die Bundesregierung hatte angekündigt, die Änderungen schnell umsetzen zu wollen. Aber auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zeigte sich am Montag im ZDF skeptisch. Vordringliches Ziel müsse sein, jene aus dem Bürgergeld herauszubekommen, die mit dem Bezug ihren Arbeitslohn aufstocken: „Würden wir einen Mindestlohn von 14 oder 15 Euro haben, hätten wir mehrere Hunderttausend davon raus. Das wäre eine wirkliche Einsparung beim Bürgergeld“, so Kühnert.
Leser*innenkommentare
Soda
Es ist widerlich, um ein paar müde Millionen für den Haushalt zu sparen, kürzt man bei denen, die am wenigsten haben. Gleichzeitig werden fossile Subventionen weiterhin nicht angetastet und für Milliarden an fragwürdigen Steuererleichterungen reicht das Geld erstaunlicherweise doch noch. Vielleicht wäre der Koalitionsbruch doch langsam mal das geringere Übel.
Gnutellabrot Merz
Das langfristige Ziel der FDP ist es, jegliche Sozialleistungen abzuschaffen. Erst das Bürgergeld, dann die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, dann den bezahlten Urlaub.
Der Sozialstaat wird langsam aber sicher geschliffen.
Dann noch den Mindestlohn abschaffen, dann können endlich die sozial Abgehängten zu 48h Arbeit pro Woche verpflichtet werden, vom Minilohn können sie sich dann vielleicht noch den Strick leisten um diesen Neoliberalen Staat einigermaßen würdevoll zu verlassen.