Korruptionsprozess in Österreich: Freispruch für Strache

Ein Wiener Gericht hat den früheren Vizekanzler und FPÖ-Chef freigesprochen. Für den Vorwurf des Gesetzeskaufs gebe es nicht genügend Beweise.

Portrait

Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Obmann und Ex-Vizekanzler Österreichs vor dem Wiener Gericht Foto: Lisa Leutner/ap

WIEN taz | Heinz Christian Strache glaubt wieder an die Justiz. Am Dienstag wurde er in einem Verfahren am Wiener Straflandesgericht wegen mutmaßlichen Gesetzeskaufs freigesprochen – wegen Mangels an Beweisen. Die Richterin konnte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Parteispende an die FPÖ und einer Gesetzesinitiative erkennen.

Strache, damals noch Chef der rechtspopulistischen FPÖ und vor dem Höhepunkt seiner Karriere als Vizekanzler, hatte sich 2017 im Nationalrat für das Ansinnen seines Freundes Walter Grubmüller eingesetzt. Grubmüller, der in Wien eine auf kosmetische Eingriffe spezialisierte Schönheitsklinik betreibt, wollte in den Prikraf aufgenommen werden. Der von den Krankenkassen dotierte Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) ersetzt Privatkliniken die Kosten für bestimmte Behandlungen – allerdings nur jenen, die auf einer Liste erschöpfend aufgezählt sind. Mehrere Leiter von Privatkliniken bemühten sich seit Jahren, in diesen exklusiven Zirkel aufgenommen zu werden. Gesetzliche Kriterien, die das regeln, gab es nicht.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die unter anderem den Ibiza-Skandal aufarbeitet, sah einen Zusammenhang zwischen einer Parteispende von 12.000 Euro und einem Gesetzesantrag, den die FPÖ später im Nationalrat einbrachte. Wenig später, die FPÖ war inzwischen Juniorpartner der ÖVP in der Regierung von Sebastian Kurz und Strache war Vizekanzler, wurde das Gesetz, das Grubmüllers Aufnahme in den Prikraf ermöglichte, mit der Mehrheit der Regierungsparteien angenommen.

Dem war ein reger Austausch zwischen Strache und Grubmüller vorausgegangen. „Welches Gesetz brauchst Du denn?“, hatte Strache seinen Freund via SMS oder WhatsApp gefragt. Als die Causa vor bald zwei Jahren zum ersten Mal vor Gericht landete, schloss sich die Richterin der Sichtweise der WKStA an und verurteilte Strache im August 2021 wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten, den Klinikbetreiber Grubmüller zu zwölf Monaten Haft. Beides auf Bewährung.

Entlastende Chatnachrichten

Ein Jahr später hob das Oberlandesgericht diesen Schuldspruch auf und verwies zurück an die erste Instanz. Das Verfahren müsse wiederholt werden, weil entlastende Chatnachrichten beim ersten Prozess nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Diese Argumentation machte sich jetzt auch die Richterin beim neuen Verfahren zu eigen. Es ging jetzt mehr um die parlamentarische Praxis, wie Initiativanträge zustande kommen. Fast alle Zeugen aus dem Parlament entlasteten Strache, dessen persönliche Freundschaft mit Grubmüller bekannt war. Niemand wollte sich an Auffälligkeiten in Zusammenhang mit der Gesetzesinitiative erinnern.

Den Ausschlag dürfte schließlich die Aussage des SPÖ-Abgeordneten Christoph Matznetter gegeben haben. Als Wirtschaftskammer-Funktionär hatte er wiederholt die Praxis im Prikraf als „sonderbar und unfair“ angeprangert. Am Reformbedarf bestand für die Opposition kein Zweifel. Im Prinzip hatte die ÖVP nach Gutdünken über die Aufnahme von Privatkliniken entschieden. Walter Grubmüller, der früher aus seiner SPÖ-Nähe kein Geheimnis gemacht hatte, kannte Matznetter „als politisch interessierten, Anteil nehmenden Menschen.“

Hätte sie Beweise für einen Gesetzeskauf entdeckt, dann wäre das Urteil anders ausgefallen, verteidigte die Richterin ihren Freispruch und zeigte sich illusionslos über die Politik: „Wenn sich der Staat dazu bekennt, dass es Parteispenden gibt, kann man nicht davon ausgehen, dass jede Parteispende illegal ist.“ Die WKStA hat drei Tage Zeit, gegen das Urteil zu berufen.

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