Beliebtheit der Schuldenbremse: Der Staat als Wasserbett

Staatsschulden haben in Deutschland zu Unrecht einen schlechten Ruf. Sparen kann für eine Volkswirtschaft gefährlich sein.

DGB-Chefin Yasmin Fahimi

Auch ihr Drängen gegen die Schuldenbremse dürfte nicht helfen: DGB-Chefin Yasmin Fahimi Foto: Hannes P.Albert/ dpa

Es ist erschütternd: 61 Prozent der Deutschen halten die Schuldenbremse für eine gute Idee. Gegen diese stabile Mehrheit hat niemand eine Chance – auch nicht Yasmin Fahimi. Die DGB-Chefin forderte zu Weihnachten, dass die Schuldenbremse reformiert werden sollte. Fahimi hat recht, aber das nützt leider nichts. Viele Deutsche finden es ungerecht, dass sich der Staat dauerhaft verschulden darf. Denn sie, so die Logik, müssen ihre Kredite doch auch zurückzahlen! Warum sollte dies beim Staat anders sein?

Die Deutschen betrachten den Staat wie einen Familienhaushalt oder ein Unternehmen. Wer Kredite aufnimmt, muss sie wieder abstottern. Punkt. Doch dies ist ein fundamentales Missverständnis. Der Staat funktioniert wie eine Art Wasserbett, das Körper fluide in Balance hält: Er sorgt für einen nationalen Druckausgleich – zwischen allen Ersparnissen und Krediten.

Es ist eigentlich ganz einfach: Die Volkswirtschaft kann nur reibungslos laufen, wenn eben nicht zu viel gespart wird. Denn Sparen ist gefährlich, weil es Nachfrage entzieht. Wenn der Absatz stockt, bricht die Konjunktur sofort ein. Dummerweise neigen Familien und Firmen aber dazu, sich Geldpolster anzulegen, um für die Zukunft vorzusorgen. Also muss der Staat einspringen: Er muss Kredite aufnehmen und investieren, damit BürgerInnen und Betriebe sparen können, ohne die Wirtschaft zu ruinieren.

So seltsam es klingt: Staatliche Investitionen, finanziert auf Pump, machen die BürgerInnen reich. Wenn die Regierung hingegen knausert, wird auch die Bevölkerung ärmer. Dieses Phänomen nennen die Ökonomen „Sparparadox“: Wenn alle sparen, verlieren alle.

Bleibt nur noch eine Frage, leider die entscheidende: Wie überzeugt man jene 61 Prozent der Deutschen, die die Schuldenbremse für eine gute Idee halten? Vielleicht wäre es ein erster Ansatz, immerzu von „Investitionsstau“ und „Investitionskrise“ zu sprechen, also negativ belegten Begriffen. Denn so panisch die Deutschen beim Thema Schulden sind: Als Bewohner eines Industrielandes wissen sie, dass Investitionen die Zukunft sind.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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