Einführung eines Veteranentages: Ordentliche Rituale
Bundeswehrangehörige bringen oft große Opfer. Nicht verwunderlich, dass sie sich Anerkennung wünschen. Die sollten sie auch kriegen.
D ie Kritik kommt so zuverlässig wie reflexhaft: Der sogenannte Veteranentag, den der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen von Ampel und Union beschließen wird, sei Militarismus pur, heißt es von links. „Bein ab, Orden dran“, stand vor Monaten über einem taz-Kommentar zum geplanten Gedenktag. Dabei ist die Einführung ein guter Deal: Der Nutzen übersteigt Aufwand und Risiken. Unter deutschen Soldat*innen herrscht nun einmal ein großes Bedürfnis nach gesellschaftlicher Anerkennung.
Dieses Verlangen nimmt zum Teil überzogene Formen an, gespeist aus dem Neid auf Kolleg*innen aus den USA und anderen Staaten, wo tatsächlich ein schräger Kult ums Militär gepflegt wird. Im Kern ist der Wunsch aber verständlich: Soldat*innen erbringen in ihren Einsätzen Opfer wie kaum eine andere Berufsgruppe. Ihr Privatvergnügen sind diese Einsätze nicht: Die Aufträge an die Bundeswehr kommen von der Mehrheit der Bundestagsparteien, im Endeffekt also auch von der großen Mehrheit der Wähler*innen.
Da ist es nicht vermessen, im Gegenzug ein Zeichen der Wertschätzung zu verlangen. Staat und Gesellschaft kostet es wenig, diese Anerkennung in Form eines Veteran*innentages auszusprechen. Auf der Nutzenseite wirkt die Einführung dafür auch Versuchen der Vereinnahmung vonseiten der AfD entgegen. Die Rechten inszenieren sich unter Soldat*innen als einzige Kümmererpartei und nutzen dabei jede Leerstelle aus.
Außerdem: Schafft der Staat keine Rituale, schaffen Soldat*innen sie sich selbst. Über Form und Inhalt gibt es dann keine Kontrolle, die Abgrenzung zur Wehrmachtstradition ist zum Beispiel nicht garantiert. Anders beim Veteran*innentag ist, dass laut dem Ampel-Antrag der Bundestag und die Zivilgesellschaft an dessen Ausgestaltung mitarbeiten sollen.
So ließe sich in den nächsten Monaten auch dafür sorgen, dass Militär und Krieg nicht verherrlicht werden, sondern am 15. Juni Raum zur Reflexion bleibt. Eine kritische Linke sollte ihre Energie hier investieren, statt sich den Plänen komplett zu verweigern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“