piwik no script img

Rechte suchen Nähe zu WagenknechtSehnsucht nach der Querfront

Der Aufruf zur Friedenskundgebung von Wagenknecht zieht auch Rechtsextreme an. Sie hoffen auf einen Schulterschluss mit linken Kräften – mal wieder.

QAnon-Friedensdemonstranten in München am 18. Februar Foto: imago

Berlin taz | Die Vorfreude ist bereits groß. „Wir brauchen die große Querfront für den Frieden“, erklärte zuletzt Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer. Von Björn Höcke bis Sahra Wagenknecht müsse diese reichen. Und der 25. Februar, der Tag der Friedenskundgebung von Wagenknecht und Alice Schwarzer vor dem Brandenburger Tor in Berlin, sei dafür eine „Riesenchance“. Zu „Tausenden“ sollten „Patrioten“ erscheinen, um den Protest „mit Deutschlandfahnen zu fluten“, forderte Elsässer zuletzt in einem Compact-Video.

Und Elsässer ist nicht allein. Auch die AfD-Spitze um Tino Chrupalla unterstützt den Aufruf von Wagenknecht und Schwarzer, der sich gegen Waffenlieferungen in die Ukraine stellt und „Kompromisse auf beiden Seiten“ fordert, um den russischen Angriffskrieg zu beenden. „Im Einsatz für den Frieden sollten Parteigrenzen keine Barrieren sein“, twitterte Chrupalla. Aus seiner Partei heißt es, „zahlreiche Parteimitglieder und Funktionäre“ wollten sich an der Kundgebung beteiligen.

Identitären-Anführer Martin Sellner frohlockt ebenso über die „Möglichkeit einer Antikriegsallianz von rechts und links“, die Entwicklung sei „sehr interessant“. Auch die NPD erklärt, eine Querfront wäre „zu wünschen“. Die rechtsextreme „Freie Jugend“ aus Sachsen teilt den Kundgebungsaufruf: „Auf nach Berlin!“

Das Werben um eine Querfront, sie ist in Teilen der rechtsextremen Szene ein Klassiker. Insbesondere Elsässer, einst aus der linken Szene kommend, hofft darauf seit Jahren. Nun wittert er eine neue Chance. Denn Wagenknecht und Schwarzer grenzen sich höchstens halbherzig von den Rechtsextremen ab. Fahnen und Embleme aus der Szene wolle man auf der Kundgebung nicht, erklärten sie. Sonst aber sei „jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden demonstrieren möchte“.

Schon in München vermischte sich der Protest

Einen Vorgeschmack, wie es laufen könnte, gab es vor wenigen Tagen in München, auf einer „Friedenskundgebung“ gegen die Sicherheitskonferenz. Rund 10.000 Menschen versammelten sich dort – Querdenkende, Russlandfreunde, AfD-Anhänger:innen. Der Linke und Wagenknecht-Freund Diether Dehm und der frühere Journalist Jürgen Todenhöfer hatten zum Protest gerufen. Auch Elsässer war da und frohlockte über den „lagerübergreifenden“ Protest. „Die Querfront siegt“, jubelte sein Magazin.

Für den Querfront-Protest gibt es einen Vorläufer: die Friedensmahnwachen von 2014 und 2015. Diese entzündeten sich an den Maidan-Protesten in der Ukraine und der russischen Krim-Annexion – und suchten den spektrenübergreifenden Schulterschluss. Auch sie forderten eine russlandfreundlichere Politik. Schon damals mit dabei: Elsässer und Dehm. Und schon da stritt die Linkspartei und linke Szene über eine Abgrenzung nach rechts außen. Am Ende sorgte auch das für eine Spaltung der Bewegung, die sich schließlich verläpperte.

Nun umgarnt Elsässer erneut seit Monaten Wagenknecht, lobt ihren linksautoritären Kurs. Schon im Herbst suchte er auf einer rechtsextremen Kundgebung in Leipzig einen Schulterschluss, ließ „Sahra, Sahra“-Sprechchöre anstimmen. Im Dezember packte Elsässer Wagenknecht auf das Cover seines Magazins, titelte „die beste Kanzlerin“. „Wenn wir den Marsch in den Abgrund noch verhindern wollen, dann geht es nur über eine Querfront“, erklärte Elsässer. „Die Wagenknecht-Linken sind allein zu schwach, sie brauchen die patriotischen Friedenskräfte.“ Und auch der AfD-Rechtsaußen Hans-Thomas Tillschneider erklärte, auch wenn er Kritik daran habe, unterstütze er den Wagenknecht-Aufruf. „Besser als nichts.“

Wagenknecht lässt die Avancen von rechts außen bisher laufen. Mehr noch warb auch ihr Mann und Ex-Linkenchef Oskar Lafontaine zuletzt um alle Protestierenden „mit reinem Herzen“. Und Parteifreund Dehm erklärte zwar, er grenze sich „scharf“ von der AfD ab. Dennoch lud auch er Protestierende mit „ehrlichem Herzen“ ein und erklärte, er habe schon in den Neunzigern vor Deutschlandfahnen gesungen.

Erste Unterstützer springen ab

Die Linken-Parteiführung dagegen unterstützt den Wagenknecht-Aufruf nicht, kritisiert die fehlende Abgrenzung nach rechts außen. Auch die Erstunterzeichnenden Margot Käßmann, Johannes Varwick und Jürgen Grässlin sagten deshalb inzwischen eine Teilnahme an der Kundgebung ab.

Der Berliner Protestforscher Simon Teune sieht diesmal durchaus Chancen für die Querfrontler. Nach den Corona­protesten gebe es eine größere Masse aus Unzufriedenen und Verschwörungsanfälligen, welche die Politik und Medien ablehne, mobilisierbar sei und auch kein Problem mehr damit habe, mit Rechtsextremen gemeinsam auf die Straße zu gehen. „Das gab es 2014 in dieser Breite nicht“, so Teune zur taz.

Sowohl damals als auch bei späteren Protesten wie gegen TTIP sei in der linken Szene und Linkspartei stets um eine Abgrenzung nach rechts außen gerungen worden. „Dass Wagenknecht und Schwarzer eine klare Abgrenzung explizit aufgegeben haben, ist ein Novum“, so Teune. „Rechtsextreme werden am Samstag ein integraler Bestandteil dieser Demonstration sein.“ Ob daraus eine größere Querfront-Bewegung entstehe, sei noch offen – der heterogene Coronaprotest zeige aber die Möglichkeiten auf. Für die Demokratie sei die aufgegebene Abgrenzung indes fatal. „Am Ende wird es die Rechts­extremen bestärken und ihre Wirkung in breitere Kreise nochmal vergrößern.“

Verfassungsschutz sieht „gezielte Provokation“

Das Bundesamt für Verfassungsschutz bleibt derweil zurückhaltend. Zwar gebe es zu der Wagenknecht-Schwarzer-Kundgebung rechtsextreme Mobilisierungen, sagte eine Sprecherin der taz. Diese hätten aber „eher den Charakter einer gezielten Provokation“. Eine Querfront sei noch nicht in Sicht. „Eine koordinierte Zusammenarbeit der Protest­lager über die politischen Grenzen hinaus erscheint zum gegen­wärtigen Zeitpunkt als unwahrscheinlich.“

Und auch einigen Rechtsaußen geht der bemühte Schulterschluss zu weit. Sie ermahnte die AfD Sachsen-Anhalt vor wenigen Tagen ihre Mitglieder in einem Rundschreiben, Wagenknecht und andere blieben weiter eine politische Konkurrenz, die letztlich die AfD schwächen wollten. Man sollte deren Beiträge daher „nicht oder zumindest nicht mit unreflektierter Zustimmung teilen“.

Einige der Partei setzen denn auch lieber auf eigene Aktionen. So rufen in Dresden die AfD und Pegida für Freitag gemeinsam zu einem „Friedensspaziergang“ auf – auch das ein Novum. Björn Höcke oder der frühere FPÖ-Politiker Hans-Christian Strache wollen kommen, auch die rechtsextremen Freien Sachsen mobilisieren dorthin. 3.000 Teilnehmende werden erwartet, ein „breites Bündnis für Frieden und Völkerverständigung“ ist angekündigt. Das aber ist fraglich – vielmehr sind linke Gegenproteste angekündigt. Vor gut einer Woche hatte aber bereits der umstrittene Komiker Uwe Steimle in der Stadt zu einer „Demo für den Frieden“ aufgerufen, an der sich ein heterogenes Publikum beteiligte, inklusive Rechtsextreme.

Die Kundgebung von Wagenknecht und Schwarzer dürfte derweil weitaus größeres Publikum auf sich ziehen – ihre Onlinepetition unterzeichneten bereits 580.000 Personen. Wie viele davon wirklich auftauchen und wie dominierend die Rechtsextremen sein werden, wird der Samstag zeigen. Für Wagenknecht geht es an dem Tag wohl auch darum, auszuloten, wie groß ihre eigene Anhängerschaft ist. Die Linken-Politikerin liebäugelt weiter mit einer eigenen Parteigründung – mit der sie wiederum auch Rechtsaußen-Anhängerinnen einsammeln könnte.

Aktualisiert am 23.02.2023 um 08:45 Uhr. d. R.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Hm, ich sehe jetzt in Deutschland keine großen Bemühungen, aber man arbeitet halt in Teilen ganz massiv Putin zu. Gegen den sind die meisten AfD-Größen sehr gemäßigte Mitte

  • Große Teile der LINKEn werfen der SPD ja immer noch gerne die Zustimmung zu den Kriegskrediten im Jahre 1914 vor.

    Sie selber wiederholen jetzt dafür das Bündnis mit den Nazis zur Vernichtung der Demokratie aus den Jahren der Weimarer Republik.

    • @Suryo:

      Bissl überieben oder?



      Wo bitte sucht die linke aktiv ein Bündnis mit rechts?



      Die Demokratie wird meines Erachtens in vielerlei Hinsicht von ganz anderer Seite angegriffen.

      • @niko:

        Das Bündnis mit Russland wird gesucht. Russland wird derzeit von Rechten regiert.

      • @niko:

        "Jeder ist willkommen, solange er keine rechtsextreme Fahne dabei hat"

        Also "Willkommen, Herr Chrupalla, willkommen, Herr Bystron! Wollen Sie nicht noch zu mir und Frau Schwarzer auf die Bühne kommen? Zusammen geben wir ein starkes Zeichen für den Frieden, für Russland, für Deutschland!"

  • Warum sollten diejenigen, die das gleiche wollen, nicht miteinander demonstrieren? Große Teile der Linken stehen inhaltlich der AfD in vielen Fragen sicher näher als den Grünen oder SPD. Man ist für Putin, gegen Zuwanderung, gegen Cotona-Maßnahmen, gegen Klimaschutz, gegen Transrechte und eine moderne, vielfältige und liberale Gesellschaft. Beide leben auch davon, den Menschen im Osten zu suggerieren anders und benachteiligt zu sein. Wir sollten uns von dem unsinnigen rechts-links-Schema verabschieden, und anschauen, wer sich tatsächlich inhaltlich nahesteht. Unglaubwürdig ist, wer eine Putin-freundliche Petition unterschreibt, und sich gleichzeitig von der AfD distanzieren will.

  • Von vornherein solllte sich den Versuchen so ein Querfront Lechts-Rings-Bündnis zusammenzunähen entgegengestellt werden. Daraus kann sich nur ein elend stinkendes politisch unheilvolles Gebräu ergeben mit dem alle Möglichkeiten genommen sind, Verbotserwägungen faschistischer Organisierung zu realisieren. Sicher, wir brauchen eine neue strake Linke, aber kein undefinierbares, eklektizistisches Organisationskonglomorat mit vor allem eins, einen fetten, fetten Nazibauch, welches wohlmöglich sich als "sozialistisch" zu etikettieren weis.



    Nein Frau Wagenknecht, so oder so nicht, never again! Es gibt kein ruhiges Hinterland und keinen Burgfrieden und auch keinerlei Gemeinsamkeiten mit diesen Kräften. Das alles wird dazu führen, dass aus ehrlichen Herzen, stinkende Herzen werden, warum geben sie sich dafür her? In diesem Punkt hat Frau Berbock recht, unser politisches Rückrat kann nur in der EU entstehen, in der es kein Platz für Deutschtümeleien und nationalistische Rückwärtsgewandheit gibt.

  • Die sind für alles aber der Frieden geht denen am Allerwertesten vorbei. Und das alles nur weil Wagenknecht testen will ob es für eine neue Partei reicht.

    • @Garum:

      100% Ihrer Meinung! Wagenknecht ging es nie um die Armen. Die wollte schon immer nur an die Macht. Am liebsten einer neuen Form der Sowjetunion (natürlich ohne Demokratie).

      • @__tester:

        Den Grünen/SPD ging es NIE um Arme. Sie können mir doch nicht ernsthaft sagen, dass des den Grünisten um die Friseuse, den Tankwart oder den Security-Mitarbeiter geht? Und ich wage mal zu behaupten, dass es auch der ANTIFA nicht um sozial benachteiligte Personen geht, sondern in erster Linie um sich selbst. Ist mein persönlicher Eindruck.

  • "Für Wagenknecht geht es an dem Tag wohl auch darum, auszuloten, wie groß ihre eigene Anhängerschaft ist. Die Linken-Politikerin liebäugelt weiter mit einer eigenen Parteigründung – mit der sie wiederum auch Rechtsaußen-Anhängerinnen einsammeln könnte."



    Eine kühle Taktiererin. Rein links war "aufstehen" eine Niete, also wird's jetzt von allen Seiten versucht.



    Fragt man sich doch glatt, was man daraus für Rückschlüsse auf ihre eigene politische Gesinnung ziehen soll.

  • Ja leider werden sie recht haben.



    Die zwei Saarländer, der Österreicher, die Sachsen und Thüringer mit westdeutschem Migrationshintergrund, es wird einem richtig unwohl, wenn man diese Entwicklung weiter denkt.

  • Mal sehen, ob Wagenknecht und Dagdelen vor lauter AfD-, Reichs- und Russlandfahnen überhaupt zu erkennen sein werden.

  • Das Verhalten der Rechten ist natürlich in weiten Teilen eine Provokation und bewusste Instrumentalisierung des Aufrufs.

    Allerdings sind die dünnen Worte vom ehrlichen Herzen eben auch keine klare und ehrliche Abgrenzung gegen rechts.

    Es ist objektiv richtig, dass niemand mit ehrlichem Herzen gleichzeitig rechts sein und für Frieden eintreten kann - rechts heißt immer auch Rechtfertigung von Härte, Krieg und Gewalt. Aber dennoch ist die Formulierung mit ehrlichem Herzen als Abgrenzung zu dünn.

    Die Kundgebung hätte mit einer klaren Forderung verbunden werden können und sollen, alle Kriegsflüchtlinge, egal, woher sie kommen, aufzunehmen, nicht als Gnade, sondern als Menschenrecht.

    Dann würden die Rechten fernbleiben und die, die kämen, hätten tatsächlich ehrliche Herzen.

    Stellt sich nur die Frage, ob unter diesem Motto Wagenknecht und Lafontaine selbst noch kämen?

  • Sahra und ihr Gefolge machen Kleinholz aus Die Linke bevor sie gehen. Wer rechtoffen ist ist nicht mehr ganz dicht. Der Restverstand bei Die Linke ist scheinbar völlig paralysiert. Da kommt nix. Macht den Laden dicht und gründet was für soziale Gerechtigkeit ohne Ideologie und Lagerdenken was die Menschen nur konfus macht und so einen Scheiß wie Querfront produziert. Die Rechten und die Neoliberalen lachen sich derweil eins in Fäustchen.

    • @Andreas J:

      Soziale Gerechtigkeit ist bereits eine Ideologie. Und sie ist eine, nach der wir alle streben sollen.

      Besides: bergpartei und Die Klimaliste. Man braucht nichts neues zu gründen.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Naja, von beiden vorher noch nie was gehört, da ich nicht in Berlin lebe und die Bezeichnung ökoanarchistisch-realdadaistisches



        Sammelbecken klingt zwar interessant und lustig, wird aber die meisten abschrecken. Grüße aus der Kurt Schwitters-Stadt.

  • Ich lehne mich Mal gar nicht so weit aus dem Fenster und sage:

    Der 25. Februar wird der offizielle Startschuss der links-rechten Querfront.

    Ehrliche Herzen, deutsches Gemüt und völkische Stimmung.

    Stellt den Henkell Trocken kalt.

    • @Jim Hawkins:

      Das funktioniert nur, wenn man dem Trugschluß aufsitzt, daß Die Linke als Ganzes eine linke Partei sei. Manche Dinge werden selbst dann nicht wahr wenn man sie unermüdlich und ununterbrochen wiederholt. Willkommen jedenfalls in der Welt der Euphemismen und Worthülsen.

      • @TV:

        Vielleicht liegt es ja an meinen mangelnden Auffassungsmöglichkeiten, aber ich weiß jetzt nicht, was Sie mir sagen wollen.